Verantwortlich für eine Zunahme von Homo- und Transphobie nicht nur in Russland: Präsident Wladimir Putin
In Russland haben die Menschen bei einem Referendum die größte Verfassungsänderung in der Geschichte des Landes mit mehr als drei Viertel der Stimmen angenommen. Rund 78 Prozent der Wahlberechtigten stimmten demnach nach Angaben der Wahlleitung für die Änderungen, mit denen Kremlchef Wladimir Putin bis 2036 an der Macht bleiben könnte. Etwa 21 Prozent lehnten die im Frühjahr von einer Kommission erarbeitete und von der Duma mit 383 von 450 Stimmen angenommene Verfassung ab.
Die Wahlbeteiligung wurde mit knapp 65 Prozent angegeben. Die Leiterin der Wahlkommission, Ella Pamfilowa, sagte, dass es keine Verstöße gegeben habe, die das Ergebnis beeinflussen könnten. Insgesamt waren im flächenmäßig größten Land der Erde mit elf Zeitzonen 110,5 Millionen Wähler aufgerufen, ihre Stimme abzugeben.
Die unabhängige Wahlbeobachtungsgruppe Golos erhielt nach eigenen Angaben hunderte Beschwerden über Verstöße, darunter Informationen zu Mehrfachwählern sowie Vorwürfe, dass Arbeitgeber Druck auf die Mitarbeiter ausgeübt hätten, damit diese ihre Stimme abgeben. Die Corona-bedingt in den Sommer verschobene und auf mehrere Tage verteilte Abstimmung sah auch elektronische Stimmabgaben vor.
Ehe-Verbot mit Verfassungsrang
Die Verfassung beinhaltet viele soziale Versprechen wie etwa eine jährliche Rentenanpassung. Mit dem neuen Grundgesetz kann Putin in den nächsten 16 Jahren mit mehr Befugnissen im Amt bleiben, wenn er wiedergewählt wird. Nach der alten Verfassung von 1993 wäre in vier Jahren Schluss für ihn gewesen.
Die neue Verfassung verpflichtet auch den Staat, die "Ehe als Verbindung aus Mann und Frau" zu schützen (queer.de berichtete). Bereits jetzt definiert ein einfaches Gesetz die Ehe als Verbindung von Mann und Frau, für gleichgeschlechtliche Paare gibt es keinerlei rechtliche Anerkennung. Seitdem Putin im Januar erste Pläne für eine Verfassungsreform vorgestellt hatte, schlug zunächst der Oligarch und ultrakonservative Aktivist Konstantin Malofejew, der homofeindliche Bewegungen in Europa unterstützt, eine Ergänzung vor, um die Ehe in der Verfassung als Verbindung aus Mann und Frau zu definieren. Danach schlossen sich mehrere führende Politiker und die russisch-orthodoxe Kirche der Initiative an.
Mitte Februar war Putin bei einem Treffen der Arbeitsgruppe zur Verfassungsreform gefragt worden, ob er eine Änderung unterstütze, die Ehe und Familie als Verbindung aus Mann und Frau definiere. Der Präsident forderte Vorsicht bei der Formulierung, um nicht etwa Familien mit nur einem Elternteil auszuschließen, stellte sich aber hinter das grundsätzliche Vorhaben: "Ehe ist eine Verbindung aus Mann und Frau", sagte Putin. Solange er Präsident sei, werde es kein "Elternteil 1 und Elternteil 2" in Russland geben.
Ein kreml-nahes Medienunternehmen hatte vor wenigen Wochen mit einem homophoben Video, das Angst vor der Adoption von Kindern durch gleichgeschlechtliche Paare ansprechen sollte, für eine Zustimmung zur Verfassungsänderung geworben (queer.de berichtete)
Laut einer Umfrage aus dem letzten Sommer lehnen 87 Prozent der russischen Bevölkerung eine Ehe-Öffnung für gleichgeschlechtliche Paare ab; 2005 waren es knapp unter 75 Prozent. Die jahrelange Stimmungsmache rund um Gesetze gegen "Homo-Propaganda" zeigt dabei offenbar Wirkung. Die gemeinschaftliche Adoption von Kindern ist in Russland Eheleuten und damit heterosexuellen Paaren vorbehalten. Zugleich können Einzelpersonen Kinder adoptieren. Im letzten Sommer sorgten homophob motivierte Ermittlungen gegen ein schwules Paar, das mit Wissen der Behörden zwei Kinder aufzog, für landesweite Schlagzeilen (queer.de berichtete).
In dem unter Putin zunehmend autoritären Land waren queere Proteste immer häufiger verboten, LGBTI-Aktivisten immer wieder festgenommen worden. Zuletzt nahmen auch Strafverfahren zu (queer.de berichtete). Seit Jahren kommt es zu homo- und transfeindlicher Stimmungsmache in Staatsmedien und Politik, während Gewalt gegen LGBTI immer mehr ansteigt (queer.de berichtete). Die tödliche Verfolungswelle in Tschetschenien ließen die russische Politik und die zuständigen russischen Strafverfolgungsbehörden unaufgeklärt (queer.de berichtete). Die Stimmungsmache gegen "Homo-Propaganda" als erster Schritt der Verschlechterungen hat dabei – mit kräftiger Unterstützung Russlands – zuletzt auch in europäischen Ländern Fuß gefasst, oft versteckt hinter Begriffen wie "LGBT-Ideologie" oder "Gender-Ideologie". (dpa/afp/cw)
Daran ändern für mich auch nicht die ständigen Ermahnungen der Linkspartei, man müsste auf Russland zugehen. Von der AFD fange ich besser gar nicht erst an.
Dass die USA eine Regenbogenflagge an ihre Botschaft in Moskau gehängt hat und dafür von Russland angegriffen wird, zeigt für mich wer der wahre Feind ist.
Wir in Deutschland - obwohl wir täglich Diskriminierung erfahren - können uns nicht vorstellen wie viel schlimmer die Situation für LGBT dort noch ist.