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Grundsatz-Dokument
Polen: Katholische Kirche unterstützt "Homo-Heilung"
Die Bischofskonferenz hat einen 27-seitigen Leitfaden zu "LGBT+-Fragen" veröffentlicht. Das Dokument spricht von "Respekt", ist aber von Ablehnung und Abwertung durchzogen.

Die Bischöfe bei einer Messe zur Vollversammlung in Tschenstochau (Bild: Konferencja Episkopatu Polski)
- 28. August 2020, 20:47h 6 Min.
Die katholischen Bischöfe Polens haben am Freitag bei ihrer Vollversammlung in Tschenstochau einen neuen 27-seitigen "Standpunkt der Polnischen Bischofskonferenz zu LGBT+Fragen" herausgegeben. Darin fordern sie eine respektvolle Behandlung dieser Menschen, lehnen aber ihre Rechte wie die Ehe sowohl kirchlich als auch staatlich, "Gender-Ideologie", die Anerkennung Transsexueller in ihrem Geschlecht und moderne Sexualerziehung ab.
Die Bischöfe betonen, dass die Kirche offen für den Dialog mit jedem "Menschen guten Willens" sei, der die Wahrheit suche (freilich im Sinne des Glaubens). Als Beispiel für eine solche Haltung geben sie Papst Franziskus an, "der Menschen trifft, die sich als LGBT+ identifizieren, ihnen freundlich die Hand reicht, der Verständnis für Neigungen zum Ausdruck bringt, aber gleichzeitig eine klare Darstellung der Lehre der Kirche über Gender-Ideologie und Praktiken, die der Natur und der Menschenwürde zuwiderlaufen, nicht vermeidet."
Twitter / EpiskopatNewsObowizek szacunku dla osób zwizanych z ruchem LGBT+ nie oznacza bezkrytycznego akceptowania ich pogldów podkrelaj biskupi w stanowisku dotyczcym LGBT+, które przyja dzi Konferencja Episkopatu Polski.
EpiskopatNews (@EpiskopatNews) August 28, 2020
Wicej: https://t.co/CGwjztAdzL
Dokument: https://t.co/9v7b4IdSBy pic.twitter.com/2u8Lflcrk7
LGBT+ verdienten Respekt; "körperliche oder verbale Gewalt, alle Formen von Hooligan-Verhalten und Aggression gegenüber LGBT+-Menschen" seien inakzeptabel, so die Bischöfe. In einem demokratischen Staat dürften sie auch ihre Forderungen für eine gerechtere Welt stellen. Zu Respekt gehöre es aber auch, diese Forderungen "im Lichte der objektiven Wahrheit über die menschliche Sexualität und die Prinzipien des Gemeinwohls" zu überprüfen. "Die Ideologie dieser Bewegungen und ihre Postulate sind mit zahlreichen schädlichen Fehlern belastet."
LGBT-Ablehnung auf allen Fronten
Der Dialog scheint folglich zum Scheitern verurteilt. So leitet die Konferenz bereits in ihrer Einführung Homo- oder Transsexualität nicht aus der gegebenen Natur her, wenngleich es sich "um kein neues Phänomen" handle, sondern sieht sie vor allem als Teil einer "Gender-Ideologie" an, die durch die sexuelle Revolution und der "Ablehnung der traditionellen Moral" in den Vordergrund der Menschen rücke. "Die menschliche Sexualität wird zunehmend ihrer persönlichen Bedeutung und ihres Wertes beraubt", den sie als "besonderes Geschenk, als heiliges Geschenk" erhalten habe, "das der Schöpfer selbst einer Frau und einem Mann gegeben hat".
Kurz zusammengefasst ist die Sicht der Kirche, dass der Mensch als Mann und Frau geschaffen wurde und sich entsprechend ergänzend auf Fortpflanzung angelegt wurde. Die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Paare würde zu einer Schwächung der Institution der Ehe führen, sexuelle Revolution und Gender-Ideologie führten zu einem "individualistischen und oft selbstsüchtigen Verständnis von Sexualität" und einer "Trivialisierung der Bindung zwischen einem Mann und eine Frau". Die Kirche bestreite nicht die "Fähigkeit homosexueller Personen, Menschen zu lieben". Doch könne dies nicht mit ehelicher Liebe gleichgesetzt und gesegnet werden.
Das Dokument lehnt ferner die Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare (und durch Paare mit trans Personen) ab. Damit verteidige man "die Würde, die Rechte und die geistigen Bedürfnisse jedes Kindes", das für eine harmonische Entwicklung Vater und Mutter brauche.
Twitter / katholisch_de | Das Portal der Deutschen Bischofskonferenz berichtet wenig kritisch über das Dokument der polnischen BrüderIn einem 27-seitigen Dokument zu "LGBT+-Fragen" fordert die polnische Bischofskonferenz jetzt Respekt gegenüber Menschen dieser Bewegung und äußert gleichzeitig Kritik. https://t.co/JDp6EJQIzA
katholisch.de (@katholisch_de) August 28, 2020
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Später werden auch Bibelstellen aus dem Alten und Neuen Testament zitiert und gedeutet, darunter die Todesstrafen-Passage aus Levitikus. Die Bischöfe merken an, dass diese Passagen verschieden und teilweise modern interpretiert werden, im Zusammenspiel mit apostolischer Tradition und "Naturgesetz" ergebe sich aber eine moralische Lehre, die "unveränderlich und unfehlbar" sei.
Konkreter auf Gläubige bezogen, unterscheidet die Kirche weiter zwischen einer Veranlagung ohne "moralische Schuld" – und einem Ausleben, in diesem Fall "homosexuelle Handlungen und sogenannte Geschlechtsneuzuweisungsoperationen", die gegen das Naturrecht seien. Homosexuelle seien zum Leben in "Reinheit" aufgerufen und "Sünde" sei zu vermeiden, sie sollten enthaltsam leben und nicht heiraten. Auch seien sie nicht zu Priesterseminaren zuzulassen.
Kirche will Angebote zur "Heilung" Homosexueller
In einem Absatz fordern die Bischöfe, was queere Organisationen bereits entsetzt als "Homo-Heilung" zusammenfassen: Angesichts der "Herausforderungen" durch "Gender-Ideologie" und "LGBTI-Bewegung" und unter besonderer Berücksichtigung "der Schwierigkeiten, Leiden und spirituellen Zerissenheiten, die diese Menschen erfahren haben", sei es notwendig, "Beratungsstellen einzurichten (auch mit Hilfe der Kirche oder ihrer Strukturen)". Diese sollten Menschen "helfen, die ihre sexuelle Gesundheit und natürliche sexuelle Orientierung wiedererlangen möchten".
Diese Forderung stehe "Positionen aus LGBT+-Kreisen", die als wissenschaftlich und "politisch korrekt" angesehen würden, entgegen. Die Kirche verweist auf angebliche Zeugnisse von Menschen, "denen klar wurde, dass ihre unterschiedliche Sexualität kein unwiderrufliches Urteil oder unwiederbringliche Kodierung ist, sondern ein Symptom für Wunden an verschiedene Ebenen ihrer Persönlichkeit". Diese Menschen hätten "mit dem aufrichtigen Wunsch, den Schmerz geheilt zu bekommen, manchmal heldenhafte Anstrengung unternommen und das Ziel mit Hilfe kompetenter Menschen erreicht": eine "gesunde Identität" oder "zumindest die Fähigkeit, im Frieden mit sich selbst zu leben."
Konferencja Episkopatu Polski wyda?a stanowisko w sprawie osób LGBT+, w którym znalaz?o si? stanowcze wezwanie do "...
Gepostet von Grupa Stonewall am Freitag, 28. August 2020
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An anderer Stelle des Dokuments heißt es, auch die seelsorgerische Beratung von LGBTI habe zum Ziel, "diesen Menschen zu helfen, Gottes Willen in ihnen auszuführen" – gemeint ist Homosexualität nicht auszuleben oder eine Geschlechtsanpassung nicht anzustreben.
Keine Anerkennung von trans Personen
Zu trans Personen stellen die Bischöfe fest, dass hormonelle und operative Eingriffe das Geschlecht nicht anpassten, sondern eine "Selbstverstümmelung" seien. Entsprechend bewerte man zivilrechtliche Prozeduren zur Änderung des rechtlichen Geschlechts und erkenne man nur das vermeintlich ursprüngliche Geschlecht in Kirchenbüchern und bei Zeremonien an. Zusätzliche "Kommentare" in Kirchenbüchern seien allerdings möglich. Transsexuelle seien nicht als Paten oder Patinnen oder in Kirchenämtern zuzulassen, da sie eine "Haltung gegen die christliche Moral" zeigten. Auch könnten Personen nach einer Geschlechtsanpassung keine Ehe eingehen. Sie könnten aber getauft werden oder an religiösen Praktiken teilhaben, wenn sie "Reue" zeigten.
Bei intersexuellen Menschen würden alle diese Einschränkungen und Verbote nicht gelten, hier müsse eine genaue Analyse erfolgen unter Berufung auf eine von Ärzten durchgeführte und am wenigsten invasive Behandlung. Diese Haltung zu einer medizinischen Frage stehe nicht im Widerspruch zur Ablehnung einer "Gender-Ideologie". Die Kirche betont, an der Auffassung zweier sich gegenüberstehender Geschlechter festzuhalten und "philosophische Interpretationen" über ein "neutrales" oder "drittes Geschlecht" ebenso abzulehnen wie eine "Selbstbestimmung" des Geschlechts "ohne objektive Kriterien".
Kirche gegen "Frühsexualisierung"
Ganze sechs Seiten widmet das Dokument noch der Sexualerziehung. Deren Ziel sei die Vorbereitung auf eine Ehe und die Zukunft in einer langen, stabilen und glücklichen Familie und die Verantwortung zur Erziehung liege zunächst vor allem bei den Eltern. "Reinheit", "Beherrschung der sexuellen Impulse" und "moralische Ordnung" seien zu unterrichten, meinen die Bischöfe, Formen der Verhütung hingegen nicht.
Bereits an anderer Stelle lehnen die Bischöfe moderne Sexualerziehung, wie sie LGBTI-Aktivisten forderten, ab, da sie mit intimen Materialien Sexualität "manipulieren" und zur Sexualisierung von Kindern, "zu zwanghafter Masturbation und schwer zu überwinden sexuellen Obsessionen", zu frühen Schwangerschaften und Abtreibungen, sexuellen Krankheiten und schlicht "Tragödien" führten. Kinder könnten allerdings im Dialog aller Kräfte dazu unterrichtet werden, Menschen zu respektieren und nicht aufgrund diverserer Merkmale zu diskriminieren oder zu schikanieren. Auch im Religionsunterricht könne Respekt gegenüber Homo- und Transsexuellen unterrichtet werden – "ohne die moralische Bewertung solcher Verhaltensweisen zu ignorieren".
Gegenteil von Respekt
Im letzten Jahr hatte die Bischofskonferenz die Regierung aufgefordert, Forderungen von LGBTI-Aktivisten und Bürgerrechtlern, die zu einer "Akzeptanz" von "Gender-Ideologie" führten, nicht nachzugeben (queer.de berichtete). Zuvor hatte ein Bischof vor einer "Regenbogenpest" gewarnt (queer.de berichtete). Die Kirche hatte das zunehmend homofeindliche Klima in Polen, das im letzten Jahr zu Hooligan-Gewalt gegen CSD-Demonstrationen führte, und die Anti-LGBTI-Stimmungsmache der Regierung kräftig unterstützt und mit angetrieben. Die Lage für LGBTI hat sich seitdem noch verschlimmert. (nb)

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