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Historischer Richterspruch
Oscar Wilde vor 125 Jahren wegen Homosexualität verurteilt
Die Haft des irischen Schriftstellers kam einem Todesurteil gleich: Oscar Wilde erholte sich nie mehr von der Zwangsarbeit, die er hinter Gittern leisten musste.

Oscar Wilde in einem um 1882 aufgenommenen Foto von Napoleon Sarony
- 25. Mai 2020, 12:53h 2 Min.
Am 25. Mai 1895, vor genau 125 Jahren, ist Oscar Wilde ("Das Bildnis des Dorian Gray") im auch heute noch genutzten Strafgerichtsgebäude Old Bailey in London wegen "Sodomy" (Unzucht) zu zwei Jahren Haft mit harter Zwangsarbeit verurteilt worden. Der Richter hätte den irischen Schriftsteller damals am liebsten noch härter bestraft. Die maximal erlaubte Strafe sei "völlig unzureichend für einen Fall wie diesen", zürnte der wegen der Homosexualität des Angeklagten angewiderte "Mister Justice". Er bezeichnete die Causa Wilde als "schlimmsten Fall, den ich je vor mir hatte".
Ausschlaggebend für die Verurteilung war nicht direkt sein Verhältnis zu Lord Douglas (Bosie), das etwa im Film "Oscar Wilde" mit Stephen Fry und Jude Law aus dem Jahr 1997 dargestellt wurde. Vielmehr wurde ihm sein allzu offener Umgang mit männlichen Prostituierten zum Verhängnis, von denen einige als Zeugen gehört worden waren.
/ BNArchive | Die in Großbritannien traditionell wenig zimperlichen Medien hatten den Prozess gegen Oscar Wilde interessiert verfolgt#OTD 125 years ago Oscar Wilde was sentenced to 2 years' hard labour on 'various charges of indecency' at the Old Bailey. Here, the Western Mail reports on his conviction, 27 May 1895 https://t.co/nfYtkqOGHt #OscarWilde #lgbtqhistory pic.twitter.com/rjN4QpTYV4
The British Newspaper Archive (@BNArchive) May 25, 2020
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Die damals in England üblichen barbarischen Haftbedingungen und die Zwangsarbeit waren trotz der vom Richter beklagten Milde genug für Wilde: Nach seiner Freilassung 1897 war er gezeichnet und siedelte nach Paris um – dort starb er nach drei Jahren völlig verarmt an den Spätfolgen der Haft mit gerade einmal 46 Jahren.
Oscar Wilde ist – neben dem in Ungnade gefallenen Kriegshelden Alan Turing – wohl das bekannteste schwule Opfer der britischen Justiz. Der Lyriker, Romanautor, Dramatiker und Kritiker galt schon zu Lebzeiten als einer der bekanntesten und gleichzeitig umstrittensten Schriftsteller im damals viktorianischen Königreich.
/ gerrystoneThis day 125 years ago 25 May 1895 #OscarWilde was convicted in the Old Bailey of gross indecency. Sentenced to 2 years hard labor, he was incarcerated from 25 May 1895 to 18 May 1897, after which he fled to France, never to return to Britain or Ireland. #LGBTQ #IrishHistory pic.twitter.com/cNjaqpXgRm
Gerry Stone (@gerrystone) May 25, 2020
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Das Gesetz, nach dem Wilde verurteilt wurde, war praktisch seit 1533 in Kraft, sah bis 1861 auch die Todesstrafe vor und ist bis heute Grundlage anti-homosexueller Paragrafen in einigen ehemaligen Kolonien. Auch auf den britischen Inseln sind Schwule länger verfolgt worden als in den meisten anderen europäischen Ländern: In England und Wales wurde männliche Homosexualität 1967 legalisiert, in Schottland 1981, in Nordirland 1982 und in der Republik Irland 1993. Inzwischen gelten sowohl das Vereinigte Königreich als auch Irland als äußerst fortschrittlich bei LGBTI-Rechten – alle Landesteile haben etwa die Ehe für Schwule und Lesben geöffnet. Letzte Bastion der Ehe-Gegner war Nordirland. Dort dürfen gleichgeschlechtliche Paare aber seit Februar 2020 auch heiraten (queer.de berichtete). (dk)
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Es wäre schön gewesen, zu sehen, was dieser kreative Freigeist noch alles an Theaterstücken, Romanen, Erzählungen, Gedichten, Märchen und Essays geschaffen hätte, wenn er nicht vernichtet worden wäre.
Und was der Nachwelt noch alles an seinen berühmten Zitaten und Bonmots erhalten geblieben wäre.
Bei weitem nicht der einzige Fall, aber sicher der bekannteste Fall, wie Homosexuelle früher auch in mittlerweile vorbildlichen Staaten verfolgt, interniert, gequält und vernichtet wurden.
Dass er die Folgen der Haft nicht überstanden hat und dann drei Jahre später verarmt und mit erst 46 Jahres gestorben ist, ist eine Schuld, die immer auf der damaligen Gesellschaft lasten wird.