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Corona-Leugner

Wien: Regenbogen­flagge bei "Querdenken"-Protest zerrissen

Ein Verschwörungstheoretiker brachte das Zeichen der queeren Community mit Pädophilie in Zusammenhang.


"Jeder, der so ein Symbol trägt, unterstützt Kinderschänder", hieß es von der Bühne (Bild: Screenshot Twitter)

  • 5. September 2020, 21:25h 17 5 Min.

Bei einer Kundgebung des Bündnisses "Querdenken" gegen Corona-Maßnahmen ist am Samstag in Wien eine Regenbogen­flagge öffentlich zerrissen worden – als vermeintliches Zeichen für "Kinderschänder".

Die Szene auf der Bühne vor der Karlskirche mit einer Regenbogen­flagge mit zusätzlichem Herzen wurde vom Pressservice Wien, einen Netzwerk freier Fotojournalisten, das sich der Dokumentation rechter Mobilisierungen verschrieben hat, als Video festgehalten. In dem zu großer Empörung viral gegangenen Ausschnitt ist zu sehen, wie mehrere Redner*­innen die Flagge zerreißen. Dann sagt Rednerin Jenny Klaus (bzw. Jennifer Klauninger) unter Applaus ins Mikrofon: "Ihr seid kein Teil unserer Gesellschaft. Wir müssen unsere Kinder gegen Kinderschänder schützen. Wir alle sind dafür verantwortlich."

Twitter / PresseWien
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Gemäß späteren Berichten war die Flagge angeblich einer teilnehmenden Person auf der Bühne entrissen worden, nachdem sie ein Redner der Kundgebung als angebliches Symbol für Pädophilie identifiziert habe. Manuel Cornelius Mittas (im Video rechts) sprach später in einem eigenen Video davon, dass jemand "auf der Bühne so eine Regenbogen­fahne mit diesem Herzchen gebracht" habe, ein "klares Pädophilen- oder Kinderschändersymbol". Davon habe dieser nichts gewusst und Klauninger und er hätten "geistesgegenwärtig reagiert".

Debatte über Herz auf der Flagge

In einem später veröffentlichten längeren Videomitschnitt von Presseservice Wien behauptet der Mann auch auf der Bühne, er sei als "freier Journalist seit fünf Jahren in dieser Thematik drinnen, was Kindesmissbrauch angeht". Bei einem Schloss in der Nähe von Wien seien ähnliche Symbole angesprüht, so der Verschwörungstheoretiker. "Ich habe Hinweise darauf bekommen, dass es auch dort zu rituellem Kindesmissbrauch kommt".

Twitter / KURIERat | Die Szene mit der Regenbogenflagge führte zu vielen Medienberichten
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Unklar blieb, ob der Mann sich auf die Regenbogenflagge an sich bezog und Homosexualität und Pädophilie gleich setzte, oder ob er die Flagge samt Herz meinte (oder schlicht alles) – rechte Kreise in sozialen Netzwerken behaupten inzwischen, der Bezug sei ein Doppelherz gewesen, was als geheimes Symbol für Pädophilie bekannt sei. Auch das scheint mehr Verschwörung als Realität zu sein: Das als Beleg neben weiteren angeblichen Pädophilen-Logos verbreitete Doppelherz-Symbol, oft übrigens beschrieben als "Girllover"-Zeichen, wird durch eine einzelne einfarbene Linie in Abgrenzung zum Hintergrund erzeugt und erinnert mehr an das Langnese-Markenzeichen als an das auf der Regenbogenflagge angebrachte Herz mit mehreren Ringen drum herum in den Farben des Regenbogens. Die zerrissene Flagge mit Herz-Motiv lässt sich aktuell bei mehreren Online-Versandhändlern bestellen; das Herz wird dabei schlicht als Zeichen für Liebe beschrieben und ist auch schlicht ein Herz.


Das auf der Bühne verwendete Herz (r.) und das angebliche "Girllover"-Logo aus einem von Wikileaks veröffentlichten angeblichen FBI-Dokument

Auf der Bühne schien diese Frage keinen Unterschied zu machen. Ein weiterer Bühnenredner sprach in dem längeren, aber noch immer geschnittenen Presseservice-Mitschnitt von der zerrissenen Regenbogenflagge von einem "Symbol dieser Individuen, das sind keine Menschen, wer sich an Kindern vergeht". Klauninger meinte: "Bitte klärt die Menschen auf. Geht raus, sagt ihnen, sie müssen auf Symbole aufpassen (…) Jeder, der so ein Symbol trägt, unterstützt Kinderschänder."

Polizei ermittelt

In sozialen Medien und auch Presseberichten wurde der Vorfall als klar LGBT-feindlich interpretiert. "Meine Solidarität gilt der gesamten LGBTIQ-Community. Ich verurteile jeden Angriff auf sie aufs Schärfste", schrieb Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ) auf Twitter. Der Gemeinderat Peter Kraus kündigte an, den Vorfall der Staatsanwaltschaft zu melden. "Das ist Verhetzung, wenn auf der Bühne gegen eine ganze Gruppe von Menschen gehetzt wird", so der Sprecher der Grünen Andersrum Wien. Die Wiener Polizei gab bekannt, man habe von dem Vorfall Kenntnis erhalten und ihn zur Prüfung auf Volksverhetzung an ein Stadtpolizeikommando übergeben.

An der Kundgebung hatten laut Polizei rund 400 Menschen teilgenommen, darunter gemäß Medienberichten auch einige "Reichsbürger" und Mitglieder der rechtsextremen Identitären Bewegung. Bilder des Protests zeigten Reichsflaggen und Transparente wie "Heimatschutz statt Mundschutz".

Bei Demonstrationen von Gegnern von Corona-Maßnahmen waren zuletzt immer wieder vereinzelte echte Regenbogenflaggen oder häufiger "falsche" wie die aus der Friedensbewegung stammenden Pace-Flaggen aufgetaucht, so bei der "Querdenken"-Demo am letzten Wochenende in Berlin oder vor wenigen Wochen in Darmstadt. In Medien wurden diese Flaggen mehrfach als Regenbogenflaggen im Community-Sinn gedeutet und die Proteste als "bunt" beschrieben. (cw)


 Update  6.9., 14.25h: Reaktion von HOSI Wien

"Die Regenbogenfahne ist das Symbol der LGBTIQ-Bewegung", kommentierte am Sonntag die HOSI Wien. "Sie symbolisiert die Hoffnung auf eine vielfältige Welt ohne Hass und Diskriminierung gegen LGBTIQ-Menschen." Das Zerreißen der Regenbogenfahne sei "ein symbolischer Akt, der sich eindeutig gegen uns und gegen eine Gesellschaft stellt, die für Menschenrechte, Respekt, Akzeptanz und Gleichberechtigung steht. Wir können und wollen solche Taten in unserer Stadt nicht akzeptieren."

Die "Homosexuelle Initiative" kommentierte, man solle angesichts der kleinen Demonstration "die Verhältnisse nicht aus den Augen verlieren" – zur Regenbogenparade im letzten Jahr, der "größten Demonstration in der österreichischen Geschichte", seien 500.000 Menschen gekommen. Dennoch seien die Aussagen bei der "Querdenken"-Kundgebung "unsäglich" gewesen: "Die Gleichsetzung der LGBTIQ-Bewegung mit Pädophilie ist eine alte und haltlose Unterstellung unserer politischen Gegner*innen. Dadurch soll die Angst geschürt werden und billig politisches Kapital geschlagen werden. LGBTIQ-Menschen, sind genauso viel oder wenig pädophil wie heterosexuelle Menschen auch. Den Straftatbestand der Verhetzung sehen wir mit dieser böswilligen Verleumdung als erfüllt und erwarten ein konsequentes Durchgreifen der zuständigen Behörden."

 Update  6.9., 17.05h: Kundgebung gegen Hass am Montag

Der Vienna Pride, die HOSI Wien, SPÖ, Grüne und weitere haben für Montagabend ab 19 Uhr auf dem Wiener Platz der Menschenrechte zu einer Kundgebung "Dem Hass kein Platz" aufgerufen: "Hetze ist keine Meinungsfreiheit. Hass gegenüber LGBTIQ Personen muss mit allen Mitteln der Demokratie bekämpft werden – damit dieser nicht zum schleichenden Gift unserer Gesellschaft wird. Das Zerreißen einer Regenbogenfahne als klares Symbol dieser Community – wie bei der "Querdenker"-Demo am 5.9.2020 in Wien geschehen – ist schlicht inakzeptabel. Wir setzen deshalb ein Zeichen gegen Hass & Hetze und für ein offenes Österreich!"

#1 goddamn liberalAnonym
  • 05.09.2020, 22:10h
  • Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch!

    Dass die Wissenschaftsleugner in Wien, der Jugendstadt Hitlers, aber auch anderswo in antiaufklärerischer dunkeldeutscher Nazi-Tradition stehen, kann nun wirklich niemand verwundern.

    Menschenfeinde stehen nun mal auf dem Kriegsfuß mit der Realität und ihren Mitmenschen.
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#2 KaiJAnonym
  • 05.09.2020, 23:23h
  • Tja, welche Strategie fahren die Rechtsextremen oder wollen sie? Mit Regenbogenfahnen auf der Berliner Demo vermeintlich für Freiheit eintreten bzw. vorgeben Bewegungen dieser Symbole würden sich ihnen zuwenden oder, wie in Wien, bezichtigend die Symbole zerstören und gegen die queere Bewegung so volksverhetzen. Auch aus ihrem Chaos heraus ist Sinn ihres Tuns Verwirrung und Chaos in der Gesellschaft zu stiften und im Kampf gegenüber Sündenböcken als Erlöser gesellschaftlich Macht zu erlangen. Werden wir uns also immer klar in der Analyse der Demokratiefeinde und im Eintreten für Menschenrechte!
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#3 KaiJAnonym
  • 05.09.2020, 23:43h
  • Antwort auf #2 von KaiJ
  • Da die Regenbogenfahne inzwischen gesellschaftlich so untrennbar mit der queeren Bewegung und Freiheit verbunden ist, könnte in der Tat ein Angriff auf diese als Volksverhetzung gesehen werden.
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