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Polen

Schilder zu "LGBT-freien Zonen": Polizei verhört queeren Aktivisten

Bart Staszewski wurde für mehrere Stunden zu seiner Kunstaktion befragt, die auf LGBTI-Feindlichkeit hinweisen soll.


Staszewski mit dem selbst angefertigten Schild, das die Homo- und Transfeindlichkeit diverser Gemeinden, Städte und Kreise zuspitzt (Bild: privat)
  • 20. Juli 2020, 18:39h 3 5 Min.

Der polnische LGBTI-Aktivist Bart Staszewski ist am Montag von der Polizei in Lublin für mehrere Stunden zu seinem Kunstprojekt befragt worden, bei dem er für Fotos für kurze Zeit an Ortsschilder das mehrsprachige Schild "LGBT-freie Zone" angebracht hatte.

Der Regisseur, Aktivist und Organisator des CSD in Lublin war der Vorladung freiwillig gefolgt, bei der er als Zeuge und nicht Verdächtiger vernommen wurde – "eine alte Polizeitaktik, so dass ich weniger Rechte habe", wie er in einem Eintrag in sozialen Netzwerken beklagte. "Die Akte gegen mich ist über hundert Seiten lang – fast wie bei einem Wiederholungstäter, Dieb und Mörder. Dabei ist das Vergehen, das ich begangen haben soll, vergleichbar mit einer Straßenüberquerung bei Rot. Macht nichts, der Fall ist bis ins Mark politisch."


Eines der Bilder Staszewskis. Auf der Webseite lgbtfreezones.pl stellte er die Hintergründe des Projekts und die dargestellten Personen vor

Befragt worden sei er zu den Teilnehmenden und den Zeiten der Aktion, den Autos, die er benutzt habe, die Menschen, die ihn begleiteten, und deren Nationalitäten. Zusammen mit Aufnahmen von Überwachungskameras hätten diese Informationen bereits in der Ermittlungsakte vorgelegen, während er Schwierigkeiten gehabt habe, das alles zu erinnern.

"Für mich hat das eine Dimension von Repression, auf Druck von Politikern und Ratsmitgliedern", so Staszewski. "Heute werde ich wegen einer Ordnungswidrigkeit unter die Lupe genommen, morgen Sie. So sieht es im Polen unter [der Regierungspartei] Recht und Gerechtigkeit aus. Und das am Jahrestag des Gleichheitsmarsches in Bialystok" – der erste CSD in der Stadt war am 20. Juli 2019 von massiver Gewalt gegen die friedlichen Teilnehmenden überschattet worden (queer.de berichtete).

Aktion schaffte internationale Aufmerksamkeit

Staszewski hatte die Fotoaktion vor einigen Monaten gestartet, vor Ortsschildern von Städten und Gemeinden, die sich zuvor in Resolutionen etwa als "frei von LGBT-Ideologie" erklärt hatten (queer.de berichtete). Inzwischen gibt es rund 100 entsprechende Resolutionen. "Dank meiner Fotoaktion hat die ganze Welt über die homophoben Resolutionen gesprochen", so Staszewski, der auf eine beachtliche Sammlung internationaler Medienberichte blicken kann. "Die Resolutionen erhielten ein Gesicht."

Twitter / BartStaszewski
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Nach Kritik aus dem In- und Ausland hatten einige Kommunen ihre geplante Resolution nicht verabschiedet. Einige verloren eine oder mehrere Städtepartnerschaften; die EU drohte ersten Kommunen mit dem Verlust von Fördergeldern (queer.de berichtete). In der letzten Woche erklärte ein Gericht erstmals zwei Resolutionen für ungültig (queer.de berichtete).

In den teils unterschiedlichen Erklärungen verpflichten sich die Städte etwa, keine "Homo-Propaganda" zu akzeptieren, keine Sexualaufklärung an Schulen durchzuführen und sich zum "Schutz der Familie" und der Kinder der "Ideologie der LGBT-Bewegung" zu widersetzen, die christlichen Werten entgegenstehe. LGBTI-Aktivisten sehen das als direkten Angriff auf queere Menschen, nicht auf eine vermeintliche Ideologie, zumal ein Magazin im letzten Sommer Aufkleber mit durchgestrichenem Regenbogen und dem Aufdruck "LGBT-freie Zone" verteilt hatte (queer.de berichtete).

Kommunen und Hassorganisationen schlagen zurück

Einige Kommunen hatten eine von der ultrakatholischen Organisation Ordo Iuris und weiteren Hassgruppen, darunter die auch in Deutschland aktive Organisation CitizenGo, vorgefertigte Resolution beschlossen, die ohne LGBTI zu erwähnen als "Charta der Rechte der Familien" auf ähnliche Ziele hinauslaufen würde – das ergibt sich aus dem Kontext der gesellschaftlichen Debatte, aus der Arbeit von Ordo Iuris oder aus den Forderungen, etwa wenn von einer rein heterosexuellen Definition von Ehe und Familie ausgehend die Förderung von Projekten abgelehnt werden soll, die diesen "Werten Schaden zufügen" könnten.

Bei einer Pressekonferenz im März hatte sich Ordo Iuris über die weltweite kritische Berichterstattung über "LGBT-freie Zonen" und eine vermeintliche Falschdarstellung der eigenen hehren Ziele beklagt. Die Organisation kündigte an, mehrere LGBTI-Aktivist*innen im Namen mehrerer betroffener Gemeinden, denen man rechtliche Unterstützung angeboten habe, zivilrechtlich vor Gericht zu ziehen – darunter Staszewski. Es gibt Spekulationen, Ordo Iuris sei an der Strafanzeige gegen den Aktivisten beteiligt, die nun zu der Befragung führte.


Die interaktive Webseite "Atlas des Hasses" listet die Regionen auf, die Resolutionen etwa gegen eine "LGBT-Ideologie" beschlossen haben

Ordo Iuris hatte im Namen des Kreises Przysuski bereits eine Klage gegen die Aktivist*innen Kuba Gawron und Mirka Makuchowska wegen Diffamierung eingereicht, die unter der Überschrift "Atlas des Hasses" eine Karte der Gebiete mit entsprechenden Resolutionen veröffentlichten. Gefordert wird die Löschung des Eintrags, die Übernahme von Rechtskosten, eine Zahlung von rund 4.400 Euro an eine Familienorganisation und zwei öffentliche Entschuldigungen im Rahmen von Pressekonferenzen bei der polnischen Presseagentur und im Europäischen Parlament, wo die Aktivist*innen ihr Projekt vorgestellt hatten

Der zunehmende Einfluss von Ordo Iuris

Ordo Iuris ist Teil des internationalen christlich-fundamentalistischen Netzwerks "Agenda Europe", dessen Mitglieder individuell wie koordiniert gegen LGBTI-Rechte vorgehen (queer.de berichtete), und gewinnt zunehmend an Einfluss. Im Mai sorgte für Aufsehen, dass die Polizei in Kattowitz auf Druck der Organisation mehrere Studierende ohne Angabe von Gründen zu einem Verhör einbestellt und unter Druck gesetzt hatte. Ihr "Vergehen": Sie hatten sich über eine homophobe Professorin beschwert, was zu einem Disziplinarverfahren führte (queer.de berichtete). Die Ermittlungen gegen die Studierenden wurden inzwischen eingestellt. Ordo Iuris unterstützt auch einen Ikea-Mitarbeiter, der wegen homofeindlicher Aussagen gefeuert wurde. Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen eine Personalleiterin des Konzerns, weil sie die Religionsfreiheit des Mannes verletzt habe (queer.de berichtete).

Die Organisation ist auch für einen Gesetzentwurf verantwortlich, der Sexualaufklärung praktisch unter Strafe stellen würde (queer.de berichtete). In diesem Zusammenhang fuhr bereits im letzten Jahr ein Bus mit homofeindlichen Aussagen durch Polen, um am Rande von CSDs Unterschriften für das Vorhaben zu sammeln – und heizte so auch die Stimmung in Bialystok mit an. In den letzten (Wahlkampf-)Wochen war der Bus wieder unterwegs. Nachdem es in diesem Zusammenhang zu Vandalismus gegen den Bus und körperlichen Auseinandersetzungen mit dem Fahrer kam, war in der letzten Woche eine queere Aktivistin von zivil gekleidenten Polizisten zu einem Verhör regelrecht verschleppt worden (queer.de berichtete).


Der Hassbus im letzten Jahr

Derweil arbeitet die deutsche homo- und transfeindliche Bewegung "Demo für alle" inzwischen offiziell mit "Ordo Iuris" zusammen. Die Organisation von Hedwig von Beverfoerde ist deutscher Partner einer in der letzten Woche gestarteten Online-Petition unter dem Titel "Stop Gender" gegen die Annahme der "Istanbul-Konvention" durch die EU: Das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt wird dabei als "Gender-Ideologie" beschrieben, die etwa dazu führe, dass Kindern im Unterricht "ohne Einwilligung ihrer Eltern die Forderungen und Ideen der LGBT-Aktivisten (…) aufgezwungen werden können".

Am Montag sagte die polnische Arbeitsministerin Marlena Malag dem katholischen Sender "Radio Maria", dass Polen den schon mehrfach angekündigten Ausstieg aus der Konvention plane. (nb)

#1 zundermxeAnonym
  • 21.07.2020, 09:57h
  • Polen gibt sich als Opfer und als potentielles Opfer von Russland.
    Polen will keine Migrant*innen, erst recht keine muslimischen Glaubens wie etwa aus der Türkei.
    Doch Polen ist in seinem Nationalismus, der Zerstörung der Demokratie und der Verfolgung von sogenannten Minderheiten auf eben der selben Ebene wie Russland und die Türkei.
    Der gefährliche Unterschied ist, dass Polen Mitglied der EU ist.
    So lassen wir es zu, dass Länder wie Polen oder Ungarn das Europa der Freiheit und der Menschenrechte von innen zumindest stark beschädigt.
    Wenn die europäischen Politiker*innen die Menschen nicht verlieren wollen und die Zerstörung der europäischen Idee riskieren wollen, müssen sie eine eindeutige und nachhaltige Antwort finden.
    Sonst werden wir bald innerhalb Europas politisches Asyl gewähren müssen.
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#2 michael008Profil
  • 21.07.2020, 14:39hDüsseldorf
  • Antwort auf #1 von zundermxe
  • Zum Glück ist ein Asylverfahren für Aufenthaltswechsel innerhalb der EU zum Glück noch nicht nötig.
    Aber nachdem der Gipfel gestern unter der Regide unserer Kanzlerin die Verknüpfung von Rechtsstaatlichkeit als Bedingung für Fördergelder mal wieder zugunsten einer monetären Einigung mit den Erpressern Orban und Duda hinten angestellt hat, wissen wir ja wir nicht was noch kommt.
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#3 alien humanAnonym
  • 22.07.2020, 10:48h
  • Wenn die Artikel im Internet dann auch verschwinden, werden sie ihm wahrscheinlich andichten, dass er in wer weiß was nicht involviert war. Hunderte von Seiten haben die schon dafür. Und kein Mensch, außer vielleicht denen, denen er wichtig ist, wird sich durch den Papierjungel durchlesen können, nur um herauszufinden, was ihm da vorgeworfen wird.
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