Michael Kauch wirft dem Berliner CSD-Verein vor, sich von "parteipolitischen Interessen" leiten zu lassen (Bild: Deutscher Bundestag / Lichtblick / Achim Melde)
"Nicht in unserem Namen!" Mit diesen Worten attackierte Michael Kauch, der Bundesvorsitzende der Liberalen Schwulen und Lesben (LiSL) am Dienstag die CSD-Organisator*innen in Berlin. "Der Mehrheit des CSD Berlin ist der queerpolitische Kompass abhanden gekommen", so die Analyse des 53-jährigen früheren Bundestagsabgeordneten.
Hintergrund ist, dass der CSD-Verein die Unterstützung von "Fridays for Future" zu einem seiner fünf Kernforderungen erhoben hat (queer.de berichtete). Die anderen Forderungen sind Gleichstellung der Regenbogenfamilien, Solidarität mit LGBTI in Polen und Ungarn, die Abschaffung des Transsexuellengesetzes und die Unterstützung von Black Lives Matter.
"Der CSD-Verein fordert also einen CO2-Preis von genau 180 Euro pro Tonne, schweigt aber zu Artikel 3, Blutspendeverbot oder Menschenrechtsverletzungen gegen LSBTI außerhalb Europas. Genauso schweigt er zur notwendigen Solidarität innerhalb der LSBTI-Community in der Corona-Krise", empörte sich Kauch. "Der Mehrheit im CSD-Verein ist offenkundig die Unterstützung allgemeinpolitischer Ziele und ggf. auch parteipolitischer Interessen wichtiger als das Eintreten für seine Kernaufgaben. Er spaltet damit die Einheit der Community."
Die Forderung nach einer Steuer in Höhe von 180 Euro pro Tonne CO2 stammt direkt von "Fridays for Future" – das sei exakt so viel, wie der Ausstoß von CO2 laut Umweltbundesamt an Schäden verursache, so die Umwelt-Aktivist*innen. Nach dem 2019 verabschiedeten Klimapaket sollen nächstes Jahr aber zunächst nur 25 Euro pro Tonne CO2 berechnet werden. Kauchs FDP lehnt nationale Abgaben für das klimaschädliche Gas grundsätzlich ab und setzt stattdessen auf "die Kreativität des Marktes und auch laufend neue technische Möglichkeiten".
Kauch betonte jedoch, dass seine Kritik ausdrücklich nicht Solidarität mit der Black-Lives-Matter-Bewegung umfasse. "Denn hier geht es wie bei LSBTI um Vielfalt und Diskriminierung. Ein solcher Bezug fehlt bei Fridays for Future komplett", so Kauch.
Kauch lobt CSD von Nasser El-Ahmad
Lobend erwähnte der langjährige FDP-Politiker den Alternativ-CSD, bei dem am Samstag in der Bundeshauptstadt Tausende für queere Rechte demonstriert hatten (queer.de berichtete). LiSL begrüße, "dass unabhängig vom CSD-Verein am Wochenende in Berlin eine Demo mit klarem Fokus auf die Bürger- und Menschenrechte von LSBTI stattgefunden hat", so Kauch.
Die Kundgebung war nicht vom offiziellen CSD-Verein organisiert worden, sondern von Aktivst*innen unter Leitung von Respektpreis-Gewinner Nasser El-Ahmad. Grund war zunächst, dass der große CSD aufgrund der Corona-Krise für dieses Jahr nur auf eine Online-Lösung setzt. Unter anderem nach einem Interview der CSD-Verantwortlichen in der "Berliner Zeitung" wirft der 23-Jährige dem CSD-Verein inzwischen "Hetze" auf seine Alternativveranstaltung vor – und will auch im nächsten Jahr einen eigenen Pride veranstalten. Provokativ bezeichnet er diesen als "OFFIZIELLEN Berliner CSD".
Kauch war von 2003 bis 2013 Mitglied des Bundestages. Nach dem Scheitern der FDP an der Fünfprozenthürde wurde er Chef der erst drei Jahre zuvor gegründeten Liberalen Lesben und Schwulen (LiSL). Bei der Europawahl 2019 wollte er für seine Partei wieder in ein Parlament einziehen. Er sicherte sich dafür Listenplatz acht (queer.de berichtete). Am Ende kam die FDP aber nur auf 5,4 Prozent, was lediglich fünf Mandaten entsprach. (dk)