Die All-Out-Petition von Melusi Simelanesoll Druck auf die Regierung in Eswatini ausüben, dass seit mehr als 100 Jahren bestehende Homo-Verbot endlich abzuschaffen
Eswatini (bis 2018 Swasiland) ist ein kleiner, nur gut eine Million Einwohner zählender Binnenstaat im südlichen Afrika. Anders als in der benachbarten Republik Südafrika wird im Königreich Eswatini Homosexualität kriminalisiert – nach einem Unzuchtsparagrafen, der von den ehemaligen britischen Kolonialherren eingeführt worden war. Die relativ kleine LGBTI-Community hält diesen Paragrafen, obwohl er nicht mehr angewandt wird, als einen der Hauptprobleme im Kampf um Gleichbehandlung. Daher hat der LGBTI-Aktivist Melusi Simelane das neue Petitions-Tool von All Out genutzt und eine Petition gestartet, um diese Diskriminierung zu beenden. Im Interview mit Dennis Klein erzählt Melusi, wie die Situation in seinem Heimatland ist und warum Druck aus dem Ausland hilft.
queer.de: Wie ist das Alltagsleben in Eswatini für LGBTI?
Melusi Simelane: Wir leben immer noch in andauernder Angst vor Verfolgung und haben praktisch keinen Rückhalt aus der Regierung. Nach ihrer Aussage schützt uns die Verfassung nicht gegen Diskriminierung. Auch wenn wir nicht direkt verfolgt werden, gibt es fortwährende Einschränkungen unserer Rechte wegen unserer sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität. Sehr wenige LGBTI können ein offenes Leben leben, weil es keinen Diskriminierungsschutz im Arbeits- und Zivilrecht gibt. Wir haben nicht die selben Rechte und Freiheiten. Außerdem beschimpfen uns die Kirche, der Staat und Behörden fortlaufend. Das zeigt sich darin, dass unsere Organisation Eswatini Sexual & Gender Minorities nicht registriert wird, mit der Begründung, dass es das Unzuchtsgesetz gibt.
Wie beeinflusst das Unzuchtsgesetz euer Leben?
Auch wenn es in den letzten Jahren nicht angewandt wurde, beeinflusst es weiter die Politik und teilweise auch, wie andere Gesetze interpretiert werden. Die Regierung sagt, wegen des Gesetzes haben wir nicht die selbe Versammlungs- und Redefreiheit. Man benutzt das Gesetz wie eine Waffe, die auf uns gerichtet ist. Der internationalen Gemeinschaft sagt man dann, dass sich keine Patronen in der Waffe befinden. Wir leben in ständiger Angst und haben keine Verbündeten, weil wir immer unter dem Verdacht stehen, Verbrecher zu sein. Und die Regierung wird nicht müde, uns daran zu erinnern, auch wenn dem Unzuchtsgesetz zufolge nur der Akt strafbar ist, aber nicht unsere Identitäten.
Wie ist die Beziehung zwischen LGBTI-Community und Polizei?
Wir versuchen, die Polizei für LGBTI-Fragen zu sensibilisieren, aber diese Arbeit wird immer konterkariert durch die Kriminalisierung. Das Gesundheitsministerium unterstützt uns beim Zugang zur Gesundheitsversorgung, aber das ist die Ausnahme. Es gibt so gut wie kein Interesse in der Regierung an einem offenen Gespräch über Menschenrechte.
Melusi Simelane: "Covid-19 hat die LGBTI-Community hart getroffen"
Wie ist die generelle Einstellung der Regierung zu LGBTI-Rechten?
Auch wenn der eine oder andere in der Regierung uns wohlgesonnen ist, ist es die Politik der Regierung, unsere Existenz zu leugnen und uns Grundrechte zu verweigern. Das macht es Verbündeten in der Regierung schwer, ihre Unterstützung zu zeigen. Das Gesundheitsministerium kann uns nur unter dem Mantel von "Key Populations" unterstützen, einem verhaltensbasierten Begriff der Weltgesundheitsorganisation WHO, und konzentriert sich ausschließlich auf Männer, die Sex mit Männern haben.
Beeinflusst die Covid-19-Krise das queere Leben in Eswatini?
Covid-19 hat die LGBTI-Community hart getroffen. Das hat die Lage noch verschärft. Mit der Hilfe von All Out konnten wir Essenspakete und Hygieneartikel kaufen und an mehr als 120 Mitglieder verteilen. Wir konnten auch ländliche Gebiete erreichen, in denen die Lage noch kritischer ist. Viele in der Welt beschweren sich darüber, wie die Krise ihre Wirtschaft belastet, aber bei uns war die Lage schon vorher prekär und wird jetzt noch schlimmer. Wir arbeiten gerade daran, die Logistik für die Lieferungen zu verbessern, damit die Lebensmittelsicherheit für viele LGBTI für mehr als einen Monat gewährleistet ist. Wir bauen auf die von All Out gestartete Initiative. Wir bitten weiterhin die internationale Community darum, uns dabei zu unterstützen, damit unsere Mitglieder essen können.
Wie wichtig ist der Druck von außen für euren Kampf für Gleichbehandlung – etwa die All-Out-Petition?
Unser Land ist Mitglied in der UN, im Commonwealth, in der Afrikanischen Union und in der Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrika (SADC). All diese Organisationen bekennen sich zu menschenrechtlichen Prinzipien, aber wir leiden immer noch am kolonialen Kater des Unzuchtsgesetzes. Es ist notwendig, dass die Organisationen die Mitgliedsstaaten zur Vernatwortung ziehen, dass allgemeine Menschenrechte endlich verwirklicht werden. Die Petition von All Out gibt uns auch die Möglichkeit, mit der Welt unseren Kampf zu teilen. Die Stimme der Welt übt auch Druck auf unsere Regierung aus. Ich hoffe, dass mehr Menschen die Petition unterschreiben und unserer Regierung zeigen, dass wir nicht alleine sind. Wir bitten ja nicht um etwas Fremdes oder Ausländisches, sondern nur um allgemeine Menschenrechte.
Wie beginnt der Artikel? Natürlich mit dem unvermeidlichen Hinweis darauf, dass das Gesetz von den britischen Kolonialherren erlassen wurde. Das könntet Ihr Euch endlich mal abschminken, dass für Schwulenverfolgung in Afrika noch Jahrzehnte nach Unabhängigkeit die Kolonialmacht verantwortlich sein soll. Nein, vorliegend trägt die Verantwortung ein einziger Mann, der König. Er hält sich einen Harem von Frauen, lebt im Luxus und regiert seine Untertanen im Stil eines altorientalischen Tyrannen.