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Sachbuch
"Du siehst gar nicht schwul aus. Das meine ich als Kompliment"
Julius Thesing setzt sich in seinem selbst illustrierten Buch "You don't look gay" mit queerfeindlicher Alltagsdiskriminierung auseinander. Ein wertvoller Begleiter, den auch nicht-queere Menschen lesen sollten.

Eine von vielen Illustrationen aus dem Band (Bild: Julius Thesing)
17. August 2020, 14:02h 3 Min. Von

"You don't look gay" ist bei Bohem Press erschienen
"Das ist nur eine Phase", "Wer von euch beiden ist die Frau?": Das sind Sätze, die queere Menschen so oft hören, dass sie mittlerweile zum Klischee geworden sind. Sätze, die vielleicht gar nicht diskriminierend gemeint sind, sondern eher von Unwissen und einem heteronormativen Weltbild zeugen. Dennoch bleiben sie diskriminierend. Es gibt keine nett gemeinte Queerfeindlichkeit.
Mit solchen Sätzen und ähnlichen Situationen setzt sich Julius Thesing in seinem Buch "You don't look gay" (Amazon-Affiliate-Link ) auseinander, das aus der Bachelorarbeit des Illustrators entstanden ist. Auf rosa Papier gedruckt, verfolgt es eine einheitliche, klare Bildsprache. Es ist mit Sinn für Details an der richtigen Stelle gestaltet, vielfältig, dazu kommen große Zahlen und Fakten sowie große, rote, queerfeindliche Zitate von Leuten wie Jair Bolsonaro oder Björn Höcke oder Reinhard Kardinal Marx.

Eines von vielen queerfeiindlichen Zitaten prominenter Personen
So oder so ähnlich kennen wir die Situationen
Julius Thesing schreibt ganz persönlich von seinen Erfahrungen. Vom Besuch eines Sex-Shops in London, von Zugfahrten mit grölenden Fußballfans, von Gesprächen mit Freunden, die sich fragen, ob sie mit Schwulen befreundet sein könnten – vor seinem eigenen Coming-out. Das sind Situationen, die viele queere Menschen so oder so ähnlich erlebt haben. Er ordnet acht dieser Erlebnisse knapp ein, er macht sich Gedanken dazu, mal eher bewusstseinstromartig, dann klarer.
Leider kommt er hier und da nicht um Gemeinplätze wie "Wir sind noch lange nicht am Ziel" herum. Bei manchen Themen wären auch noch stringentere Gegenargumentationen – wie beim Straight Pride – wünschenswert gewesen.
Ein wertvoller Begleiter

Julius Thesing hat "You don't look gay" ursprünglich als Bachelorarbeit geschrieben
"You don't look gay" ist ohne Zweifel ein hübsch gestaltetes, anschaulich geschriebenes Buch. Die Frage ist, an wen es sich richtet. Das Buch sei ein Versuch, schreibt Julius Thesing im Intro. Ein Versuch, "greifbar zu machen, wie sich alltägliche Diskriminierung anfühlt." Gute Idee, gleich für verschiedene Gruppen. Nur vielleicht nicht für gefestigte queere Menschen, die sich ihrer Identität sicher sind, denn für sie wird der Erkenntnisgewinn überschaubar sein.
Aber für (werdende) Hetero-Eltern, die sich das alles nicht vorstellen können, die womöglich überfordert sind, die einen leichten, niedrigschwelligen Zugang zu queerer Alltagsdiskriminierung suchen (oder dazu gebracht werden sollen, sich endlich damit auseinanderzusetzen). So können sie die gröbsten Fettnäpfchen gut umschiffen.
Und für all diejenigen, die noch am Anfang stehen. Junge (oder auch ältere) queere Menschen, denen solche Situationen wahrscheinlich leider noch bevorstehen, und die erst noch lernen müssen, damit umzugehen. Die noch nicht das nötige Rüstzeug haben – hier wären ein paar mehr konkrete Handlungsempfehlungen oder Tipps vielleicht hilfreich gewesen. Und, ganz wichtig, die erst einmal anerkennen müssen, dass es sich um Diskriminierung handelt. Dass sie ein Recht darauf haben zu widersprechen, dass sie Queerfeindlichkeit nicht weglächeln müssen. Ihnen kann "You don't look gay" ein wertvoller Begleiter sein.
Julius Thesing: You don't look gay. Sachbuch. 96 Seiten. Gebundenes Buch. Format: 16,4 x 22,6 cm. Bohem Press. Münster 2020. 14,95 € (ISBN: 978-3-95939-094-1).

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Hab nicht mal Lust, das groß zu analysieren. ;) Von "Der ist aber hübsch" bis "Schwuchtel" wurde mir so ziemlich alles an den Kopf geknallt. Witzig und im Grunde leicht drollig fand ich junge Frauen, denen mein leicht androgynes Äußeres häufig sehr gut gefallen hat. Weniger angenehm war der Protest von rotzfrechen Schuljungen und aggressiven Klemmschwestern. Öffentlich zeigten tatsächlich diejenigen am meisten mit dem Finger, die ihre eigene Homosexualität aus Panik vor Anfeindung verstecken wollten. Gerade diese Überkompensationsversuche, um gesellschaftlicher Diskriminierung zu entkommen, sind besonders unangenehm und schmerzhaft. Darin verbirgt sich auch oft Neid und in Folge ein gewisser Hass, wie man es denn eigentlich wagen kann, so eine offensichtliche Schwuchtel zu sein. Daran erinnere ich mich äußerst ungern. Von heterosexueller Seite störte mich schon immer diese ekelhafte Überlegenheitsmasche, schwul verbal abwertend für etwas uncooles/nerviges/beschissenes zu verwenden. Das wird von heterosexueller Seite oft gruselig verniedlicht, dabei ist gerade diese gehässige Dauerbeschallung nichts anderes als hochbelastendes, tyrannisches Mobbing. Ob sich da mal noch ernsthaft was ändert ...