Zu Update springen: Trainer und Spieler von Phoenix Rising beurlaubt
Aufregung im US-Profifußball: Die Mannschaft des kalifornischen Zweitligisten San Diego Loyal ging am Mittwochabend zu Beginn der zweiten Halbzeit geschlossen vom Platz, nachdem zuvor ein Gegenspieler von Phoenix Rising aus Scottsdale in Arizona den offen schwulen Fußballer Collin Martin mit einem homophoben Schimpfwort beleidigt haben soll. Damit vergab das Team seine letzte Chance auf ein Erreichen der Play-Offs.
Teammanager Landon Donovan, ein früherer Spieler der US-Nationalmannschaft und von Bayer Leverkusen, LA Galaxy, Bayern München und Everton, sagte nach dem Spiel, er habe sich zusammen mit seiner Mannschaft für das Verlassen des Platzes entschieden. Der Mitbesitzer des recht neuen Teams, das in seiner ersten Saison antritt, betonte: "Wir haben uns, unserer Gemeinde, den Spielern, dem Klub und der USL geschworen, dass wir nicht für Intoleranz, homophobe Beleidigungen und andere Dinge stehen wollen, die nicht zu unserem Spiel gehören." Donovan setzte den Vorfall auch in Bezug zu einer rassistischen Beleidigung, mit der sein Team bereits in der Vorwoche konfrontiert war.
Bei dem Heimspiel von diesem Mittwoch hatte der Schiedsrichter kurz vor Ende der ersten Halbzeit Martin aus recht unklaren Gründen eine rote Karte gezeigt, die er wenig später zurücknahm. Im Rahmen von minutenlangen Diskussionen auf dem Platz und an der Seitenlinie hatte der Spieler seinem Coach und der vierten Schiedsrichterin von einer homophoben Beleidigung durch den Gegenspieler Junior Flemmings berichtet. Donovan sagte später gegenüber Medien, der Schiedsrichter habe den Spruch in Richtung des 25-Jährigen gehört, aber angegeben, nichts tun zu können, da ihm die Bedeutung des gerufenen Wortes unbekannt gewesen sei.
Landon Donovan (l.) in der Diskussion mit dem Schiedsrichter und Rick Schantz (r.)
Auch die Bitte Donovans an den Trainer der gegnerischen Mannschaft, Rick Schantz, Flemmings auszuwechseln, habe zu nichts geführt. So kam es, dass die Spieler von San Diego Loyal nach dem Seitenwechsel auf dem Platz aufliefen, für eine "Black Lives Matter"-Aktion noch in die Knie gingen und dann geschlossen in die Kabinen gingen. Ein TV-Mitschnitt der wirren Minuten, in denen Donovan noch eine rote Karte wegen Laufens auf den Platz erhalten hatte, zeigt, wie Collins vor dem Beginn der zweiten Hälfte und beim Gang in die Kabine von vielen Mitspielern solidarisch auf den Rücken geschlagen oder umarmt wird.
Der Schiedsrichter pfiff die Partei kurz darauf beim Stand von 3:1 für San Diego ab. Zunächst wird das Spiel als Sieg von Phoenix Rising gewertet werden. Die Liga hat angekündigt, den Vorfall untersuchen zu wollen. Junior Flemmings beteuerte auf Twitter, er habe zu keiner Zeit eine homophobe Beleidigung in Richtung Martin abgegeben und stehe in Solidarität zur LGBTQ+-Bewegung. (Update: Flemmings löschte inzwischen seinen Account, der Tweet ist nicht mehr einbettbar)
Das Donovan-Team hatte erst in der Vorwoche nachträglich auf den Punkt aus einem Unentschieden verzichtet, nachdem sein Profi Elijah Martin im Duell mit LA Galaxy II von Gegenspieler Omar Ontiveros rassistisch mit dem N-Wort beleidigt wurde. Der Spieler wurde später mit einer Geldstrafe und einer Sperre für sechs Spiele belegt, sein Team trennte sich von ihm. Die Webseite von San Diego argumentiert, der Vorfall sei während des Spiels nur teilweise bekannt geworden und im Nachhinein wäre man am liebsten vom Platz gegangen. Das Team habe daher auf Forfait-Niederlage entschieden. "Wir wollen nicht einmal als Teil eines Spiels anerkannt werden, bei dem es zu solchen Handlungen gekommen ist."
Collin Martin hatte sich 2018 als Mittelfeldspieler des Erstligisten Minnesota United zum Pride-Monat geoutet (queer.de berichtete). 2019 landete er als Leihgabe beim Zweitligisten Hartford Athletic aus Connecticut, um im Februar einen Vertrag bei den Newcomern aus Kalifornien zu unterzeichnen. (nb)
Update 2.10., 19.30h: Trainer und Spieler von Phoenix Rising beurlaubt
Das Team Phoenix Rising gab am Donnerstagabend (Ortszeit) bekannt, dass der Spieler Junior Flemmings beurlaubt sei, um sich einer Untersuchung durch die Liga und das eigene Team stellen zu können. Erste Interviews dazu seien bereits geführt worden. Unabhängig davon nehme auch Trainer Rick Schantz Urlaub. Man sei gegen Homophobie und Rassismus aktiv und zeige keine Toleranz für entsprechendes Verhalten.
Das Portal "SportsCenter" hat versucht, die Video-Szene mit dem Schiedsrichter zu verstehen und mit Untertiteln zu versehen. Offenbar handelte es sich bei dem homophoben Ausdruck um "Batty Boy", eine jamaikanische Slang-Abwertung für Schwule – zu sehen ist, wie der aufgebrachte San-Diego-Spieler Tarek Morad auf den gegnerischen Coach zugeht und beklagt, dass sein Teamkollege entsprechend beleidigt wurde. Der Schiedsrichter gab die später zurückgezogene rote Karte an Collin Martin offenbar, weil er dachte, dass dieser den anderen Spieler als schwul bezeichnet habe. Während Trainer Landon Donovan den Vorfall in dem Video sehr ernst nimmt, übte sich sein Gegenpart Rick Schantz in Verharmlosung: Donovan solle keine "große Szene" machen, sagte er, die Spieler stünden halt im Wettkampf zueinander, "Wie lange spielst Du schon Fußball?" Schantz betonte später auf Twitter, damit habe er Donovans Lauf auf den Platz gemeint und er habe damit nicht Homophobie verharmlosen wollen.
Auch Collin Martin hat inzwischen den Vorfall bei Twitter beschrieben: Flemmings habe demnach "Batty Boy" zu ihm gesagt und das später zu dementieren versucht, was er ihm nicht glaube. Es habe sich um die erste Beschimpfung gegen ihn auf dem Platz gehandelt. Martin glaubt, der Schiedsrichter habe offenbar irrtümlich gedacht, Martin habe ihn als schwul bezeichnet. Am wichtigsten sei ihm aber die Solidarität der Mitspieler, des Trainer-Stabs und des Clubs gewesen. Zusammen mit Donovan gab er am Freitag auch entsprechende Interviews; der Twitter-Kanal von San Diego zeigt einige von ihnen sowie Solidaritätsadressen von Martins Mitspielern und Martins Vater.
Korrektur: San Diego war beim Spiel in der Vorwoche nicht vom Platz gegangen, wie zunächst berichtet, sondern hatte es nachträglich so bewerten lassen