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"Wenn wir den Artikel 3 anpassen, dann bitte richtig"
FDP für Grundgesetz-Reform: Rasse raus, sexuelle Identität rein
Der queerpolitische Sprecher der FDP-Fraktion will in einem Schwung den diskriminierenden Begriff Rasse ersetzen und den Schutz der sexuellen Identität in die Verfassung aufnehmen.

Jens Brandenburg ist seit dem Wiedereinzug der Liberalen 2017 Mitglied des Bundestages (Bild: Deutscher Bundestag / Achim Melde)
- 15. Juni 2020, 14:16h 3 Min.
Jens Brandenburg, der Sprecher für LSBTI der FDP-Bundestagsfraktion, hat am Montag eine umfassende Reform von Artikel 3 des Grundgesetzes gefordert. Neben einer Reform der Sprache um das Rassismusverbot solle auch die Diskriminierung aufgrund der "sexuellen Identität" in der Verfassung untersagt werden.
Seine Fraktion hatte in den letzten Tagen neben SPD, Grünen und Linksfraktion die Streichung des Begriffs Rasse aus dem Gleichbehandlungsartikel gefordert – als Grund wurde genannt, dass die Theorie, dass er verschiedene menschliche Rassen gibt, schon lange überholt sei. Man solle den Begriff daher durch "ethnische Herkunft" ersetzen oder schlicht vom Verbot von Rassismus sprechen.
Brandenburg wies nun darauf hin, dass man diese Reform mit der lange geforderte Aufnahme des Merkmals "sexuelle Indentität" in den Antidiskriminierungsartikel des Grundgesetzes verbinden könne. "Eine Verfassung ändert man nicht alle paar Wochen. Wenn wir den Artikel 3 anpassen, dann bitte richtig", so Brandenburg. Noch in den Siebzigerjahre des letzten Jahrhunderts habe das Bundesverfassungsgericht auf Basis des Artikels strafrechtliche Verfolgung homosexueller Männer gebilligt. "Zehntausende Männer wurden inhaftiert, weil sie in den Augen des Staates eine Person des vermeintlich falschen Geschlechtes liebten. Ein solches Unrecht darf sich nie wiederholen", forderte der liberale Abgeordnete aus Baden-Württemberg. "Niemand darf aufgrund der sexuellen Identität diskriminiert werden. Diesen Schutz soll das Grundgesetz unmissverständlich garantieren."
Grundgesetz "für stürmischere Zeiten wappnen"
Er mache sich wegen der "politischen Radikalisierung" Sorgen, dass Minderheitenrechte schnell unter die Räder kommen könnten, wenn die Verfassung das nicht verbietet. "Wir leben in Zeiten, in denen eine politische wie gesellschaftliche Mehrheit Freiheitsrechte kennt und achtet. Solche Jahre sollten wir nutzen, den Wortlaut des Grundgesetzes für stürmischere Zeiten zu wappnen", so Brandenburg. "Wir haben es jetzt in der Hand, ob sich kommende Generationen homo-, bi-, trans- und intersexueller Menschen auf ihre Verfassung verlassen können. Also lasst uns den Begriff der 'Rasse' ersetzen und den Schutz der 'sexuellen Identität' ergänzen. Beide Änderungen sind überfällig."
Bei einer Anhörung im Rechtsausschuss des Bundestages waren sich im Februar Sachverständige einig, dass "sexuelle Identität" endlich in die deutsche Verfassung aufgenommen werden müsse. Auch diese Reform wird von SPD, FDP, Linksfraktion und Grünen unterstützt – bislang hat die Union blockiert, weil man das Grundgesetz nicht überfrachten wolle. Zuletzt signalisierte die größte Fraktion aber Entgegenkommen (queer.de berichtete). Zudem üben die Lesben und Schwulen in der Union Druck aus (queer.de berichtete).
Auch bei der Reform im Bereich Rassismus stellt sich – neben der AfD – derzeit insbesondere die Union quer. Am Wochenende bezeichnete Mathias Middelberg (CDU) den Vorschlag als abzulehnende "Symbolpolitik", Andrea Lindholz (CSU) argumentierte, dass nur der Begriff Rasse "völkerrechtlich verankert" sei, Rassismus aber nicht.
Derzeit heißt es in Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes: "Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden." (dk)














