Der Landtag von Rheinland-Pfalz hat am Donnerstagnachmittag mit den Stimmen von SPD, CDU, FDP und Grünen die Lockerung des faktischen Blutspendeverbots für schwule und bisexuelle Männer sowie trans Menschen gefordert. Nur die AfD-Fraktion stimmte dagegen.
Der Antrag (PDF) war von den drei Regierungsfraktionen der Ampelkoalition eingebracht worden. Darin wird die Landesregierung aufgefordert, sich für "diskriminierungsfreie und grundgesetzkonforme" Regelungen einzusetzen, die nur das "individuelle Risikoverhalten" berücksichtigen.
Der Hintergrund: 2017 war zwar das grundsätzliche Spendeverbot für Männer, die Sex mit Männern haben, aufgehoben worden. An seine Stelle trat aber eine zwölfmonatige Karenzzeit, in der spendewilligen schwulen und bisexuellen Männern jegliche sexuelle Aktivität untersagt wurde. Diese Regelung wurde von LGBTI- und Aids-Aktivist*innen scharf kritisiert (queer.de berichtete). Andere europäische Länder – etwa Spanien oder Italien – betrachten bei der Auswahl der Blutspender*innen dagegen nicht die sexuelle Orientierung der Spendewilligen, sondern das tatsächliche Risikoverhalten. Manche Länder haben auch kürzere Sexverbote – in Dänemark sind es etwa vier Monate, in den USA drei Monate.
Die knapp 40-minütige Aussprache wurde vom SPD-Politiker Sven Lefkowitz eröffnet. "Es ist an der Zeit, einen gesellschaftlichen Anachronismus zu beenden", so begann der 52-Jährige seine Rede. Er beklagte die Unterversorgung bei Blutprodukten in Deutschland und erklärte, das Blutspendeverbot für Männer, die Sex mit Männern haben, sei "nicht mehr zeitgemäß". Ob jemand geeignet sei, Blut zu spenden, habe mit dem "tatsächlichen Risikoverhalten" zu tun, nichts mit der "Gruppenzugehörigkeit" des Spenders. Er sprach sich daher gegen einen "willkürlichen Ausschluss von bestimmten Personengruppen" aus.
Michael Wäschenbach (CDU) erklärte in einer technokratischen Rede, der Regierungsantrag hätte konkreter sein können. Außerdem habe die Bundesregierung schon längst eine Arbeitsgruppe gegründet, die das Thema behandle. Dabei ist aber keine Gleichbehandlung, sondern eine Verkürzung des Sexverbots auf vier Monate im Gespräch (queer.de berichtete). Trotz der Bedenken werde seine Fraktion dem Antrag zustimmen.
AfD: Blutspendeverbot ist keine Diskriminierung
Die AfD-Politikerin Sylvia Groß sah das ganz anders. Homosexuelle praktizierten Anal-Sex – und das sei gefährlich, so die diverse Statistiken zu "Risikogruppen" zitierende Rechtspopulistin. Außerdem werde im Ampel-Antrag "unterstellt", dass es sich bei der gegenwärtigen Regelung um Diskriminierung handle. In Wirklichkeit habe aber niemand einen Nachteil, der von der "altruistischen Blutspende" ausgeschlossen werde. Die Rede ist keine Überraschung, da Groß offenbar jegliche den Rechtspopulisten verhasste Gruppe als Gesundheitsgefahr für Deutsche ansieht – so warnt die Ärztin etwa auch gerne vor der angeblich schwerwiegenden Infektionsgefahr durch Flüchtlinge.
Der nachfolgende Redner Steven Wink (FDP) betonte dagegen sein Unverständnis über die augenblickliche Regelung. "Ein Mann, der seit Jahren in einer glücklichen mongamen Beziehung mit einem anderen Mann lebt und sich auf sexuell übertragbare Krankheiten hat testen lassen, ist vom Blutspenden ausgeschlossen", referierte der 36-Jährige. Warum ist dies anders als bei Heterosexuellen, fragte er. Denn: "Nicht nur homosexuelle Menschen experimentieren im Schlafzimmer." Niemand dürfe "wegen homo- bi- oder pansexueller Identität" ausgeschlossen werden. Daher sprach er sich für eine "diskriminierungsfreie Regelung" aus.
Diskriminierung findet "immer weniger Akzeptanz"
Katharina Binz (Grüne) beklagte anschließend, dass die gegenwärtige Regelung die "sinkende Spendebereitschaft" noch beschleunigen könne. Denn insbesondere unter jungen Menschen stoße derartige Diskriminierung auf "immer weniger Akzeptanz". Und auch junge Heterosexuelle würden dann vom Spenden Abstand nehmen. "Diese Auswirkungen sind nicht gut", so Binz. Daher müsse der "pauschale Ausschluss" überdacht werden. Die Vorstellung, dass Homosexuelle "grundsätzlich ein riskantes Sexualverhalten" hätten, sei schlicht falsch.
Die fraktionslose Abgeordnete Gabriele Bublies-Leifert nannte den Antrag "überfällig", weil Diskriminierung Homosexueller im 21. Jahrhundert unzeitgemäß sei. Die augenblicklich von Homosexuellen geforderten zwölf Monate Enthaltsamkeit seien unrealistisch. "Das schafft ja oft nicht mal ein katholischer Priester", scherzte die Hundezüchterin. Die 53-Jährige war einst über die AfD-Landesliste ins Parlament eingezogen, hat aber 2019 wegen der Nähe der Partei zum Rechtsextremismus die Fraktion verlassen.
Als letzte Rednerin mahnte Landesgesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD) einen "diskriminierungsfreien Zugang" zur Blutspende an, ohne die Sicherheit zu gefährden. Die gegenwärtige Regelung, das zwölfmonatige Sex-Verbot, sei aber ein "verklausulierter Dauerausschluss" und entspreche nicht der Lebenswirklichkeit.
In diesem Jahr haben bereits mehrere weitere Landtage ein Ende der Diskriminierung sexueller und geschlechtlicher Minderheiten bei Blutspenden gefordert – neben Niedersachsen und dem Saarland auch die Parlamente von Nordrhein-Westfalen und Hessen.