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USA

Überraschung: Supreme Court verbietet LGBTI-Diskriminierung am Arbeitsplatz

Die amerikanischen Höchstrichter haben entschieden, dass ein 56 Jahre altes Bundesgesetz bereits heute Homo- und Transsexuelle vor Diskriminierung schützt.


Im Supreme Court entscheiden neun Richterinnen und Richter, die auf Lebenszeit ernannt worden sind. Dabei handelt es sich um (von links oben nach rechts unten): Neil M. Gorsuch (ernannt von Trump), Sonia Sotomayor (Obama), Elena Kagan (Obama), Brett M. Kavanaugh (Trump), Stephen G. Breyer (Clinton), Clarence Thomas (Bush Sr.), John G. Roberts (Bush Jr.), Ruth Bader Ginsburg (Clinton) und Samuel A. Alito (Bush Jr.) (Bild: Supreme Court)
  • 15. Juni 2020, 14:35h 11 4 Min.

Der amerikanische Verfassungsgerichtshof hat am Montag die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität im Arbeitsrecht untersagt. Bislang hatten nur rund die Hälfte der US-Bundesstaaten ein Gesetz, das derartige Ungleichbehandlung ausdrücklich verbietet. Insbesondere im konservativen Süden durften Arbeitgeber jedoch nach Gutdünken Homo- oder Transsexuelle feuern. Damit ist nach der mit sechs gegen drei Richterstimmen ergangenen Entscheidung Schluss.

Konkret bezieht sich die Grundsatzentscheidung auf Paragraf 7 des bahnbrechenden Bürgerrechtsgesetzes "Civil Rights Act" aus dem Jahr 1964, wonach Diskriminierung unter anderem aufgrund von Merkmalen wie Rasse, Geschlecht oder Religion untersagt ist. Seit Jahren kämpfen LGBTI-Organisationen dafür, dass auch sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität in diesen Katalog aufgenommen wird. Bislang scheiterte dies aber insbesondere am Widerstand der Republikanischen Partei. Das Höchstgericht entschied aber, dass die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität unter das Diskriminierungsverbot aufgrund des Geschlechtes falle und daher verboten sei.


Die Entscheidung ist die Topstory in allen großen US-Medien

Der Supreme Court hatte drei Fälle aus Vorinstanzen übernommen: Konkret ging es erstens um die Entlassung des inzwischen verstorbenen Fallschirmsprunglehrers Donald Zarda aus der Nähe von New York, der 2010 von seinem Arbeitgeber wegen seiner Homosexualität gefeuert worden war (queer.de berichtete). Zweitens wurde der Fall der Bestatterin Aimee Stephens aus Michigan verhandelt, die von ihrem christlichen Arbeitgeber 2013 gefeuert worden war, weil sie eine Geschlechtsanpassung durchführen ließ (queer.de berichtete). Auch die in den letzten Jahren USA-weit bekannt gewordene Aktivistin erlebte das Urteil nicht mehr – sie verstarb letzten Monat an Nierenversagen (queer.de berichtete). Drittens wurde der Fall des Sozialarbeiters Gerald Bostock aus Georgia behandelt, der von der Bezirksregierung mit Verweis auf seine Homosexualität entlassen wurde.
Nach seiner Klage geht dieser Fall unter der Bezeichnung "Bostock v. Clayton County" in die Geschichte ein.

Direktlink | CNN unterbrach seine Berichterstattung zu den "Black Lives Matter"-Protesten wegen der Entscheidung
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Trump-Richter votierte mit "liberalen" Richtern und Chefrichter

Eigentlich haben in dem Gerichtshof, in dem anders als etwa im Karlsruher Bundesverfassungericht eher politisch als verfassungsrechtlich entschieden wird, die Konservativen die Mehrheit. Fünf Richter wurden von Republikanern ernannt, drei Richterinnen und ein Richter von den Demokraten. Allerdings stellte sich neben dem konservativen Chefrichter John Roberts ausgerechnet der von Donald Trump ernannte und als erzkonservativ geltende Richter Neal Gorsuch auf die Seite der "Liberalen". Gorsuch schrieb auch die Begründung der Mehrheit.

/ HRC
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Darin heißt es unter anderem: "Ein Arbeitgeber, der eine Person einfach dafür feuert, weil sie homosexuell oder transgender ist, verstößt gegen das Gesetz." Gorsuch verwies darauf, dass die Sprache im Civil Rights Act sehr breit angelegt sei – und es daher vorschreibe, dass auch Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität verboten sei, weil diese Merkmale eben auf dem Geschlecht beruhten.

Die drei konservativen Richter Clarence Thomas (ernannt von George H.W. Bush), Samuel Alito (ernannt von George W. Bush) und Brett Kavanaugh (ernannt von Donald Trump) beschuldigten dagegen die Richtermehrheit, wie ein Gesetzgeber zu agieren und nicht wie Richter. Alito argumentierte, dass die Intention der Initiator*innen des Gesetzes in den Sechzigerjahren nicht einmal im Ansatz der Schutz von Homo- und Transsexuellen gewesen sei.

Die Richtermehrheit folgte einer Rechtsauffassung, die bereits einige Gerichte in den letzten Jahren entwickelt hatten – die Mehrheit untergeordneter Gerichte hatte aber die Meinung vertreten, dass das Merkmal "Geschlecht" im Bürgerrechtsgesetz nicht "sexuelle Orientierung" und "Geschlechtsidentität" mit einschließen würde. Das Justizministerium unter Präsident Barack Obama hatte vor Gerichten und in Richtlinien eine progressive Deutung des Gesetzes vertreten. Unter Präsident Trump bekämpfte die Regierung die Ausweitung des Diskriminierungsschutz allerdings wieder, so auch zu den vorliegenden Fällen vor Gericht (queer.de berichtete).

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LGBTI-Organisationen zeigten sich erfreut über den Sieg: GLAAD-Chefin Sarah Kate Ellis erklärte etwa: "Speziell in einer Zeit, in der die Trump-Regierung die Rechte von Transmenschen zurückdreht und transphobe Gewalt unserer Nation weiterhin zu schaffen macht, ist diese Entscheidung ein Schritt vorwärts und bestätigt, dass Transmenschen und alle anderen LGBTQ Würde haben."

/ sarahkateellis
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Amnesty International erklärte in Anlehnung an das Präsidenten-Jargon: "Das. Ist. RIESIG!". Dazu bekräftigte die Menschenrechtsorganisation: "LGBTI-Rechte sind Menschenrechte."

/ amnestyusa

Der New Yorker Gouverneur Andrew Cuomo freute sich auf Twitter ebenfalls über die Entscheidung und bezeichnete sie als "großen Sieg für LGBTQ-Rechte". Der Politiker der Demokraten versprach außerdem, dass sein Bundesstaat weiter dafür kämpfen werde, dass "jede LGBTQ-Person ohne Angst sie selbst sein kann".

/ NYGovCuomo

Die 2016 unterlegene Präsidentschaftskandidatin Hilary Clinton begrüßte das Urteil überschwänglich: "Zu sein, wer man ist, sollte kein Entlassungsgrund sein", so die 72-Jährige. Sie wünschte außerdem einen "Happy Pride".

/ HillaryClinton

Präsident Donald Trump, der kurz vor der Entscheidung mehrfach in Großbuchstaben getwittert hatte ("LAW & ORDER!"), äußerte sich in den ersten zwei Stunden nach der Urteilsverkündung nicht zu diesem Fall.

Konservative und Rechtspopulisten zeigten sich jedoch schockiert über das Urteil. Im Rechtsaußen-Portal "Breitbart News", das Trump bedingungslos unterstützt, beklagten sich Nutzer*innen etwa darüber, dass der Sieg der "Perversion" Amerika schwäche werde. (dk)


Artikel mehrfach ergänzt

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#1 ColonelAnonym
  • 15.06.2020, 16:57h
  • Gutes Urteil! Überraschend würde ich es indes nicht unbedingt nennen, Gorsuch hat sich schon in den Hearings sehr gespalten gezeigt. War 50-50.

    Vielleicht als allgemeine Manöverkritik: Man tut dem Supreme Court und den dort sitzenden Richtern (die bei aller ideologischen Differenz alle hervorragende Jurist*innen sind) Unrecht, wenn man die Positionen dort auf das simple Konservativ-Liberal/Republikanisch-Demokratisch-Gefälle herunterbricht. Damit tut man sich auch analytisch keinen Gefallen. Die wenigsten SCOTUS-Entscheidungen werden anhand dieser Linien gefällt, zuletzt gab es etwa eine Trump-kritische 7-2-Mehrheit in Nasrallah vs. Barr (mit dem vielgescholtenen Kavanaugh als federführender Kraft) - auf der anderen Seite hat die sonst "liberale" Elena Kagan mit den "konservativen" Richtern in Kansas vs. Kahler votiert und dort ebenfalls die Mehrheitsentscheidung verfasst.
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#2 goddamn liberalAnonym
#3 FredericAnonym
  • 15.06.2020, 19:10h
  • Zeigt doch, dass auch ein konservativer Richter die Gesetze neutral auslegt. Letztendlich freue ich mich sehr für die US Amerikaner.
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