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Gespräche im November
Blutspenden: Spahn-Ministerium will Verkürzung des Sexverbots für Schwule auf 4 Monate prüfen
Männer, die Sex mit Männern haben, sollen offenbar leichter Blut spenden dürfen: Anders als bei Heteros soll aber an einer zeitlich begrenzten Sex-Karenzzeit festgehalten werden.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn will offenbar die Hürden für sexuelle und geschlechtliche Minderheiten beim Blutspenden senken (Bild: Deutscher Bundestag / Achim Melde)
- 3. September 2020, 13:30h 3 Min.
Das Bundesministerium für Gesundheit will in zwei Monaten in einer Arbeitsgruppe mit Fachverbänden über die Senkung der Sex-Karenzzeit für schwule und bisexuelle Männer beraten. Das gab Staatssekretär Thomas Gebhart (CDU) in der Antwort auf eine schriftliche Anfrage von FDP-Politiker Jens Brandenburg bekannt, die queer.de vorliegt. Außerdem plane das Ministerium des offen schwulen Ministers Jens Spahn (CDU) eine Regelung für Menschen mit diversem Geschlechtseintrag, um für sie "künftig Unsicherheiten über die Möglichkeit der Blutspende zu vermeiden".
Die Verbote beim Blutspenden werden in Deutschland in der von der Bundesärztekammer formulierten "Richtlinie Hämotherapie" (PDF) festgelegt. Im Bundestag hatten Union und AfD das Verbot aufgrund der sexuellen Orientierung erst im Mai verteidigt (queer.de berichtete).
"Anhand aktueller Datenlage Verkürzung der Rückstellpflicht prüfen"
Laut der Antwort will das Bundesgesundheitsministerium die Themen Homo- und Intersexualität beim Blutspenden am 3. November in einer "ersten vorbereitenden Sitzung" mit Vertreter*innen des Paul-Ehrlich-Instituts, des Robert-Koch-Instituts und der Bundesärztekammer beraten. Dabei solle "anhand der aktuellen Datenlage eine Verkürzung der Rückstellfrist von 12 auf 4 Monate" geprüft werden. Das pauschale Blutspendeverbot für Männer, die Sex mit Männern haben, war zuletzt wegen Engpässen mehr und mehr in die Kritik geraten (queer.de berichtete).
Aus der Antwort geht auch hervor, dass homo- und bisexuelle Männer offenbar anders als Heterosexuelle weiter pauschal als Personen angesehen werden, "deren Sexualverhalten ein gegenüber der Allgemeinbevölkerung deutlich erhöhtes Übertragungsrisiko für die durch Blut übertragbaren schweren Infektionskrankheiten wie HBV, HCV oder HIV birgt". Ausschlaggebend für die Behörden ist in dieser Frage weiter allein die sexuelle Orientierung der Männer. Diese Beurteilung von schwulem Sex schließt folglich auch Männer ein, die gleichgeschlechtlich verheiratet oder in einer monogamen Beziehung sind.
Forderung: Blutspender nicht wegen sexueller Identität, sondern wegen Risikoverhalten ausschließen
Jens Brandenburg fordert hier ein Umdenken: "Nicht die sexuelle Identität, sondern tatsächliches Risikoverhalten soll den Ausschlag geben", erklärte der queerpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion am Donnerstag. Er zeigte sich aber erleichtert, dass "endlich etwas passieren" soll. "Das pauschale Blutspendeverbot für homosexuelle Männer bröckelt und das ist gut so", sagte Brandenburg. Der 34-Jährige kritisierte auch, dass das Gesundheitsministerium mit dem ersten Treffen über das Blutspendeverbot noch bis Anfang November warten will.

Der FDP-Abgeordnete Jens Brandenburg setzt sich für eine Liberalisierung beim Blutspenden ein (Bild: Deutscher Bundestag / Achim Melde)
"Immerhin hat die Bundesregierung erkannt, dass das binäre Geschlechterbild der Blutspendeverbote längst überholt ist", so Brandenburg. Gleichzeitig warnte er vor Aktionismus gegen diverse Menschen: "Die Lösung kann aber doch nicht sein, jetzt weitere Verbote für Personen mit diversem Geschlechtseintrag zu ergänzen. Schon die separate Ausschluss-Kategorie für transsexuelle Menschen ist überflüssig, diskriminierend und schafft unnötige Missverständnisse in der Umsetzung." Hintergrund: Derzeit werden "transsexuelle Personen mit sexuellem Risikoverhalten" in der Richtlinie Hämotherapie ausdrücklich erwähnt. "Dass auch lesbische Frauen für die Blutspende-Richtlinie bisher nicht existieren, ist Herrn Spahn offenbar noch gar nicht aufgefallen. Wir brauchen nicht zig Einzelregeln für alle Geschlechter und Sexualitäten, sondern eine Regelung für alle 'Menschen mit sexuellem Risikoverhalten' – egal ob hetero, trans*, cis, lesbisch, schwul oder einfach nur queer", so Brandenburg.
Andere Länder sind in dieser Frage bereits weiter als Deutschland: Italien und Spanien betrachten etwa beim Zugang zu Blutspenden nur das sexuelle Risikoverhalten und nicht die sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität der Spender*innen. (dk)

Wenn das Verhalten bei diesem Thema nicht ausschlaggebend ist, sondern sexuelle Orientierung und die Identität einer Person mit herangezogen werden, handelt es sich um herabwürdigende Diskriminierung derjenigen, die eine "Sonderbehandlung" erfahren müssen.