Mit dem neuen Adoptioshilfe-Gesetz werden Kinder in Regenbogenfamilien weiteren rechtlichen Unsicherheiten ausgesetzt
Zu Update springen: SPDqueer gibt Union die Schuld für Diskriminierung (16.35 Uhr)
Trotz Kritik der demokratischen Oppositionsparteien und von LGBTI-Aktivst*innen hat die Bundesregierung am Mittwochvormittag im Familienausschuss des Bundestages eine Verschärfung der Richtlinien für Regenbogenfamilien durchgewinkt. Das Adoptionshilfe-Gesetz (PDF) sieht unter anderem vor, dass gleichgeschlechtliche Ehen, in die ein Kind hineingeboren wird, künftig eine Zwangsberatung machen müssen, heterosexuelle Paare dagegen nicht.
Die Zwangsberatung ist neu in Fällen der Stiefkindadoption vorgesehen, die lesbische Frauen trotz der Ehe für alle durchlaufen müssen, damit beide Ehepartnerinnen als Elternteile anerkannt werden. Bei heterosexuellen Paaren gab und gibt es derartige Hürden nicht – der Ehemann wird stets automatisch als Elternteil anerkannt, selbst wenn er nicht der leibliche Vater ist. Da der Prozess der Stiefkindadoption langwierig ist, drohen dem Kind Nachteile – beim plötzlichen Tod einer Mutter kann es etwa zur Vollwaisen werden.
Ein Änderungsantrag der grünen Bundestagsfraktion, die homo- und heterosexuelle Eheleute in dieser Frage gleichstellen sollte, wurde nach Grünen-Angaben mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und AfD abgelehnt. Das Plenum des Bundestages soll das diskriminierende Gesetz nun am Donnerstagnachmittag abschließend beraten und beschließen.
"Queerpolitischer Rückschritt"
"Just am Anfang der (virtuellen) CSD-Saison überrascht die Koalition mit einem queerpolitischen Rückschritt. Mit dem von der Regierung eingebrachten Adoptionshilfegesetz wird die Diskriminierung von Regenbogenfamilien vertieft", beklagten die grüne Fraktionsvizechefin Katja Dörner und Ulle Schauws, die Sprecherin für Queerpolitik und Frauenpolitik der grünen Bundestagsfraktion. Die Zwangsberatung aufgrund der sexuellen Orientierung der Eltern sei "nicht nur unsinnig, sondern stellt eine weitere Gängelung dar, unter der Regenbogenfamilien und vor allem Kinder leiden werden".
Auch die FDP kritisierte die zunehmende Diskriminierung von Regenbogenfamilien: "Mit dem Adoptivhilfe-Gesetz hat die Koalition die Chance verpasst, die Rechte von Regenbogenfamilien zu stärken. Die verpflichtende Beratung im Rahmen der Stiefkindadoption erhöht die Belastung lesbischer Mütter sogar", erklärte Jens Brandenburg, der Sprecher für LSBTI der liberalen Bundestagsfraktion. Regenbogenfamilien verdienten "nicht weitere Hürden, sondern Respekt und Akzeptanz".
Der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland hatte bereits im Januar eine Petition für die Gleichbehandlung von Regenbogenfamilien gestartet (queer.de berichtete). Bislang wurde sie von mehr als 56.000 Menschen unterzeichnet.
Union und SPD hatten sich bereits im Februar bei einer Reform des Adoptionsrechts geweigert, Regenbogenfamilien mit heterosexuellen Familien gleichzustellen (queer.de berichtete). (dk)
Update 16.35: SPDqueer gibt Union die Schuld
Carola Ebhardt und Elia Scaramuzza, die kommissarischen Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft SPDqueer, kritisierten in einer Pressemitteilung, dass das Adoptionshilfe-Gesetz mit der Ungleichbehandlung von Regenbogenfamilien "einen entscheidenden Fehler" habe. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht habe (SPD) aber nach Angaben der LGBTI-Sozialdemokrat*innen versucht, zumindest die Zwangsberatung von lesbischen Ehepaaren zu verhindern.
"Diese Ausnahmeregelung wurde allerdings von der Berichterstatterin der CDU/CSU im Familienausschuss, Dr. Silke Launert, und ihren Unions-Kolleg*innen abgelehnt und fand daher leider nicht den Weg in den Gesetzentwurf", so Ebhardt und Scaramuzza. "Dieser Vorgang fügt sich in eine lange Reihe diskriminierender Entscheidungen der Unions-Fraktion im Deutschen Bundestag und ist für die SPDqueer nur ein weiterer Beleg dafür, dass dort ein Menschen- und Familienbild aus dem vergangenen Jahrhundert vorherrscht." Warum sich die verantwortliche Ministerin nicht durchsetzen kann, verriet die SPDqueer nicht.
Ein Wort in eigener Sache
Hinter gutem Journalismus stecken viel Zeit und harte Arbeit – doch allein aus den Werbeeinnahmen lässt sich ein Onlineportal wie queer.de nicht finanzieren. Mit einer Spende, u.a. per
Paypal oder Überweisung, kannst Du unsere wichtige Arbeit für die LGBTI-Community sichern und stärken.
Abonnent*innen bieten wir ein werbefreies Angebot.
Jetzt queer.de unterstützen!