https://queer.de/?36445
Peinlicher Tweet
Homo-Gurke für das NRW-Innenministerium
In einem unsagbar dummen CSD-Gruß erinnert das Ministerium des CDU-Politikers Herbert Reul ausgerechnet an das "Sittengesetz", mit dem die deutsche Schwulenverfolgung gerechtfertigt wurde.

Herbert Reul, seit 2017 Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen (Bild: IM NRW / Ralph Sondermann)
- Von
27. Juni 2020, 13:26h 2 Min.
Es ist schön und ein Zeichen von Normalität, wenn auch immer mehr CDU-geführte Ministerien der LGBTI-Community einen "Happy Pride" wünschen. Doch das NRW-Innenministerium von Herbert Reul hätte es besser bleiben lassen sollen.
"Gegen Diskriminierung und Ausgrenzung! Am 28. Juni ist Christopher Street Day", heißt es in einem Doppel-Tweet des Ministeriums vom Samstag. So weit alles in Ordnung. Doch dazu postete es in zwei Grafiken ausgerechnet den Satz "Jeder hat das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit […] soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsgemäße Ordnung oder das Sittengesetz verstößt."

So lautet halt Artikel 2 (1) des Grundgesetzes, könnte man die Sache abhaken. Doch was will Reul uns mit seinem Pride-Gruß sagen? Treibt's nicht zu bunt, sonst kommt die Polizei wie in den vergangenen beiden Jahren zu den Pet-Playern beim CSD Essen und CSD Aachen? Allein das wäre schon skandalös genug.
Doch vor allem sollte Reul wissen, dass der Christopher Street Day an die Stonewall-Krawalle erinnert, die sich vor 51 Jahren in New York gegen staatliche Willkür und Diskriminierung richteten. Wer ausgerechnet an diesem Gedenktag die verfassungsgemäße Ordnung und das "Sittengesetz" bemüht, hat entweder im Geschichtsunterricht nicht aufgepasst oder will bewusst provozieren.
Was sollen gerade ältere Schwule über diesen Tweet denken, die in der Bundesrepublik nach Paragraf 175 verfolgt oder gar verurteilt wurden? Gerade mit dem "Sittengesetz" wurde die deutsche Homosexuellenverfolgung immer wieder gerechtfertigt, sogar höchstrichterlich 1957 im skandalösen Karlsruher Urteil, das den Schandparagrafen für grundgesetzkonform befand.
Auch in jüngerer Zeit wurde die "verfassungsgemäße Ordnung" missbraucht, um LGBTI in Deutschland Rechte zu verweigern. Gegner der Ehe für alle in der Union – wie der heutige NRW-Innenminister Herbert Reul – haben etwa bis zuletzt gleichgeschlechtliche Ehen als grundgesetzwidrig diffamiert.
Für den unglaublich naiven und beleidigenden Tweet verleihen wir dem NRW-Innenministerium und Herbert Reul die Homo-Gurke!
Nachtrag: Der Post wurde zwischenzeitlich vom Ministerium gelöscht, dann mit einer kleinen Entschuldigung erneut gepostet: "Einige Nutzer haben offenbar unseren Tweet zum #GlobalPride2020 missverstanden. Das tut uns leid. Es ging uns darum, ein Zeichen der Solidarität mit der LGBTQ-Community zu setzen."
/ IM_NRWEinige Nutzer haben offenbar unseren Tweet zum #GlobalPride2020 missverstanden. Das tut uns leid. Es ging uns darum, ein Zeichen der Solidarität mit der LGBTQ-Community zu setzen. Trotzdem wollten wir den Satz aus Art. 2 GG nicht unvollständig zitieren. Die zwei Original-Tweets: pic.twitter.com/BFO2d8hv0i
Innenministerium NRW (@IM_NRW) June 27, 2020
|














