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Transphobie
Boris Palmer vergleicht sich mit J.K. Rowling
Boris Palmers Rechtfertigungsversuche wegen seiner transphoben Äußerungen werden zur unendlichen Geschichte: Jetzt vergleicht er sich sogar mit der "Harry Potter"-Autorin, die wie er ein Opfer der "Intoleranz im linken Milieu der Minderheitenrechtler" sei.

Zwei gute Märchenerzähler: J.K. Rowling zweifelt an der Existenz von trans Menschen. Tübigens OB Boris Palmer teilt gern aus, verliert aber schnell seine schwäbische Coolness, wenn er für seine teils fragwürdigen Äußerungen kritisiert wird (Bild: Daniel Ogren / flickr / Gudrun de Maddalena)
- 15. Juli 2020, 13:54h 3 Min.
Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) stilisiert sich im Streit um seine Äußerungen über die trans Politikerin Maike Pfuderer weiter zum Opfer von vermeintlichen Linken, die seine "berufliche, moralische und gesellschaftliche Vernichtung" zum Ziel hätten. In einem Facebook-Eintrag vom Mittwochvormittag erklärte der 48-Jährige, dass er "am Sonntagabend nichtsahnend zwei ähnliche Verbrechen" wie die 54-jährige "Harry Potter"-Autorin J.K. Rowling begangen habe – nämlich "Misgendering und Deadnaming".
Anlass für die Auseinandersetzung war, dass Palmer Pfuderer, mit der er sich seit Jahren verbal streitet, am Sonntag bei einer weiteren Wortschlacht als trans geoutet und ihren abgelegten männlichen Geburtsnamen verwendet hatte. Die LGBTI-Aktivistin kündigte daraufhin eine Strafanzeige wegen Beleidigung an (queer.de berichtete). Das brachte Palmer dazu, sich noch mehr über Pfuderer zu empören, was ihm unter anderem Applaus von Rechtsaußen einbrachte. Pfuderer wurde unterdessen von Trans-Hasser*innen im Internet wegen ihrer Geschlechtsidentität attackiert (queer.de berichtete).
Die Autorin J.K. Rowling, mit der sich Palmer nun vergleicht, war letzten Monat in die Kritik geraten, weil sie mehrfach gegen trans Menschen polemisierte – und sogar deren Existenz anzweifelte (queer.de berichtete).
Palmer: "liberale Demokratie" verteidigen
Palmer sieht sich selbst wie auch Rowling als Opfer von dunklen Mächten: Der schwäbische Kommunalpolitiker zitierte etwa einen Tweet von Jonas Volkmann vom Landesvorstand der Grünen Jugend Rheinland-Pfalz, der seinen Parteifreund aus Tübingen in sozialen Netzwerken aufgefordert hatte, den Mund zu halten, zurückzutreten, "Seminare zur toxischen Männlichkeit, Antirassismus und Queerfeindlichkeit" zu besuchen und nie wieder öffentlich aufzutreten. "Also kurz gesagt: Berufliche, moralische und gesellschaftliche Vernichtung", empörte sich Palmer. "Für ein Vergehen, das nicht im Strafgesetzbuch steht und noch nicht mal eine Ordnungswidrigkeit darstellt. Prozesse unnötig. Der Schuldige steht fest, weil Ankläger und Richter dieselben Personen sind." Es sei jetzt an der Zeit, "dass wir die liberale Demokratie vor ihren falschen Freunden verteidigen", fügte er pathetisch an.
/ VollzeitJonas | Sich mit Palmer anzulegen hat Konsequenzen: Auch Volkmann muss sich jetzt queerfeindliche Beleidigungen anhörenMan braucht sich nur anschauen was für Leute #Palmer verteidigen, um zu verstehen wieso er dringend austreten muss. #queerfeindlichkeit pic.twitter.com/sTcWmdfIBs
Jonas Volkmann (@VollzeitJonas) July 15, 2020
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Laut dem Tübinger OB sei Rowling, deren Aussagen er nur verkürzt wiedergab, zum Verhängnis geworden, dass sie nicht "um Vergebung gebeten [hat], sondern mit vielen Intellektuellen einen großartigen Appell gegen die Intoleranz im linken Milieu der Minderheitenrechtler veröffentlicht [hat]". In diesem Offenen Brief wurde kritisiert, dass man heutzutage nichts Kontroverses mehr sagen könne, ohne dass es "Rufe nach sofortiger Vergeltung" gebe (queer.de berichtete).
Palmer inszeniert sich bereits seit Jahren als Querdenker der Grünen, der mit unorthodoxen Themen aneckt. Dabei stellte er auch den Einsatz für LGBTI-Rechte in seiner Partei in Frage: So sprach er sich 2011 gegen "radikales Oppositionsgehabe" aus und erklärte, das uneingeschränkte Adoptionsrecht für schwule und lesbische Paare "vorerst keine Forderung, mit der sich 25 Prozent der Deutschen gewinnen lassen" (queer.de berichtete). Gleichgeschlechtliche Paare erhielten dieses Recht sechs Jahre später mit der Ehe-Öffnung. Auch damals spielte sich Palmer als Opfer auf und erklärte, sein Zitat sei "aus dem Zusammenhang gerissen worden" (queer.de berichtete).
Immer wieder stichelte er dann gegen LGBTI-Aktivist*innnen – 2016 warf er ihnen etwa "überspannte Aggression gegenüber der Mehrheitsgesellschaft" vor (queer.de berichtete). Zur Kritik an seinem Umgang mit Pfuderer hatte er bereits am Dienstag beklagt, dass LGBTI angeblich ein "Sonderrecht auf Schutz vor jeder vermeintlichen Kränkung" hätten. "Ist man Angehöriger einer Opfergruppe, hier Transsexuell, so darf man einem weißen Hetero-Mann über Jahre hinweg jede nur erdenkliche Gemeinheit öffentlich entgegenschleudern." (dk)















