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"Futur Drei" ist der queere Film des Jahres!
Das preisgekrönte Regiedebüt von Faraz Shariat ist eine Geschichte über zwei junge Männer, die sich in einer Flüchtlingsunterkunft verlieben – und noch viel mehr: Der junge, unabhängig produzierte Film zeigt, wie gut Kino aus Deutschland sein kann.

Amon (Eidin Jalali) und Parvis (Benjamin Radjaipour) landen zusammen im Bett (Bild: Edition Salzgeber)
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9. September 2020, 02:59h 3 Min.
Das war wohl das erste Mal, sagt der Typ zu Parvis beim Rauchen auf dem Balkon, dass er etwas mit jemandem wie ihm hatte. Parvis schaut verdutzt. Eigentlich stehe er gar nicht auf Ausländer, erklärt er. Auf so haarige, südländische Typen, Türken, Griechen, keine Ahnung. Okay, cool, antwortet Parvis. Er auch nicht auf junggebliebene Kartoffeln.
Dieser Dialog am Ende eines Sexdates, bei dem beide nicht über Verlegenheits-Smalltalk hinausgekommen sind, ist so grotesk, dass er sich wahrscheinlich wirklich so abgespielt hat. Und steht symptomatisch für das Dazwischen, in dem Parvis, Sohn iranischer Einwanderer, steht. "Woher kommst du?", wird er in einem Club gefragt, später muss er seinen Namen mehrmals buchstabieren. Seine Eltern sind vor 30 Jahren nach Deutschland gekommen, haben sich etwas aufgebaut, einen kleinen Supermarkt übernommen. Doch sind sie angekommen? Und ihre Kinder?
Authentische Geschichten aus queeren und migrantischen Kontexten
Parvis (Benjamin Radjaipour) muss 120 Sozialstunden beim Roten Kreuz ableisten, weil er geklaut hat. Mit Musik im Ohr tänzelt er zu der Unterkunft für Geflüchtete, wo er auch als Übersetzer helfen soll. Dort fällt er mit seinen blond gefärbten Haaren, der High-Waist-Jeans und den engen Oberteilen sofort auf. Vor allem aber hat er Augen für Amon (Eidin Jalali), der dort mit seiner Schwester Banafshe (Banafshe Hourmazdi) lebt. Die drei freunden sich an, feiern wilde Partys, genießen ihr Leben, als liege ihnen die Welt zu Füßen, und schließlich kommen sich auch die zwei jungen Männer näher. Amon überfordert das.
"Futur Drei", unabhängig und im Kollektiv produziert, hat einen erstaunlichen Entstehungsprozess hinter sich. Der Film basiert auf autobiografischen Erlebnissen des Regisseurs Faraz Shariat. Das zeigt sich etwa in den authentischen Original-VHS-Aufnahmen oder darin, dass seine Eltern Parvis' Eltern spielen. Doch auch während der dreijährigen Suche nach der richtigen Besetzung haben die Filmemacher*innen Geschichten aus queeren und (post-)migrantischen Kontexten mitaufgenommen.
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Die Rimming-Szene!

Poster zum Film: "Futur Drei" startet am 24. September 2020 regulär im Kino und ist zuvor bereits im Rahmen der Queerfilmnacht zu sehen
Das Ergebnis ist eine Geschichte, wie sie im deutschen Kino immer noch selten zu sehen ist: Sie verhandelt Fragen der ersten und zweiten Einwanderergeneration und von Geflüchteten rund um die Komplexe Ankunft, Unsicherheit, Erwartungen und Identität – und bewegt sich dabei fernab der Klischees, die sonst so zu sehen sind. Da wird schwuler Sex gezeigt, wie er (auch) ist (die Rimming-Szene!), da spielen Geflüchtete auch mal ohne Kopftuch mit, da geht es nicht um Mitleid oder Betroffenheit oder billige Lacher. Da geht's ums Leben.
Doch nicht nur erzählerisch ist "Futur Drei" großes Kino – übrigens ganz ohne dick aufzutragen. Der Film findet einen visuellen Stil, der mal explizit, mal träumerisch und insgesamt so vielfältig wie der Film selbst ist, aber sich nicht in Spielereien verrennt – und der aufgeht. Da wirkt nichts prätentiös. Wenn die ebenso stilistisch in großer Bandbreite vorhandene Musik laut wird, alles andere übertönt und konzis in elliptischen Bildern erzählt wird, erinnert das an Xavier Dolan.
"Futur Drei" ist ohne Zweifel der queere Film des Jahres. Ein Film, der die Kraft hat, etwas anzustoßen, der einen hoffen lässt auf mehr solcher Geschichten, auf mehr Vielfalt und Abwechslung. Ein Film wie ein Ausrufezeichen: So sieht Kino heute aus!
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Futur Drei. Drama. Deutschland 2020. Regie. Faraz Shariat. Darsteller*innen: Benjamin Radjaipour, Banafshe Hourmazdi, Eidin Jalali. Laufzeit: 92 Minuten. Sprache: Originalfassung in Deutsch und Farsi, teilweise mit deutschen Untertiteln. FSK 16. Verleih: Edition Salzgeber. Kinostart: 24. September 2020. Zuvor läuft der Film im September bereits in der Queerfilmnacht
Links zum Thema:
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