US-Präsident Donald Trump will am Samstag bekannt geben, wen er als Nachfolgerin für die Juristin Ruth Bader Ginsburg am Supreme Court nominieren will. Die liberale Ikone war am letzten Freitag im Alter von 87 Jahren gestorben (queer.de berichtete). Trump hatte angekündigt, ihr Amt mit einer Frau zu besetzen.
Die Nominierung muss im Senat bestätigt werden, wo die Republikaner die nötige Mehrheit haben (nach einer Änderung aus der Trump-Zeit reichen 51 statt 60 der 100 Stimmen). Die Ankündigung der Republikaner, den Vorschlag des Präsidenten durchzuwinken, hatte zu viel Medienkritik und Empörung bei den Demokraten gesorgt: Vor vier Jahren hatten die Republikaner eine Obama-Nominierung mit Verweis auf die anstehende Wahl über Monate blockiert und den Posten letztlich praktisch gestohlen. Trump konnte so den erzkonservativen Hardliner Neil Gorsuch ans Höchstgericht schicken.
Mit Brett Kavanaugh konnte Trump ein Jahr später einen weiteren Hardliner durchsetzen. Im oft nach Parteilinien entscheidenden Gericht herrscht seitdem eine konservative 5:4-Mehrheit, wobei der konservative Chief Justice John Roberts als um einen unabhängigen Ruf bemühtes Zünglein an der Waage noch für gelegentliche liberale Urteile sorgt. Mit der dritten Trump-Ernennung gäbe es aber bis auf weiteres eine rechte 6:3-Mehrheit – die Richter*innen sind auf Lebenszeit ernannt.
Twitter / therecount | Trump wurde am Sarg von Bader Ginsburg ausgebuht und mit "Wählt ihn ab"-Rufen begleitet. Die Richterin hatte laut ihrer Enkelin als wichtigsten letzten Wunsch geäußert, dass ihre Nachfolge erst nach der Wahl geregelt werde
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Kritiker*innen befürchten Einschränkungen bei LGBTI- und weiteren Menschen-Rechten, ebenso beim Thema Abtreibung – teilweise stehen wichtige Grundsatzentscheidungen an. Bei einem knappen Ausgang der Präsidentschaftswahl mit gerichtlichen Anfechtungen könnte der Supreme Court Trump auch den Sieg geben, ähnlich wie im Fall Bush v. Gore vor 20 Jahren.
Im Juni entschied der Supreme Court zwar mit den konservativen Stimmen von Gorsuch und Roberts, dass ein altes Bundesgesetz über das Merkmal "Geschlecht" auch Homo- und Transsexuelle vor Diskriminierung im Arbeitsleben schützt (queer.de berichtete). Das schützt aber nicht vor möglichen späteren Abwägungen mit der gerade bei konservativen Richtern beliebten "Religionsfreiheit", es schützt nicht vor einer gegenteiligen Interpretation zu anderen Antidiskriminierungsregelungen etwa im Zivilrecht oder Bildungsbereich. Viele Fragen sind noch ungeklärt, viele LGBTI-Rechte noch nicht abgesichert: Müssen evangelikale Schulen trans Schüler anerkennen? Müssen katholische Bäcker Hochzeitskuchen für schwule (Ehe-)Paare backen? Darf der Staat selbst "Religionsfreiheit" über LGBTI-Personen stellen? Darf er Transsexuelle aus dem Militär entlassen?
Die derzeit am meisten genannten Kandidatinnen für die Ginsburg-Nachfolge lassen zu diesen Fragen schlimme Ansichten erahnen.
Amy Coney Barrett: Die 48-Jährige gilt aktuell als wahrscheinlichste Kandidatin für die Ginsburg-Nachfolge – sie könnte durch ihr junges Alter die Richtung des Gerichts über Jahrzehnte mitbestimmen. Trump hatte sie bereits bei der Besetzung der vergangenen Position im Obersten Gericht 2018 in die engere Auswahl genommen. Die Katholikin gilt als klare Gegnerin der Abtreibung und Ehe für alle, was sie zu einer Favoritin für erzkonservative Kreise macht. Bei der Anhörung im Senat für ihre aktuelle Position als Richterin an einem Berufungsgericht 2017 versicherte sie, dass sie sich nur vom Gesetz und nicht von ihrem Glauben leiten lassen werde. Sie gilt als Anhängerin der rechtlichen Theorie, dass die US-Verfassung nach ihrer ursprünglichen Bedeutung ausgelegt und nicht neu interpretiert werden sollte.
Die queere Human Rights Campaign nannte Coney Barrett eine "absolute Bedrohung für LGBTQ-Rechte". Sie hatte früher offen gelassen, ob sie Supreme-Court-Urteile etwa zu Abtreibung oder LGBTI-Rechten als verbindlich ansehe, hatte das Urteil zur Öffnung der Ehe als Übertretung der Gerichtskompetenzen abgelehnt und früher betont, dass Ehe und Familie auf der "unauflöslichen Verbindung eines Mannes und einer Frau" basierten, und von der "Bedeutung der sexuellen Differenz und der Komplementarität von Männern und Frauen" gesprochen. Sie betonte, dass eine Ausweitung eines bundesweiten Gesetzes gegen Diskriminierung auf Transpersonen über das Merkmal "Geschlecht" dessen textlichen Sinn überspanne, und sie misgenderte trans Frauen, als sie zu einem auf das Gericht zukommenden Streit betonte: "Die Menschen werden auf beiden Seiten leidenschaftlich darüber sein, ob physiologische Männer, die sich als Frauen identifizieren, in Toiletten zugelassen werden sollten, insbesondere wenn junge Mädchen anwesend sind."
In Kritik geriet sie auch, weil sie eine von der Organisation "Alliance Defending Freedom" finanzierte Rede hielt. Die Organisation gilt als die vielleicht queerfeindlichste Lobby in den USA, erstreitet etwa Grundsatzurteile gegen LGBTI-Rechte im In- und Ausland und kämpft sogar für die Kriminalisierung von Homosexualität.
Barbara Lagoa: Die 52-Jährige ist Tochter von Flüchtlingen aus Kuba und wuchs in einem Vorort von Miami auf. Sie wurde erst im vergangenen Jahr auf einen Richter*innenposten an einem Berufungsgericht ernannt – und bekam dabei im aktuell oft nach Parteizugehörigkeit gespaltenen Senat eine klare Mehrheit von 80 Stimmen. Für Debatten sorgte erst jüngst ein Urteil ihres Gerichts, das sie als Teil der Mehrheit von sechs Richter*innen unterstützte, wonach Verurteilte erst ihnen auferlegte Strafen bezahlen müssen, bevor sie wählen dürfen. Das Florida Family Policy Council, eine Lobby-Gruppe gegen Abtreibung und LGBTI-Rechte, bescheinigte der praktizierenden Katholikin unterstützend eine "konservative Rechtsphilosophie".
Joan Larsen: Während der Amtszeit von Präsident George W. Bush arbeitete die 51-Jährige im Justizministerium. Dort soll sie im Jahr 2002 – in der Hochzeit des "Kriegs gegen den Terror" – unter anderem Mitautorin eines immer noch geheimen Dokuments gewesen sein, in dem es um (Einschränkung der) Rechte festgehaltener Personen ging. Nach dem Job in Washington unterrichtete Larsen rund ein Jahrzehnt Recht an der University of Michigan – in Aufsätzen kritisierte sie etwa die Entscheidung des Supreme Court zur Öffnung der Ehe mit Verweis auf eine strikt am Text angelehnte Auslegung der Verfassung. 2017 wurde sie zur Richterin an einem Berufungsgericht ernannt – dort enschied sie entgegen dem Sinne des Supreme-Court-Urteils gegen eine Berufung einer lesbischen Mutter, die vergeblich eine Elternschaftsanerkennung nach einem Gesetz für Eheleute verlangte.
Allison Rushing: Die Ernennung der 38-Jährigen zur Berufungsrichterin im vergangenen Jahr hatte eine Kontroverse ausgelöst. Die Leadership Conference on Civil & Human Rights, ein Verbund von Bürgerrechte-Organisationen, kritisierte sie als "ideologische Extremistin" – unter anderem weil sie für ihre Ablehnung gleichgeschlechtlicher Ehen bekannt ist. Sie wurde nur mit den 53 Stimmen der Republikaner im Senat bestätigt. Zuvor arbeitete Rushing als Anwältin und vertrat für ihre Kanzlei unter anderem den Gründer des Darknet-Marktplatzs "Silk Road", Ross Ulbricht, bei dessen erfolglosem Gang vors Oberste Gericht. Zudem arbeitete sie mehrfach für die Anti-LGBTI-Organisation "Alliance Defending Freedom".
Kate Comerford Todd: Die 45-Jährige gehört aktuell zu den wichtigsten Juristen im Weißen Haus. Im Gegensatz zu den anderen Kandidatinnen war sie noch nie in einem Richteramt. Insofern gibt es auch keine Gerichtsurteile, die auf ihre Positionen schließen ließen. Sie war aber Gerichtsschreiberin für den konservativen Verfassungsrichter Clarence Thomas. Todd schloss die Cornell University und die Harvard Law School ab. Vor dem Weißen Haus arbeitete sie unter anderem als Anwältin für die US-Handelskammer. (nb/dpa)