Grund der Ermittlungen: Eine Regenbogenflagge an der Jesus-Skulptur vor der Heilig-Kreuz-Kirche-Basilika (Bild: Spacerowiczka / facebook)
Die Polizei in Warschau hat offenbar zwei Aktivistinnen festgenommen, die in der letzten Woche Regenbogenfahnen an mehreren Denkmälern der polnischen Hauptstadt aufgehängt haben sollen. "Wegen der Verletzung religiöser Gefühle und der Entehrung von Warschauer Denkmälern hat die Polizei erste Verdächtige festgenommen", teilte die Behörde am Dienstag in Warschau mit. "Weitere Festnahmen sind nur eine Frage der Zeit", hieß es in einem Tweet.
Zur Zahl und Identität der Festgenommenen machte die Polizei keine Angaben. Zuvor war allerdings in sozialen Netzwerken bekannt geworden, dass zwei Mitglieder des Kollektivs "Stop Bzdurom" (Stoppt den Unsinn) festgenommen worden waren, eine Person am Vorabend und eine am Dienstag. Die Aktivistinnen sollen heute vernommen werden, teilte die Gruppe auf Facebook mit. Später hieß es, die Verhöre sollten am Mittwoch fortgesetzt werden. Die Organisation "Kampagne gegen Homophobie" kritisierte die Festnahmen. Die Regenbogenfahne sei keine Beleidigung, sagte Sprecherin Magdalena Swider der dpa in Warschau. "Ziel der Aktion ist es, Aktivisten einzuschüchtern."
In der Nacht zum letzten Mittwoch hatten Aktivist*innen der Gruppe mit Regenbogenflaggen und feministischen und anarchistischen Symbolen vor oder auf den wichtigsten Statuen Warschaus posiert, um ein Zeichen gegen Homo- und Transphobie zu setzen, darunter an der Jesus-Skulptur vor der Heilig-Kreuz-Kirche-Basilika (queer.de berichtete). Dazu hinterließen sie auch Manifeste vor Ort.
Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hatte sich danach an der Jesus-Statue fotografieren lassen und den – friedlichen – Protest öffentlich als "Vandalismus" und "Barbarei" verurteilt, die die Gesellschaft spalte. Der stellvertretende Justizminister und PiS-Abgeordnete Sebastian Kaleta hatte angekündigt, die Staatsanwaltschaft zu informieren. Am Freitag kündigte diese Ermittlungen an. Die öffentliche Verletzung religiöser Gefühle kann in Polen mit bis zu zwei Jahren Haft belegt werden. Derzeit läuft ein entsprechendes Verfahren unter anderem gegen eine Ikea-Personalchefin, die einen homofeindlichen Mitarbeiter entlassen hatte (queer.de berichtete).
Aktivistin zum zweiten Mal festgenommen
Eine Aktivistin von "Stop Bzdurom", die am Montag Augenzeugenberichten zufolge von Zivilpolizisten auf der Straße festgenommen und in Handschellen in ein unmarkiertes Auto gebracht worden war, war ähnlich bereits Mitte Juli festgenommen und zu einem Verhör und einen Untersuchungshaft-Termin gebracht worden; Malgorzata (Margot) S. werden im Rahmen eines Angriffes auf einen Hass-Bus gemeinschaftliche Sachbeschädigung und Körperverletzung vorgeworfen (queer.de berichtete). Ein Gericht versagte die Untersuchungshaft, die Staatsanwaltschaft will die Aktivistin allerdings weiter anklagen – ihr drohen nach den Anklagepunkten mehrere Jahre Haft. Zuvor hatten mehrere Personen offenbar aus dem Kollektiv einen Bus mit homo- und transfeindlichen Botschaften der ultrakatholischen Organisation "Ordo Iuris" in Warschau gestoppt. Dabei wurden Spiegel zerbrochen, Nummernschilder entwendet, Reifen durchstochen und die großformatigen Hassplakate zerstört und stattdessen "Stop Bzdurom" auf die Fläche angebracht.
Der Bus mit seinen volksverhetzenden Botschaften ist derweil weiter in Warschau unterwegs, teilweise unter Polizeischutz. Die Polizei steht auch unter Kritik von LGBTI-Aktivisten, weil sie nicht einschritt, als Nationalisten am Samstag bei einer von ihnen angemeldeten Demonstration zum Jahrestag des Beginns des Warschauer Aufstands eine Regenbogenflagge verbrannten – vor der Heilig-Kreuz-Kirche-Basilika. Auch trugen einige anti-homosexuelle Plakate.
Laut der "Kampagne gegen Homophobie" entfernte die Polizei auf Aufforderung der Demonstrationsteilnehmer sogar Regenbogenflaggen am Wegesrand und selbst von privaten Balkons. In einem Offenen Brief hat die Kampagne inzwischen von Warschaus Bürgermeister Rafal Trzaskowski einen klareren Schutz für Minderheiten eingefordert. (nb/dpa)
Update 5.8., 17.25h: Aktivist*innen wieder auf freien Fuß
Am Mittwochnachmittag wurden alle Festgenommenen nach Verhören freigelassen, darunter eine in der Nacht zum Mittwoch festgenommene dritte Person.
Und was ist, wenn die Religiösen unsere Gefühle verletzen oder gar gegen uns hetzen oder offen zu Gewalt aufrufen?!