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Heimkino

Absolut sehenswert: "The Boys in the Band" auf Netflix

Vor allem Jim Parsons, Robin de Jésus und Michael Benjamin Washington brillieren in der Neuverfilmung des schwulen Theaterstücks von 1968 über eine Geburtstagsparty im Freundeskreis, die aus dem Ruder läuft.


Für die Neuverfilmung von"The Boys in the Band" hat Netflix erstmals einen rein schwulen Cast engagiert (Bild: Netflix)

Eine Bühne voller schwuler Männer, das war 1968 noch eine skandalträchtige Sensation. Damals feierte das Theaterstück "The Boys in the Band" in New York Premiere, geschrieben von Mart Crowley, der damals anders als Zeitgenossen wie Tennessee Williams oder Edward Albee das Thema Homosexualität nicht verklausuliert, sondern ganz unmittelbar und direkt anging. Und das, trotz großer Aufregung, mit beachtlichem Erfolg (und sogar einer ersten Verfilmung durch William Friedkin 1970). Zum 50. Jubiläum holten Produzent Ryan Murphy und Regisseur Joe Mantello das Stück am Broadway zurück auf die Bühne – und haben es nun auch verfilmt, wie aktuell bei Netflix zu sehen ist.

Mantello, als Schauspieler zuletzt auch in "Hollywood" zu sehen und sonst vor allem am Theater als Regisseur aktiv, hat sich für den Film nicht nur eng an Crowleys Stück, sondern auch an die eigene Bühneninszenierung gehalten. Modernisierungen und andere Veränderungen sucht man quasi vergeblich, sieht man einmal davon ab, dass er seine Figuren anfangs sämtlich in Alltagsmomenten in den Straßen New Yorks einführt.

Die Gespräche haben es in sich

Ansonsten schreiben wir auch weiterhin das Jahr 1968, der Schauplatz ist das zweistöckige Apartment (samt Terrasse) von Michael (Jim Parsons), der erst seit kurzem trocken und schon länger heimlich pleite ist und größtenteils von vergangenen Showbiz-Tagen zehrt. Er ist Gastgeber einer Geburtstagparty im Freundeskreis, zu der nicht nur der aus Stadt weggezogene Donald (Matt Bomer) kommt, sondern auch das mit dem Thema Treue ringende Paar Larry (Andrew Rannells) und Hank (Tuc Watkins), der elegante Bücherwurm Bernard (Michael Benjamin Washington) und der lustvoll flamboyante Emory (Robin de Jésus). Das neurotisch-zickige Geburtstagskind Harold (Zachary Quinto) kommt wie erwartet zu spät, dafür tauchen unerwartet ein als "Geschenk" gebuchter Jüngling (Charlie Carver) sowie Michaels vermeintlich heterosexueller College-Freund Alan (Brian Hutchinson) auf.


Michael (Jim Parsons, re.) ist Gastgeber der Geburtstagsparty im Freundeskreis

Die Wohnung wird den Film über nicht verlassen und die Handlung besteht aus kaum mehr als Gesprächen. Doch die haben es in sich. Nicht nur, weil Alan von so viel geballter Queerness überfordert bis abgestoßen ist, sondern auch weil Michael irgendwann auf den unguten Gedanken kommt, jeder Geburtstagsgast müsse seine großen, meist unausgesprochenen Lieben der Vergangenheit anrufen und mit seinen wahren Emotionen konfrontieren. Dass dabei Gefühle verletzt und alte Wunden aufgerissen werden, versteht sich von selbst.

Coming-out, Treue, Selbsthass und Rassismus

Seine Theaterherkunft kann "The Boys in the Band" auch als Film weder visuell noch auf Textebene verbergen. Und auch das Gefühl, eher ein Stück wichtiger LGBTI-Geschichte mitanzusehen als einen Stoff, der noch dem heutigen Publikum unter den Nägeln brennen würde, wird man selten los. Nicht dass nicht viele der Themen, die diese Männer umtreiben, nicht auch heute relevant sind: von schweren Coming-out-Erfahrungen über schwulen Selbsthass, Rassismus und Monogamie bis hin zur Frage, was wohl die Nachbar*innen denken. Doch die Bitternis und Aussichtslosigkeit, mit der sie hier größtenteils verhandelt werden, erscheint 2020 zum Glück nicht mehr alternativlos.

Sehenswert ist der Film, der übrigens durchaus Momente von leichtfüßiger Heiterkeit hat, trotzdem allemal, auch dank der größtenteils überzeugenden Darsteller, die sämtlich auch schon vor zwei Jahren in der Theaterinszenierung dabei waren. Vor allem Parsons (der dank "Hollywood" gerade erst für den Emmy nominiert war), de Jésus (für das Broadway-Revival mit einer Tony-Nominierung bedacht) und Washington sind verdammt sehenswert, auch Bomer legt – in ganzer Pracht – einen in vieler Hinsicht sehenswerten Auftritt hin.

Und einen ganzes Filmensemble mit ausschließlich offen schwulen Schauspielern – das ist selbst heute fast noch so sensationell wie vor 52 Jahre eine Bühne voller schwuler Figuren.

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