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Beleidigungen auf Facebook
Boris Palmer lässt den transfeindlichen Mob von der Leine
Mit seinem schäbigen Angriff auf die lesbische trans Frau und Parteifreundin Maike Pfuderer sorgt der Tübinger OB für Entsetzen bei queeren Grünen – und bekommt Beifall von AfD und anderen LGBTI-Hassern.

Bündnis 90/Die Grünen Baden-Württemberg / flickr) Boris Palmer auf einem Landesparteitag der Grünen Baden-Württemberg (Bild:
14. Juli 2020, 10:10h 5 Min. Von
Einen Tag nach seinen transfeindlichen Kommentaren gegen seine Parteifreundin Maike Pfuderer griff Tübingens grüner Oberbürgermeister Boris Palmer zu seiner bewährten Strategie: In einem neuen Facebook-Post vom Montag versuchte er zum einen sein offensichtlich bewusstes Misgendern und Deadnaming herunterzuspielen, zum anderen stilisierte er sich selbst als Opfer und holte zu einer neuen, noch schärferen Attacke aus.
Palmer hatte Pfuderer, mit der er sich seit Jahren heftige Wortschlachten in sozialen Netzwerken liefert, am Sonntag auf Facebook grundlos vor seinen Follower*innen als trans geoutet, sie misgendert und zusätzlich ihren abgelegten männlichen Geburstnamen verwendet – vermutlich um sie persönlich zu verletzen. Die LGBTI-Aktivistin kündigte daraufhin eine Strafanzeige wegen Beleidigung an (queer.de berichtete).
In seinem neuen Post tat Palmer so, als habe er zum allerersten Mal davon gehört, dass trans Frauen nicht mit ihrem abgelegten männlichen Geburtsnamen angesprochen werden wollen, und warf Pfuderer vor, auf seine schäbige Provokation völlig überreagiert zu haben. "Maike hätte doch einfach schreiben können: 'Hallo Boris, ich weiß, ich habe dich in den letzten Jahren extrem scharf kritisiert. Ich bitte dich trotzdem, meinen früheren Namen nicht zu verwenden. Danke.'", stellte sich der OB naiv. "Dann hätte ich geantwortet, dass ich das natürlich respektiere und alles wäre erledigt gewesen."
Palmer: Queeres "Netzwerk" zerstört liberale Gesellschaft
Darüber hinaus sieht sich Palmer von einem gefährlichen queeren "Netzwerk" umzingelt: "Mitten in der Nacht drohte Maike Pfuderer sofort mit einem Shitstorm einschlägiger Medien und noch vor acht Uhr hat queer.de einen Bericht veröffentlicht, in dem von einer Anzeige bei der Staatsanwaltschaft berichtet wird. Breaking News!", schreibt der OB. "Auch der Bundestagsabgeordnete Sven Lehman ging sofort auf die Meldung. Die Netzwerke funktionieren gut, jetzt wird großes Geschütz der moralischen Verdammung aufgefahren."
Diesem queeren "Netzwerk" wirft Palmer allen Ernstes vor, "für Minderheitenschutz die liberale Gesellschaft zu Grunde [zu] richten". In seinem Facebook-Post beklagt sich der Tübinger Oberbürgermeister, dass LGBTI angeblich ein "Sonderrecht auf Schutz vor jeder vermeintlichen Kränkung" hätten. "Ist man Angehöriger einer Opfergruppe, hier Transsexuell, so darf man einem weißen Hetero-Mann über Jahre hinweg jede nur erdenkliche Gemeinheit öffentlich entgegenschleudern", so Palmer. "Der Hetero hat eine Sonderpflicht, etwas zu dulden, das umgekehrt niemals erlaubt wäre. Begeht aber jemand nur den kleinsten Kommafehler in einer kaum mehr durchschaubaren Verbotswelt, so wird der Staatsanwalt, der Parteiausschluss und die moralische Verdammnis ausgerufen."
Persönliche Beleidigungen gegen Maike Pfuderer
Palmers Facebook-Post vom Montag erhielt mehrere Hundert Kommentare, darunter zahlreiche LGBTI-feindliche Ausfälle und persönliche Beleidigungen gegen Maike Pfuderer, die vom Tübinger Oberbürgermeister nicht gelöscht wurden. "Der hat ein Problem mit Schwänzen", heißt es etwa über die stellvertretende Sprecherin der grünen Bundesarbeitsgemeinschaft Lesbenpolitik. "Und hey, was ist wenn er/sie/es morgen ein Frosch* innen, sein will?", schreibt ein anderer User.
Twitter / ClaasGefroiBoris #Palmer outet die lesbische Grünen-Politikerin Maike #Pfuderer auf Facebook als trans, misgendert sie und verwendet ihren Deadname (also den abgelegten Geburtsnamen). Seine Fans sind ganz aus dem Häuschen. Eine Auswahl der Kommentare. pic.twitter.com/JEkfm8EXMn
Claas Gefroi (@ClaasGefroi) July 13, 2020
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Die beleidigende Frage "Maike Pfuderer? Muß man es kennen?" steht ebenso in Palmers Timeline wie die diffamierende Aussage "Warum haben diese Transen eigentlich alle so ein Aufmerksamkeitsbedürfnis?" Der Tübinger OB störte sich auch nicht an dem Kommentar: "Solche Gestalten wären vor 10 Jahren nur eine krass überzeichnete Karikatur gewesen, und heute soll man ernsthaft auch noch Respekt aufbringen wenn die mit ihrem Dachschaden Leute terrorisieren? Einfach nur grotesk." Mehrere Facebook-User*innen sprachen von einer "degenerierten Gesellschaft".
Zwei Kommentator*innen warfen dem Oberbürgermeister treffend vor, Maike Pfuderer "dem Internetmob zum Fraß" vorgeworfen zu haben. Ein Tübinger schrieb: "Wenn Boris Palmers Timeline nun eher den Kommentarbeiträgen von Politically Incorrect gleicht, ist dass einem OB zu verdanken, der die Kontrolle über seinen Umgang mit Social Media verloren hat und niederträchtiges Verhalten quasi von höchster Stelle aus hoffähig macht."
AfD-Politiker wird ausfallend
Ausfallend und persönlich beleidigend wurde auch der AfD-Europaabgeordnete Maximilian Krah. "Neues aus dem Kuriositätenkabinett der brave new world: @BorisPalmerOB nennt den Namen eines hässlichen Mannes, der jetzt meint, eine hässliche Frau geworden zu sein, als solche 'Lesbenpolitik' macht und einen neuen Namen führt – und fängt Shitstorm", schrieb der stellvertretende Vorsitzender der AfD Sachsen auf Twitter.

Weitere Beleidigungen von Rechtsaußen: Tweet des AfD-Europaabgeordneten Maximilian Krah
Entsetzen über Palmer bei queeren Grünen
In seiner eigenen Partei sorgte Palmer schäbiger Angriff auf Maike Pfuderer dagegen für Entsetzen. "Unerträglich, dass er überhaupt noch Grüner ist", schrieb der Bundestagsabgeordnete Sven Lehmann auf Twitter. "Deadnaming verstößt gegen das Offenbarungsverbot. Es ist gut, dass @maikestuttgart Anzeige erstattet. Das darf nicht folgenlos bleiben."
Twitter / svenlehmannBoris Palmer äußert sich transfeindlich gegenüber einer Parteifreundin. Unerträglich, dass er überhaupt noch Grüner ist. Deadnaming verstößt gegen das Offenbarungsverbot. Es ist gut, dass @maikestuttgart Anzeige erstattet. Das darf nicht folgenlos bleiben. https://t.co/CcUwSetewC
Sven Lehmann (@svenlehmann) July 13, 2020
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Es sei "einfach unerträglich", dass Palmer noch Mitglied der Grünen sei, erklärte auch die bayerische Landtagsabgeordnete Tessa Ganserer, die selbst trans ist, gegenüber dem Magazin "Mannschaft". "Die Ideologie der Ungleichwertigkeit von Menschen ist mit den Grundsätzen den Grünen unvereinbar."
"Volle Solidarität" mit Pfuderer forderte Sebastian Walter, grünes Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses, auf Twitter. "Es ist unerträglich und ich habe es so satt – die vielen Distanzierungsbekundungen der letzten Wochen und Monate reichen eben nicht aus. #Boris #Palmer muss die grüne Partei endlich und endgültig verlassen!"
Palmers Wirken sei "regelmäßig einfach eine Schande für uns Grüne", tweetete Arndt Klocke, Fraktionsvorsitzender der Grünen in NRW. "Was er hier mal wieder bei FB gepostet hat, ist bewusst ehrabschneidend und einfach widerlich."
Auch die Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität (dgti) Baden-Württemberg erklärte sich mit Maike Pfuderer solidarisch. "Palmer versucht wieder einmal eine Grenze in der Diskussion zu verschieben", schrieb der Verein auf Facebook. "Es fehlt nur noch, daß er die AfD-Begrifflichkeiten von 'Gender-Gaga' aufnimmt."
