Das Europaparlament hat mit Blick auf die Lage der Rechtsstaatlichkeit in Polen den Europäischen Rat dringend zum Handeln aufgerufen. In einer am Donnerstag verabschiedeten Entschließung zeigten sich die Abgeordneten besorgt über die Unabhängigkeit der Justiz sowie die Lage von LGBTI in Polen. Der Europäische Rat ist das Gremium der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union.
Polen steht insbesondere wegen einer Reihe von umstrittenen Justizreformen seit Jahren in Brüssel am Pranger. Die EU-Kommission wirft der rechtsnationalen Regierung in Warschau vor, die Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit von Richtern zu beschneiden. Ebenso besorgt reagierten andere Mitgliedsstaaten auf die Einrichtung von sogenannten "LGBT-freie Zonen" in vielen konservativen Regionen und Kommunen Polens.
Bereits im Dezember 2017 leitete die EU-Kommission ein Strafverfahren gegen Polen ein. Das Verfahren, das theoretisch zu Sanktionen bis hin zur Aussetzung des Stimmrechts führen kann, kommt jedoch nicht voran. Die letzte Anhörung der polnischen Behörden durch die EU fand im Dezember 2018 statt.
Lage der Rechtsstaatlichkeit in Polen "ernsthaft verschlechtert"
Die Parlamentarier*innen riefen den Rat auf, die Anhörungen "so schnell wie möglich" wieder aufzunehmen. Seit Beginn des Verfahrens habe sich die Lage der Rechtsstaatlichkeit "ernsthaft verschlechtert". Die Missachtung der Unabhängigkeit der Justiz und der LGBTI-Rechte sei ein "überwältigender Beweis" für die Verletzung europäischer Werte.
513 Abgeordnete stimmten für die Resolution, 148 dagegen, 33 enthielten sich. Ihr war eine Debatte am Montag vorausgegangen (queer.de berichtete). Die Resolution beklagt unter anderem, dass sich seit der EU-Resolution gegen "LGBT-freie Zonen" aus dem letzten Dezember die Lage nicht verbessert, sondern mit der Rhetorik im Präsidentschaftswahlkampf oder dem angekündigten Ausstieg aus der Istanbul-Konvention noch verschlechtert habe. Gemeinden dürften als Fördermittel-Empfänger und als Arbeitgeber nicht diskriminieren.
Bereits am Mittwoch hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in ihrer "State of the European Union"-Rede LGBTI-Feindlichkeit in Polen scharf kritisiert und eine europäische Strategie angekündigt, um die Rechte queerer Menschen zu stärken (queer.de berichtete). Am Dienstag hatten LGBTI-freundliche Abgeordnete vor dem EU-Parlament für mehr Solidarität der Union mit der queeren Bevölkerung in Polen demonstriert (queer.de berichtete). (cw/AFP)