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Anhaltende Verfolgung

Human Rights Watch: Ägyptische Sicherheitskräfte schikanieren und foltern LGBT

Die Menschenrechtsorganisation dokumentiert, wie LGBT auf der Straße oder durch Dating-Apps aufgespürt und dann monatelang in Haft misshandelt werden.


Nach diesem Konzert von Mashrou' Leila in Kairo 2017 wurden dutzende Menschen verhaftet. Die Verfolgungswelle gegen LGBT hält weiter an, warnt Human Rights Watch (Bild: Twitter / @HithamAlkashif)

Beamte der ägyptischen Polizei und der Nationalen Sicherheitsbehörde verhaften willkürlich Lesben, Schwule, Bisexuelle und trans Personen und halten sie unter unmenschlichen Bedingungen fest, setzen sie systematisch Misshandlungen einschließlich Folter aus und regen häufig Mithäftlinge an, sie zu schikanieren, kritisiert Human Rights Watch.

In einem neuen Bericht fasst die internationale Menschenrechtsorganisation Entwicklungen seit 2017 zusammen und dokumentiert sie mit Aussagen von Opfern der Verfolgung. Damals hatten die Behörden ihr Vorgehen gegen LGBT verschärft, nachdem Personen bei einem Konzert der Band Mashrou' Leila in Kairo Regenbogenflaggen geschwenkt hatten (queer.de berichtete). In diesem Juni hatte sich die ägyptische LGBTI-Aktivistin Sarah Hegazi im Asyl in Kanada das Leben genommen (queer.de berichtete). Sie hatte eine der Flaggen geschwenkt, war von den Behörden für drei Monate in Haft genommen worden und berichtete von psychologischer Folter und solcher mit Elektroschocks.

"Die ägyptischen Behörden scheinen um die schlechteste Bilanz bei Rechtsverletzungen gegen LGBT-Menschen in der Region zu konkurrieren, während das internationale Schweigen entsetzlich ist", kommentierte Rasha Younes, LGBT-Expertin von HRW am Donnerstag. "Sarah Hegazys tragischer Tod mag weltweit Wellen des Schocks und der Solidarität ausgelöst haben, aber Ägypten hat weiterhin unverfroren LGBT-Menschen verfolgt und misshandelt, einfach weil sie sind, wer sie sind."

Von der Straße weg verhaftet

Dem Bericht zufolge griffen Sicherheitskräfte Menschen routinemäßig auf der Straße ab, teilweise bei Routine-Patrouillen oder teilweise gezielt bei allgemeinen Protesten, laut Gerichtsdokumenten etwa mehrere Männer wegen "femininer und homosexueller Gesten" oder eine trans Frau wegen "abnormalen Aussehens". Andere von HRW interviewte Männer waren von verdeckten Ermittlern über soziale Netzwerke und Dating-Apps wie Grindr aufgespürt worden. Nach entsprechenden Berichten warnt das Auswärtige Amt bereits seit 2017 vor der Nutzung entsprechender Apps in dem Land (queer.de berichtete) – einer der HRW-Zeugen berichtet von einem solchen Vorgehen gegen ihn im letzten Jahr.

Die Staatsanwälte nutzten Aussagen aus Verhören und Inhalte von Smartphones der Verhafteten, um längere, teils monatelange Untersuchungshaft und Haftstrafen von drei Monaten bis zu sechs Jahren zu rechtfertigen, so HRW. Homosexualität ist in Ägypten legal, genutzt werden allerdings Paragrafen gegen "Ausschweifungen" und Prostitution. In den meisten Fällen hätten Berufungsgerichte die Personen letztlich freigelassen oder ihre Strafe reduziert – ein Mann, der sich keine anwaltliche Vertretung für die Berufung leisten konnte, habe seine volle einjährige Strafe für "Ausschweifungen" abgesessen.

Twitter / hrw | Zu dem Bericht veröffentlichte HRW auch ein Video (Youtube-Version), das die Aussagen eines Mannes zeigt, der nach dem Konzert von Mashrou' Leila inhaftiert wurde

Allen bleiben die Erfahrungen aus monatelanger Untersuchungshaft und Haft, trans Personen landeten dabei in Gefängnissen des anderen Geschlechts. Human Rights Watch dokumentiert in dem Bericht den Einsatz von Folter, einschließlich schwerer und wiederholter Schläge und sexueller Gewalt, in Polizeigewahrsam, häufig unter dem Deckmantel erzwungener Analuntersuchungen. Polizei und Staatsanwaltschaft beschimpten die Festgenommen regelmäßig, forderten erzwungene Geständnisse ein und verweigerten ihnen den Zugang zu Rechtsbeistand und medizinischer Versorgung – darunter auch HIV-Medikamente oder Hormonbehandlungen. Die von HRW dokumentierten lesenswerten Betroffenenberichte zeigen zudem die auf die Verfolgungen folgende Stigmatisierung durch die Gesellschaft und oft durch die eigene Familie.

Die unter Präsident Abd al-Fattah as-Sisi zugenommene Verfolgung wird offenbar auch politisch eingesetzt: Im August verhafteten Beamte zwei Männer, die in einem Verfahren gegen die Gruppenvergewaltigung von Frauen durch einflussreiche Personen aussagen sollten. "Die Beamten durchsuchten die Telefone der Männer rechtswidrig, während sie mehrere Tage lang ohne Kontakt zur Außenwelt (…) festgehalten wurden, und verwendeten Fotos, die sie als gleichgeschlechtlich eingestuft hatten, um sie in Gewahrsam zu halten", so der HRW-Bericht. "Die Richter erneuerten ihre Untersuchungshaft mehrmals und die Staatsanwaltschaft unterzog sie erzwungenen Analuntersuchungen." Die beiden Männer könnten nun nach den ägyptischen Gesetzen gegen "Ausschweifungen" angeklagt werden. (nb)

#1 KaiJAnonym
  • 02.10.2020, 18:35h
  • "Das...Schweigen ist entsetzlich". Es muss ein globales Handlungskonzept gegen LGBTIQ-Feindlichkeit entwickelt werden. Ein möglicher Ansatz sind vielleicht die ergoogelten Yogyakarta-Prinzipien.
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#2 SamstagAnonym
  • 03.10.2020, 10:33h
  • Ja, der Bericht von Human Rights Watch ist auch absolut lesenswert. Hoffentlich wird er auch gelesen.
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#3 hugoAnonym
  • 04.10.2020, 10:19h
  • Wenn Human Rights Watch in einem Land Menschenrechtsverletzungen gegen die Regeln der UN Charta geststellt, ist es an der Zeit, eine Reisewarnug für dieses Land vom Auswärtigen Amt auszusprechen.
    Wer dorthin reist, der darf dann nicht mehr auf kostenlose diplomatische Hilfe hoffen!
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#4 TheDadProfil
  • 04.10.2020, 11:43hHannover
  • Antwort auf #3 von hugo
  • ""Wenn Human Rights Watch in einem Land Menschenrechtsverletzungen gegen die Regeln der UN Charta geststellt, ist es an der Zeit, eine Reisewarnug für dieses Land vom Auswärtigen Amt auszusprechen.
    Wer dorthin reist, der darf dann nicht mehr auf kostenlose diplomatische Hilfe hoffen!""..

    Soll nicht eigentlich eine Reisewarnung eines Auswärtigen Amtes im Gegenteil dazu führen die Reisenden der ungeteilten Solidarität der eigenen Bevölkerung im Heimatland zu versichern ?

    Denn in die verschiedenen Länder reisen nicht nur Touristen, es reisen dort auch Menschen hin, die sich von Berufs wegen dort aufhalten müssen, weil deren Firmen dort Projekte verwirklichen, und dazu gehören nicht nur Flugbegleiter*innen und Pilot*innen, oder auch Angehörige von internationalen Hilfsorgansationen, und viele Andere mehr..
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