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Ungarn
Budapest: Ex-Abgeordneter klaut Prideflagge – festgenommen
Am Rathaus der ungarischen Hauptstadt wehte erstmals die Regenbogenfahne – bis sie von einer rechtsextremen Partei gestohlen wurde. Der neue Bürgermeister lässt sich jedoch nicht beirren.
- 23. August 2020, 13:39h 3 Min.
Erstmals in der 25-jährigen Geschichte des Budapest Pride wehte in diesem Jahr am Rathaus der ungarischen Hauptstadt eine Regenbogenfahne – allerdings nur für drei Tage. Am vergangenen Sonntag wurde die erst am Freitag von Bürgermeister Gergely Karácsony gehisste Prideflagge von der rechtsextremen Partei Mi Hazánk (Unsere Heimat) gestohlen.
Ein vor der Partei selbst verbreitetes Video zeigt den stellvertretenden Vorsitzenden Előd Novák, wie er auf eine Leiter steigt, die Fahne unter dem Jubel seiner Anhänger entfernt und anschließend in eine Mülltonne in der Nähe wirft. Als er zum Rathaus zurückkehrt, um die Leiter einzusammeln, wurde er von der Polizei vorübergehend festgenommen. Gegen den ehemaligen Parlamentsabgeordneten der Partei Jobbik wird nun wegen Vandalismus ermittelt.
"Dieses familienfeindliche Symbol hat nichts auf der Straße und noch weniger am Gebäude der hauptstädtischen Kommunalverwaltung zu suchen", begründete die Jobbik-Abspaltung Mi Hazánk den Flaggendiebstahl. Der Bürgermeister provoziere damit die Mehrheit der Ungarn und gefährde die Familien.
Riesen-Regenbogenfahne bei Pressekonferenz
"Budapest gehört allen!", hatte Karácsony in der vergangenen Woche zur Flaggenhissung auf Facebook geschrieben (queer.de berichtete). "Die Leitung der Hauptstadt setzt sich dafür ein, dass jeder Einwohner und jede Gemeinde das Gefühl haben soll, dass Budapest auch ihr Zuhause ist. Wir glauben, dass Budapest die Stadt der Rechte und nicht die Stadt der Privilegien sein sollte. In der ungarischen Hauptstadt darf sich ein jeder für seine Meinung, Weltanschauung und Identität engagieren."
Gergely ließ sich durch den Flaggenklau nicht beirren. Am Samstag gab er zusammen mit den Organisator*innen des Budapest Pride, der in diesem Jahr aufgrund der Corona-Pandemie hauptsächlich online stattfindet, eine Pressekonferenz mit einer riesigen Regenbogenfahne vor dem Parlament. "Ich weiß, dass es einige Menschen gibt, die vor dieser Flagge Angst haben, weil sie das Gefühl haben, dass im Widerspruch zu ihren Werte stünde", schrieb der Bürgermeister anschließend auf Facebook. "Und es gibt Menschen, die aufgrund dieser Angst mehr Ängste erzeugen."
Der Pride stehe nicht im Widerspruch zur Religion, so der Bürgermeister weiter. "Die Regenbogenflagge verkündet nichts anderes als die offizielle Position der katholischen Kirche: Dass niemand wegen seiner sexuellen Orientierung diskriminiert werden darf, weil wir alle Geschöpfe Gottes sind."
Gergelys Vorgänger bezeichnete den CSD als "eklig"
Der Grünen-Politiker Karácsony Gergely wurde am 13. Oktober 2019 als gemeinsamer Kandidat der Oppositions-Parteien mit 50,86 Prozent der Stimmen zum Bürgermeister Budapests gewählt und löste den bisherigen Amtsinhaber István Tarlós ab. Der Verlierer von der Regierungspartei Fidesz hatte den CSD 2015 als "unnatürlich und eklig" bezeichnet und wollte ihn an den Stadtrand verbannen (queer.de berichtete). Noch am Wahlabend versprach Gergely, Budapest ins 21. Jahrhundert und in die Mitte Europas zu führen, "wo es immer schon hingehörte". Seinen durch eine geeinte Opposition ermöglichten Sieg bezeichnete er als Vorbild für den Wahlkampf auf Landesebene. (cw)

















