Opfer der Bewegung von Martsinkewitsch (r.) wurden geschlagen und getreten, teilweise wurden sie rasiert, mit Farbe übergossen, bemalt oder mussten mit Dildos posieren. Dann wurde die Prozedur als unverpixeltes Videos verbreitet
Der russische Neonazi Maxim Martsinkewitsch (Spitzname "Tesak", Hackbeil) ist am Mittwochmorgen Medienberichten zufolge leblos in einer Gefängniszelle in der Stadt Tscheljabinsk aufgefunden worden. Das Gefängnis teilte mit, Wiederbelebungsversuche seien erfolglos geblieben und man gehe von einem Suizid aus. Es gibt unterschiedliche Berichte, ob er einen Abschiedsbrief an seine Frau hinterlassen hat oder nicht.
Der 36-Jährige hatte 2013 weltweite Schlagzeilen gemacht als Anführer einer Gruppe mit dem irreführenden Titel "Occupy Pedophilia", die schwule Männer in Online-Kontaktforen in eine Falle lockte und mit Gewaltanwendungen in Videos für soziale Netzwerke öffentlich erniedrigte (queer.de berichtete). Martsinkewitsch beteiligte sich selbst an mehreren der Taten. Nach diesem Vorbild hatten sich für einige Zeit weitere homofeindliche "Selbstjustiz"-Gruppen in mehreren Teilen Russlands und einigen Ex-Ostblock-Staaten gebildet.
Um die Bewegung wurde es später ruhiger: Zum einen löschten Betreiber wie Youtube entsprechende Videos und Kanäle, zum anderen kam es zumindest gegen einige Gruppen zu strafrechtlichen Ermittlungen und, etwa im Fall einer besonders berüchtigten "Occupy Pedophilia"-Gruppe aus Kamensk-Uralski, zu mehrjährigen Haftstrafen (queer.de berichtete). Bei diesem Prozess gegen insgesamt neun Männer ging es spezifisch um Gewalt gegen Schwule.
Auch Martsinkewitsch war 2014 zu fünf Jahren Haft verurteilt worden. Die Staatsanwaltschaft hatte ihn wegen eines Folter-Videos wegen "Anstiftung zu Hass, Feindschaft oder Erniedrigung der Menschenwürde" angeklagt und aus Kuba, wohin er geflohen war, ausliefern lassen (queer.de berichtete). Im Verfahren ging es primär um Rassismus in einem der Videos, auch wenn das Opfer zugleich wegen seiner Homosexualität gedemütigt wurde. Die Strafe wurde später auf zwei Jahre und zehn Monate reduziert. Der frühere Leiter der rechtsextremen Kampfgruppe "Format 18" hatte bereits ab 2007 wegen Anstiftung zum Hass für dreieinhalb Jahre im Gefängnis gesessen.
Martsinkewitsch stand 2017 erneut wegen insgesamt acht Folter-Video-Angriffen aus den Jahren 2013 und 2014 mit weiteren Mitstreitern vor Gericht. Mit der Gruppe "Occupy Narcophilia" hatten sie auch Jagd auf vermeintliche Drogendealer gemacht und in den Videos Elektroschocker, Reizgas und Metallrohre eingesetzt, eines der Opfer war später seinen Verletzungen erlegen. Martsinkewitsch wurde unter anderem wegen schwerer Körperverletzung, Raubes, Volksverhetzung und Entwürdigung von Menschen zu zehn Jahren Lagerhaft verurteilt. Im nächsten Jahr hätte er einen Antrag auf vorzeitige Haftentlassung stellen können.
Zum Zeitpunkt seines Todes war er nicht in dem Straflager in der Republik Karelien untergebracht, sondern in einer Untersuchungshaft-Zelle, um nach Moskau verlegt zu werden. Dort sollte Medienberichtenzufolge eine neue Anklage gegen ihn wegen Verbrechen aus den Neunzigern vorbereitet werden, darunter Mord. Martsinkewitschs Anwalt sagte, er glaube nicht an Selbstmord. Sein Mandant habe von Folter und erzwungenen Geständnissen zu den nun vorgeworfenen Taten berichtet. (nb)
ergänzt um Passagen im letzten Absatz