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Österreich
Grüner Gesundheitsminister: Blutspendeverbot für Schwule ist "keine Diskriminierung"
Auch in Österreich dürfen schwule und bisexuelle Männer faktisch wegen ihrer sexuellen Orientierung kein Blut spenden. Ausgerechnet ein grüner Minister verteidigt das als diskriminierend empfundene Verbot.

Bernhard Holub / wikipedia) Bundesgesundheitsminister Rudolf Anschober hat kein Problem damit, dass praktisch nur heterosexuelle Männer Blut spenden dürfen (Bild:
- 6. Oktober 2020, 13:16h 3 Min.
Zu Update springen: Minister stellt doch Reform in Aussicht (16:05h)
Österreichische LGBTI- und Aids-Aktivist*innen zeigen sich empört über eine Behauptung des Bundesgesundheitsministeriums, dass ein faktisches Blutspendeverbot für schwule und bisexuelle Männer "keine Diskriminierung" darstelle. Das Ministerium des (heterosexuellen) Grünenpolitikers Rudolf Anschober hatte mit dieser Aussage auf eine Petition der oppositionellen Partei NEOS zur Öffnung der Blutspende reagiert (PDF). Darin führte das Ministerium aus, dass der Ausschluss der homosexuellen "Risikogruppe" einen "Qualitätssicherungseffekt" habe.
In Österreich gelten beim Blutspenden die selben Verbote für schwule und bisexuelle Männer wie in Deutschland. Demnach dürfen Männer, die Sex mit Männern haben, zwölf Monate lang keinen Sex haben, um als Blutspender akzeptiert zu werden. Dabei spielt für den Gesetzgeber keine Rolle, ob ein Schwuler lediglich mit seinem Ehemann intim wird. Queere Organisationen fordern dagegen seit Jahren, dass – wie auch bei heterosexuellen Männern – das tatsächliche Risikoverhalten abgefragt werden soll und nicht die sexuelle Orientierung des potenziellen Spenders.
"Riskant ist nicht, mit welchem Geschlecht man Sex hat"
Ann-Sophie Otte, die Chefin der LGBTI-Organisation HOSI Wien, bezeichnete es als traurig, "dass ausgerechnet ein grüner Gesundheitsminister Diskriminierung leugnet". "Riskant ist aber nicht, mit welchem Geschlecht man Sex hat, sondern wie man diesen hat", so Otte. "Ein heterosexueller Mann, der ohne Kondom mit unterschiedlichen Frauen schläft, hat ein höheres Infektionsrisiko als schwule oder bisexuelle Männer, die in einer monogamen Beziehung leben bzw. konsequent Kondome benutzen." Die pauschale Abstempelung von schwulen Männern sei "heutzutage unhaltbar".
Otte kritisierte auch, dass die Grünen für die am nächsten Sonntag stattfindenden Landtags- und Gemeinderatswahlen in Wien mit dem Slogan "Wer macht Equality, wenn nicht wir?" um Stimmen aus der LGBTI-Community werben. Sie forderte grüne Politiker*innen auf, den Minister in die Schranken zu weisen: "Man kann nicht gleichzeitig aktiv um unsere Community werben, aber dann zu solcher Politik des eigenen Ministers schweigen", so Otte.
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Anschobers Haltung zu LGBTI-Rechten steht bereits seit längerem in der Kritik. Vergangenen Monat fragte etwa das queere Magazin "Jus Amandi": "Was ist bloß mit Anschober los?". In dem Artikel wird bemängelt, dass Anschober auch einem Verbot von "Homo-Heilung" kritisch gegenüber stehe.
Ius Amandi 3/2020 jetzt online: – Konversionstherapien & Blutspendeverbot: Was ist mit Anschober los? -...
Gepostet von Rechtskomitee Lambda – RKL am Mittwoch, 23. September 2020
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Mehrere andere Länder – etwa Spanien und Italien – haben Schwule bereits heute beim Blutspenden gleichgestellt. Hier wird lediglich das sexuelle Risikoverhalten vor einer Spende abgefragt, die sexuelle Orientierung hat aber keinen Einfluss. Der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) stellte zuletzt in Aussicht, dass das Sex-Verbot für spendewillige schwule und bisexuelle Männer von zwölf auf vier Monate reduziert wird (queer.de berichtete).
Die Grünen gehören seit Januar erstmals einer österreichischen Bundesregierung an. Ihnen wurde in den letzten Monaten vermehrt vorgeworfen, dem christsozialen Koalitionspartner ÖVP von Bundeskanzler Sebastian Kurz zu sehr entgegengekommen zu sein. Die Grünen tragen unter anderem die rigide Asylpolitik Österreichs mit, die von Menschenrechtsorganisationen scharf kritisiert wird. (dk)
Update 16.05h: Minister stellt doch Reform in Aussicht
Nach der ablehnenden Äußerung seines Ministeriums hat sich Anschober am Dienstag in einer Mitteilung doch für eine Reform der Blutspende ausgesprochen. "Blut spenden heißt Leben retten – niemand soll aufgrund seiner sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität davon ausgeschlossen werden", so der Minister. Daher habe er die "Blutkommission beauftragt, die Ausschlusskriterien zu überprüfen und Vorschläge zu erarbeiten, wie die Blutspende – unter Maßgabe der Sicherheit für die Empfängerinnen und Empfänger – in Österreich künftig vollständig diskriminierungsfrei ermöglicht werden kann." Ziel sei eine Änderung bei der Abfrage von Risikoverhalten "noch in diesem Jahr".
