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Persilschein für Tübinger OB
Staatsanwaltschaft stellt Ermittlungen gegen Palmer ein
Nur drei Wochen nach der Beleidigungsanzeige seiner lesbischen Parteifreundin erklärt die Staatsanwaltschaft den grünen Tübinger OB Boris Palmer für unschuldig.

Boris Palmer ist einer der prominentesten – und umstrittensten – Vertreter von Bündnis 90/Die Grünen (Bild: Bündnis 90/Die Grünen Baden-Württemberg / flickr)
- 5. August 2020, 10:26h 2 Min.
Die Tübinger Staatsanwaltschaft sieht bei Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) keine Anzeichen einer Straftat nach der Anzeige von Maike Pfuderer, einer lesbischen Grünenpolitikerin aus Stuttgart. Pfuderer hatte Mitte Juli Anzeige gegen ihren Parteifreund gestellt (queer.de berichtete). Sie hatte Palmer unter anderem vorgeworfen, sie bei Facebook bei einer Wortschlacht als trans geoutet und ihren abgelegten männlichen Geburtsnamen verwendet zu haben (sogenanntes "Deadnaming"). Dies erfüllte nach ihrer Ansicht den Straftatbestand der Beleidigung und verstoße gegen das Offenbarungsverbot im Transsexuellengesetz (TSG).
Die Staatsanwaltschaft sieht das laut den "Stuttgarter Nachrichten" anders. So richteten sich die Vorgaben des Transsexuellengesetzes allein an staatliche Organe wie Behörden. Außerdem könne der 48-jährige OB nicht wegen Beleidigung belangt werden. Seine Facebook-Tiraden mögen "taktlos und unhöflich sein", überschritten jedoch nicht die Grenze der strafbaren Beleidigung, so die Ansicht der Behörde.
Palmer sieht sich in "asymmetrischem Meinungskampf" mit queerer Community

Maike Pfuderer ist stellvertretende Sprecherin der grünen Bundesarbeitsgemeinschaft Lesbenpolitik (Bild: privat)
Palmer sieht sich gegenüber den "Stuttgarter Nachrichten" bestätigt: "Maike Pfuderer war vollkommen bewusst, dass ihre Anzeige aussichtslos ist", so der Oberbürgermeister. Seine Gegnerin habe ihre Ziel jedoch erreicht, weil viele Medien über den Vorfall mit der Schlagzeile "Palmer angezeigt" berichtet hätten. "Ziel dieser Menschen ist es doch, mich mit haltlosen Vorwürfen moralisch zu vernichten", so der Politiker. Der queeren Community warf er demnach vor, in einen "asymmetrischen Meinungskampf" mit ihm verwickelt zu sein. Palmer hatte in der Vergangenheit auch immer wieder die Berichterstattung von queer.de über seine Person kritisiert. Schon vor zwei Wochen stilisiere er sich zum Opfer und verglich sich mit "Harry Potter"-Autorin J.K. Rowling, die ebenfalls nach als transphob kritisierten Äußerungen unter Druck steht (queer.de berichtete).
Pfuderer, die sich bereits mehrfach mit Palmer politisch gestritten hatte, will trotz der Entscheidung der Staatsanwaltschaft nicht aufgeben. "Der Paragraf 5 TSG ist ein zahnloser Tiger ohne Strafbewehrung", erklärte sie gegenüber queer.de "Ich werde mich in den queergrünen Bundesarbeitsgemeinschaften dafür einsetzen, dass wir für LSBTTIQA+feindliche Straftaten einen besseren Rechtsschutz bekommen. Deadnaming ist in meinen Augen psychische Körperverletzung."
Boris Palmer regiert die Universitätsstadt Tübingen seit inzwischen 13 Jahren. Er sorgt mit provokativen Thesen – etwa zur Ausländerpolitik – immer wieder für Aufregung in seiner Partei. Seinen Kritiker*innen wirft er immer gerne vor, ihn politisch vernichten zu wollen oder seine Zitate aus dem Zusammenhang gerissen zu haben – etwa als er sich 2011 aus parteitaktischen Gründen gegen das Adoptionsrecht für schwule und lesbische Paare aussprach (queer.de berichtete). (dk)















