CDU-Vize Julia Klöckner hat den für den Parteivorsitz kandidierenden Friedrich Merz nach dessen homofeindlicher Äußerung verteidigt. "Weder Friedrich Merz noch Armin Laschet oder Norbert Röttgen haben Ansichten aus dem vergangenen Jahrhundert", sagte die Landwirtschaftsministerin dem "Mannheimer Morgen" (Donnerstag). "Wir als Christdemokraten sind in der Mitte der Gesellschaft verankert. Ob jemand homosexuell oder heterosexuell ist – danach wird bei uns aus gutem Grund nicht geurteilt."
Merz war am Sonntag in der Internetsendung "Bild live" gefragt worden, ob er Vorbehalte hätte, wenn heute ein Schwuler Bundeskanzler würde. "Nein", sagte der ehemalige CDU/CSU-Fraktionschef im Bundestag. Auf die Nachfrage, ob das für ihn völlig normal wäre, fügte er hinzu: "Über die Frage der sexuellen Orientierung, das geht die Öffentlichkeit nichts an. Solange sich das im Rahmen der Gesetze bewegt und solange es nicht Kinder betrifft – an der Stelle ist für mich allerdings eine absolute Grenze erreicht – ist das kein Thema für die öffentliche Diskussion" (queer.de berichtete).
Klöckner spielt Entgleisung herunter
Für den Kommentar erntete Merz auch aus den eigenen Reihen scharfe Kritik – etwa von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU): "Wenn die erste Assoziation bei Homosexualität Gesetzesfragen oder Pädophilie ist, dann müssen Sie eher Fragen an Friedrich Merz richten", hatte Spahn am Montag gesagt. LSU-Chef Alexander Vogt zeigte sich auf Facebook "maßlos darüber verärgert", dass der Möchtegern-Parteichef Homosexualität und Pädophilie "öffentlich und ohne Not miteinander verknüpft hat. Das war heute früh wie eine kalte Dusche für uns".
Merz dagegen behauptete in einem "Welt"-Interview, seine Äußerungen seien "böswillig" falsch interpretiert worden (queer.de berichtete). Auch Klöckner versuchte im "Mannheimer Morgen", die homofeindliche Entgleisung herunterzuspielen: "Dazu ist alles gesagt. Friedrich Merz hat im Nachgang zu Recht klargestellt, dass er hier keinesfalls eine Vermischung oder Gleichsetzung von Homosexualität und Kindesmissbrauch im Sinn hatte."
Bereits am Dienstag hatte sich Merz' Konkurrent um den Parteivorsitz, NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, zum Thema geäußert, ohne jedoch wirklich Stellung zu beziehen. "Es spielt im Jahr 2020 wirklich keine Rolle mehr, wer wen liebt", antwortete er auf die Nachfrage eines Journalisten (queer.de berichtete). "Das ist Konsens in unserer Gesellschaft, und das ist auch Konsens einer modernen Volkspartei."
Klöckner spielte LGBTI-Rechte gegen Sicherheit aus
In ihrer politischen Karriere ist Julia Klöckner kaum als Unterstützerin von LGBTI-Rechten aufgefallen. Im vergangenen Jahr verteidigte sie etwa Annegret Kramp-Karrenbauers respektlosen "Witz" über "Toiletten für das dritte Geschlecht" bei einer Karnevals-Rede. " Über Männer werden Witze gemacht, über Frauen werden Witze gemacht. Wer keine Witze übers dritte Geschlecht macht, weil es um das dritte Geschlecht geht, diskriminiert es", meinte die Landwirtschaftsministerin dazu in einen Tweet (queer.de berichtete).
Als Oppositionsführerin in Rheinland-Pfalz hatte sich die CDU-Politikerin als Befürworterin des Ehe-Verbots für Schwule und Lesben profiliert und sogar Homo-Rechte gegen das Thema Sicherheit ausgespielt: So meinte Klöckner 2016 im Landtag, dass es einem Familienvater, der bei einem Einbruch zwei Stunden auf die Polizei warten müsse, nichts nutze, dass Rheinland-Pfalz "bundesweit die erste Landesbeauftragte für gleichgeschlechtliche Lebensbeziehungen und Geschlechteridentität hat" (queer.de berichtete).
Im Interview mit queer.de behauptete Klöckner 2013 zudem, es gebe widersprüchliche Studien zur Eignung von gleichgeschlechtlichen Paaren als Eltern. Damals sagte sie: "Sicher, zu der einen wie zur anderen Position gibt es Studien. Im Zweifelsfall tendiere ich dazu, dass das Aufwachsen mit zwei verschiedenen Rollen geeigneter für die Entwicklung des Kindes sein kann." Tatsächlich sagen aber so gut wie alle Studien aus, dass die sexuelle Orientierung der Eltern keinen Unterschied für ein Kind macht. (mize/dpa)