Nach dem Coming-out von Ex-Profispieler Thomas Beattie Ende Juni hat sich ein weiterer englischer Fußballer als schwul geoutet – allerdings anonym. In einem Brief, der unter anderem von der Zeitung "Mirror" veröffentlicht wurde, berichtet der Premier-League-Spieler, warum er seine Homosexualität geheim hält.
"Ich bin schwul. Es ist schon ein großer Schritt für mich, das in diesem Brief zu schreiben", heißt es in der Erklärung des unbekannten Verfassers. Nur Teile seiner Familie und einige Freunde wüssten über seine Homosexualität Bescheid.
"Warum soll ich alles aufs Spiel setzen?"
"Ich fühle mich nicht bereit, es meiner Mannschaft oder meinem Trainer zu sagen, und das ist hart", schreibt der Fußballer. "Ich verbringe die meiste Zeit meines Lebens mit diesen Männern. Und wenn wir auf den Platz treten, sind wir ein Team. Aber trotzdem macht etwas in mir es unmöglich, ihnen offen mitzuteilen, wie ich fühle."
Obwohl ihm sein Herz sage, dass er sich gegenüber seinen Mitspielern outen sollte, entscheide sein Kopf anders. "Warum soll ich alles aufs Spiel setzen?", fragt er in seinem Brief. "Ich habe ein schönes Auto, einen Schrank voller Designer-Klamotten, und ich kann es mir leisten, alles für meine Familie und Freunde zu kaufen."
Das Versteckspiel sei sehr belastend, räumt der Spieler ein. "Im Alltag kann es ein absoluter Albtraum sein. Und es beeinflusst meine psychische Gesundheit immer mehr." Er fühle sich "gefangen, und ich fürchte, dass es nur noch schlimmer werden würde, wenn ich die Wahrheit sage".
Eine Beziehung schließt der Fußballer für sich aus
Einen festen Freund habe er nicht, erklärte der Fußballer. Dies sei auch zu gefährlich: "Ich bin in einem Alter, in dem ich liebend gerne eine Beziehung hätte. Aber wegen meinem Job muss das Level an Vertrauen zu einem Langzeit-Partner extrem hoch sein. Deshalb vermeide ich Beziehungen für den Moment komplett."
An die Unterstützung, die der englische Fußball-Verband FA schwulen Spielern im Falle eines Coming-out zusichert, glaube er nicht, so der anonyme Autor. Der Fußball sei dafür noch nicht bereit. "Ich wünschte, ich müsste nicht so leben, aber die Wahrheit ist, dass es immer noch viele Vorurteile im Fußball gibt."
In dem Brief geht es auch um die Zerrissenheit und inneren Kämpfe des anonymen Fußballers. Er wisse, dass er mal "an einem Punkt kommen könnte, an dem es für mich unmöglich sein wird, die Lüge weiter zu leben", schreibt er. "Wenn es so kommt, werde ich meine Karriere frühzeitig beenden und mich outen." Er werde dann sicher hohe finanzieller Einbußen haben, glaubt der Premier-League-Spieler: "Aber innerer Frieden ist unbezahlbar. Und ich will nicht für immer so leben."
Zehn Profifußballer haben sich bislang geoutet
Bislang gibt es nur zehn Profifußballer, die sich als schwul geoutet haben. Die meisten wagten der Schritt erst nach Beendigung ihrer Karriere. Der Anfang machte Justin Fashanu (England, 1990), der 1998 Selbstmord verübte. Es folgten Olivier Rouyer (Frankreich, 2008), Anton Hysén (Schweden, 2011), David Testo (USA 2011), Robbie Rogers (USA, 2013) Thomas Hitzlsperger (Deutschland 2014), Collin Martin (USA 2018), Matt Pacifici (USA, 2019), Andy Brennan (Australien, 2019) und Thomas Beattie (England, 2020).
Der Brief des anonymen Spielers wurde von der Justin Fashanu Foundation an britische Medien weitergeleitet. Die Stiftung wurde 2019 von Fashanos Nichte Amal ins Leben gerufen, um Diskriminierung im Fußball zu bekämpfen. (cw)