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Kandidat für CDU-Vorsitz
Friedrich Merz würde homophoben "Witz" heute nicht mehr machen
Homophobie gehörte bei Friedrich Merz stets zum Markenkern. Jetzt gibt sich der Bewerber um das Amt des CDU-Bundeschefs aber plötzlich weltoffen und als Fan der Schwulen und Lesben in der Union.

Bereits beim CDU-Parteitag 2018 bewarb sich Friedrich Merz um den CDU-Bundesvorsitz (Bild: Screenshot Welt)
- 10. Juli 2020, 12:13h 3 Min.
Der CDU-Politiker Friedrich Merz hat sich gegenüber "Focus Online" von einem von ihm vor rund 20 Jahren vorgetragenen homophoben "Witz" distanziert. Der heute 64-Jährige hatte nach dem Coming-out des SPD-Politikers Klaus Wowereit 2001 auf die Frage nach dessen Homosexualität gesagt: "Solange der Wowereit sich mir nicht nähert, ist mir das egal."
Das sei damals eine "humorvoll gemeinte Bemerkung" gewesen, die er heute nicht mehr machen würde, so Merz. "Sexualität ist Privatangelegenheit. Unsere Gesellschaft ist toleranter geworden." Er fügte kalauernd an: "Und das ist auch gut so." Die Worte hatte Wowereit damals seiner Aussage "Ich bin schwul" angefügt.
Lesben und Schwule in der Union "gehören selbstverständlich zu uns"
Außerdem stellte Merz fest, dass die Lesben und Schwulen in der Union (LSU) Teil der Partei seien. Er unterstütze die Empfehlung der Satzungskommission, die LSU offiziell anzuerkennen (queer.de berichtete). "Das ist nicht nur völlig in Ordnung, sondern aus meiner Sicht überfällig. Die Lesben und Schwulen in der Union gehören selbstverständlich zu uns", so Merz. Er werde dafür eintreten, "dass der Vorschlag angenommen wird". Allerdings gehe er davon aus, "dass das nicht nötig sein wird, weil das in der Partei offenkundig unstrittig ist".
Merz bewirbt sich derzeit um die Nachfolge von Annegret Kramp-Karrenbauer als Bundesvorsitzender der CDU. Die Entscheidung soll beim selben Bundesparteitag im Dezember fallen, bei dem auch die Anerkennung der LSU beschlossen werden soll. Seine Chancen sind zuletzt gestiegen, nachdem der bisherige Favorit Armin Laschet als Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen bei seiner Reaktion auf die Corona-Pandemie einige Patzer machte.
Bereits vor zwei Jahren hatte sich Merz um den CDU-Chefposten beworben, war aber knapp an Kramp-Karrenbauer gescheitert (queer.de berichtete). Vor seiner letzten Kandidatur hatte Klaus Wowereit in der ARD-Talkshow "Hart aber fair" vor Merz gewarnt und dabei dessen homophoben "Witz" erwähnt (queer.de berichtete).
Merz als Dr. Jekyll und Mr. Hyde
Merz hörte sich früher ganz anders an. Zwar sind Äußerungen von ihm zu den großen Kämpfen – etwa der Einführung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgsetzes 2006 oder der Öffnung der Ehe für Schwule und Lesben 2017 – nicht bekannt, da er sich nach der Niederlage gegen Angela Merkel beim Kampf um den Fraktionsvorsitz 2002 aus der Politik zurückgezogen hatte. Zuvor hatte er aber gerne und ohne Rücksicht auf Verluste ausgeteilt: So stilisierte er zum Jahrtausendwechsel die Forderung von SPD und Grünen nach eingetragenen Partnerschaften zu einem Angriff auf die heterosexuelle Familie hoch: "Rot-Grün beabsichtigt mit dieser Neuregelung ganz offensichtlich eine grundlegende Umwälzung gesellschaftlicher Strukturen", warnte er in der Debatte um das Gesetz. Er warf verpartnernden Homosexuellen sogar vor, den Schutz von Ehe und Familie "auszuhöhlen".

Im Jahr 2000 stellte Merz im CDU-Magazin "UiD" Homosexuelle noch als Gefahr für die heterosexuelle Familie dar
Zu dieser Zeit forderte Merz wiederholt, gegen das Lebenspartnerschaftsgesetz vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen, weil die Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Paaren gegen den Schutz von Ehe und Familie in der Verfassung verstoße. So unterstützte er die Normenkontrollanträge der Freistaaten Bayern, Sachsen und Thüringen gegen das Gesetz – freilich folgte Karlsruhe der homophoben Argumentation nicht und erklärte die Lebenspartnerschaft für verfassungsgemäß. (dk)













