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Polen
Veteranen des Warschauer Aufstands und Jüdische Gemeinde kritisieren Duda
Der polnische Präsident Andrzej Duda verschärft seit Tagen seine Rhetorik gegen LGBTI – nun werden Warnungen vor der "Demütigung" und "Entmenschlichung" sexueller Minderheiten lauter.

Duda am Montag bei einem Wahlkampfauftritt im Lublin. Auf dem Regenbogen-Schild eines Gegendemonstranten steht: "Wir sind Menschen, keine Ideologie"
- 17. Juni 2020, 11:53h 4 Min.
Die homo- und transfeindlichen Äußerungen des polnischen Präsidenten der letzten Tage haben zu "großer Empörung" bei Veteraninnen und Veteranen des Warschauer Aufstands geführt. Diese Aussagen zielten darauf, "die Gesellschaft zu spalten und Hass auf LGBT-Menschen zu schüren", beklagte die Vereinigung der Warschauer Aufständischen und die Stiftung zur Erinnerung an die Helden des Warschauer Aufstands in einer gemeinsamen Erklärung.
"Menschen mit anderen sexuellen Präferenzen" verdienten wie jeder Mensch Respekt und Würde. "Nun hören wir seit einigen Tagen Worte, die einer anderen Person die Menschlichkeit absprechen. Diese Worte, die von ganz Polen, aber auch von der Welt gehört werden, müssen auf den radikalen Widerstand anständiger Menschen stoßen", so die Stellungnahme vom Montag.
"Wir werden nicht gleichgültig sein gegenüber der Entmenschlichung einer Minderheit, die uns an die schlimmsten Zeiten erinnert, in denen wir leben durften." Die damaligen Aufständischen gegen die deutschen Besatzer "glauben, dass wir die Pflicht haben, für die schwächeren Menschen einzutreten. Es gibt keine Zustimmung zur Demütigung sexueller Minderheiten in einem Land, in dem Homosexuelle von Faschisten wegen ihrer Unterschiedlichkeit getötet wurden. Wir fordern die Politiker auf, die Spaltung der Gesellschaft zu beenden."
Noch lebende Beteiligte des Aufstands 1944 hatten bereits im letzten Jahr in deutlichen Worten den Krakauer Erzbischof Marek Jedraszewski kritisiert, der in einer Predigt vor einer "Regenbogenpest" gewarnt hatte (queer.de berichtete). Zuvor hatten die beiden Veteranen-Verbände die Gewalt gegen den CSD in Bialystok kritisiert und ein Handeln gegen Hass gefordert, bevor es "zu spät" sei, "bevor wir die Fehler vor dem Zweiten Weltkrieg wiederholen, als die kranke Ideologie der Ausgrenzung den menschlichen Verstand überschwemmte".
Auch Jüdische Gemeinde warnt vor "Entmenschlichung"
Auch die Jüdische Gemeinde in Warschau hat LGBT vor Äußerungen des polnischen Präsidenten in Schutz genommen. "Wir Juden – die Nachkommen von Holocaust-Überlebenden – können und wollen nicht gleichgültig gegenüber Worten bleiben, die LGBT-Personen entmenschlichen", erklärte der Gemeindevorstand am Dienstag. Im laufenden Präsidentschaftswahlkampf beobachte man eine zynische Kampagne, "Feindseligkeit und Hass gegen LGBT+-Personen zu schüren".
Die Aussagen und Handlungen von höchsten Vertretern des Landes seien "umso erstaunlicher, als sie beweisen, wie wenig diese Politiker aus der Geschichte und den Schrecken des Zweiten Weltkriegs gelernt haben." Man werde Hassreden, Vorurteilen oder Aggressionen nicht nachgeben – in dem Bewusstsein, "dass Handlungen, die einer sozialen Gruppe ihre Würde und Menschlichkeit nehmen und im Rest der Gesellschaft ungerechtfertigte Angst vor ihr schüren, unweigerlich zu Tragödien und Pogromen führen."
Man sei zu Solidarität mit allen Opfern von Ungerechtigkeit, Vorurteilen und Gewalt verpflichtet, so die Erklärung, die auch von der "Jüdischen Allgemeinen" oder israelischen Medien verbreitet wurde. "Wir haben das Recht zu sagen: Keine Diskriminierung von LGBT-Personen. Wir unterstützen sexuelle Minderheiten und befürworten ihre Bemühungen für die Gleichbehandlung aller polnischen Bürgerinnen und Bürger."
Wahlkampf auf dem Rücken von LGBTI
Beide Erklärungen nannten Duda nicht direkt, zielten aber deutlich auf Äußerungen der letzten Tage von ihm und weiteren Politikern der Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit" ab. Im Kampf um seine Wiederwahl Ende Juni hatte Duda in den letzten Tagen eine "Familien-Charta" vorgestellt, in der er sich unter anderem verpflichtet, die Ehe als "Verbindung aus Mann und Frau" zu "schützen" und keine Adoption von Kindern durch gleichgeschlechtliche Paare zuzulassen. Auch verspricht er einen "Schutz von Kindern vor LGBT-Ideologie" und ein "Verbot der Propagierung von LGBT-Ideologie in öffentlichen Institutionen" (queer.de berichtete).
Am Wochenende hatte der Präsident mit Blick auf sexuelle und geschlechtliche Minderheiten gesagt: "Man versucht uns einzureden, dass das Menschen sind. Aber es ist einfach nur eine Ideologie" (queer.de berichtete). Zuletzt erinnerte Duda bei einem Wahlkampfauftritt am Montag daran, dass Papst Johannes Paul II. im Zusammenhang mit LGBT von der "Ideologie des Bösen" gesprochen habe (queer.de berichtete). (nb)

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