Friedrich Merz versucht offenbar wieder einmal, mit Homophobie Anhänger*innen zu gewinnen (Bild: Screenshot bild.de)
Der CDU-Politiker Friedrich Merz hat am Sonntagabend in einem "Bild Live"-Interview Homosexualität mit Kindesmissbrauch in Zusammenhang gebracht. Das führte zu scharfer Kritik in sozialen Medien.
In der Talkshow "Die richtigen Fragen" sprach Moderator Kai Weise den ehemaligen Unionsfraktionschef auf seinen homophoben "Witz" über Klaus Wowereit aus dem Jahr 2001 an. Damals hatte Merz die Homosexualität des damaligen Berliner Stadtchefs Klaus Wowereit mit den Worten kommentiert: "Solange der Wowereit sich mir nicht nähert, ist mir das egal." Dies stieß auf Kritik, da Merz Homosexualität mit unerwünschten sexuellen Übergriffen vermischte.
Merz wiederholte gegenüber "Bild Live" eine Aussage vom Juli, wonach er diesen "Witz" heute nicht mehr machen würde (queer.de berichtete). Er beharrte aber darauf, dass diese 19 Jahre alte Aussage nicht beleidigend gewesen sei. Dann fuhr er fort: "Die Frage der sexuellen Orientierung geht die Öffentlichkeit nichts an. Solange sich das im Rahmen der Gesetze bewegt und solange es nicht Kinder betrifft – an der Stelle ist für mich allerdings eine absolute Grenze erreicht -, ist das kein Thema für die öffentliche Diskussion." Moderator Wiese ging in der weiteren Sendung auf diese anlasslose Assoziierung von Homosexualität und sexuellem Missbrauch von Kindern durch Merz nicht ein.
Dafür hagelte es in sozialen Netzwerken Kritik. Journalist Julius Betscka vom "Tagesspiegel" kommentierte etwa: "Wenn du bei der Frage, ob ein schwuler Kanzler für dich okay wäre, nach Deinem antrainierten 'Geht niemanden was an' sofort an Pädophilie denken musst, denkst du leider komplett homophob."
Sogar die Lesben und Schwulen in der Union (LSU), die sonst eher zurückhaltend bei der Kritik von Parteifreunden sind, zeigten sich empört: Die LSU arbeitet seit ihrer Gründung gemeinsam mit vielen anderen Menschen in diesem Land hart daran, den immer wieder hergestellten, aber nicht vorhandenen Zusammenhang zwischen Homosexualität und Pädophilie aus den Köpfen zu bekommen", so LSU-Bundeschef Alexander Vogt. "Darum bin ich maßlos darüber verärgert, dass Herr Merz diese beiden Begriffe öffentlich und ohne Not miteinander verknüpft hat. Das war heute früh wie eine kalte Dusche für uns."
Empörung kommt auch aus den Oppositionsparteien: "Nichts Neues bei Ex-Blackrock-Bonze Merz", so kommentierte Daniel Bache, der Bundessprecher von Die Linke.queer die Äußerung. Merz sei mit seiner Homophobie ein "Wiederholungstäter". Das grüne Bundesvorstandsmitglied Jamila Schäfer twitterte: "Hier wird Homosexualität in Zusammenhang mit Kindesmissbrauch erwähnt. Ressentiments, die in den 1980er Jahren weit verbreitet waren, sind in Friedrich Merz' Kopf auch 2020 noch weit verbreitet. Gruselig!"
Am weitesten ging die Kritik des bayerischen FDP-Fraktionschefs Martin Hagen, der in zwei Tweets einen Bezug zwischen Homophobie und Antisemitismus herstellte: "Dass Schwule eine latente Gefahr für Kinder darstellen, gehört zu den besonders bösartigen homophoben Erzählungen. […] Man stelle sich vor, ein Politiker würde gefragt, ob er Probleme mit einem jüdischen Kanzler hätte, und die Antwort wäre: 'Religion ist Privatsache. Solange die Person keine Brunnen vergiftet – an der Stelle ist für mich eine Grenze erreicht.'"
Merz-Pressesprecher weist Vorwürfe zurück
Merz' Pressesprecher Armin Peter wies die Anschuldigungen jedoch empört zurück: "Diese Behauptung ist bösartig und schlicht falsch", erklärte er am Montagmorgen auf Twitter. "Friedrich #Merz hat gesagt: 'Die sexuelle Orientierung geht die Öffentlichkeit nichts an, solange sie sich im Rahmen der Gesetze bewegt und solange es nicht Kinder betrifft'. Das gilt also für Heteros, Homos und alle anderen."
Freilich ignoriert Peter, dass Schwule sich besonders oft den Vorwurf anhören müssen, Kinder sexuell zu missbrauchen – und nie ein Heterosexueller wegen seiner sexuellen Orientierung in die Nähe von Kindesmissbrauch gerückt wird. So steht derzeit etwa der homophobe Kasseler Professor Ulrich Kutschera vor Gericht, der zuvor über ein "Horror-Kinderschänder-Szenario" gesprochen hatte (queer.de berichtete).
Die homophoben Aussagen von Merz überraschend wenig, da er in seiner politisch aktivsten Zeit zum Jahrtausendwechsel gegen Schwule und Lesben polemisiert hatte. So bezeichnete er 2000 den rot-grünen Plan für eingetragene Partnerschaften als Angriff auf die heterosexuelle Familie. "Rot-Grün beabsichtigt mit dieser Neuregelung ganz offensichtlich eine grundlegende Umwälzung gesellschaftlicher Strukturen", warnte er damals in der Debatte um das Gesetz. Er warf verpartnernden Homosexuellen sogar vor, den Schutz von Ehe und Familie "auszuhöhlen".
Merz will beim Anfang Dezember geplanten CDU-Bundesparteitag Annegret Kramp-Karrenbauer als CDU-Vorsitzende ablösen. Neben dem 64-Jährigen tritt auch der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet und der frühere Bundesumweltminister Norbert Röttgen. Alle drei Kandidaten hatten in der Vergangenheit auch mit Homosexuellenfeindlichkeit Politik gemacht (queer.de berichtete). (dk)
14.27 Uhr: Artikel mehrfach aktualisiert
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