Der Titel der im Oktober im Rowohlt Verlag erschienenen Essaysammlung von Botho Strauß "Die Expedition zu den Wächtern und Sprengmeistern" (Amazon-Affiliate-Link ) kann neugierig machen, eröffnet er doch nicht nur einen Assoziationsraum des gesellschaftspolitisch Relevanten und Brisanten, sondern erweckt wohl gleich auch die Frage, ob vielleicht die "Wächter" in Personalunion auch die "Sprengmeister" sind. Da Botho Strauß ein Meister dramatischer Zuspitzung ist, verspricht die Sammlung "kritischer Prosa", wie sie im Untertitel heißt, Anregung oder sogar Zündstoff.
Der Blick ins Inhaltsverzeichnis verrät, was sich in den fünf Teilen des Buches alles versammelt hat: Essays zu Literatur, Theater, Bildern, Zeitgeschehen und im letzten Teil "Sprengsel".
Ein Buch zum Rauspicken
"Die Expedition zu den Wächtern und Sprengmeistern" ist im September 2020 bei Rowohlt erschienen
Was mir auf jeden Fall gefehlt hat, ist ein Vor- oder Nachwort, sei es vom Autor selbst oder eine*r kundigen Herausgeber*in, das über die kruden Titel im Inhaltsverzeichnis hinaus ein wenig Orientierung stiftet. Nicht jeder ist ein intimer Kenner des (Essay-)Werks von Botho Strauß oder interessiert sich gleichermaßen für all die unterschiedlichen kulturellen und gesellschaftlichen Phänomene und Facetten, auf die in den einzelnen Beiträgen, die insgesamt aus einem Zeitraum von etwa 40 Jahren stammen, Bezug genommen wird. So darf ich als Leser selbst schauen, wie ich mich hier zurechtfinde. Recht unwahrscheinlich dürfte dabei sein, dass dies ein Buch ist, dass man von Anfang bis Ende Seite für Seite liest. Es bietet sich eher zum Rauspicken an.
Gut gefallen haben mir dabei die Reflexionen von Strauß etwa zu Rudolf Borchhardt oder den sonst wenig beachteten philosophisch-lyrischen Mischformen im Werk Heideggers. Und natürlich gibt einem der Weg der Lektüre, wie immer man ihn auch wählt, jede Menge anregender und knackiger Impulse zur Welt des Theaters mit:
Vom Pathos wissen wir heute nur, daß es eine Menge hohles Pathos gibt. Dennoch muß die alte Sache noch einmal neu verhandelt werden. Nach dem Abzug der Weltverbesserer, nach dem Verblassen endzeitlicher Visionen bleibt von der ganzen moralischen Anstalt vorerst nur ein Nutzen übrig: das Training der Empfindungskraft. Mehr als mein Gefühlsleben kann ich im Theater nicht verbessern.
Die Stärken und Schwächen von Strauß' kritischem Denken
Vermutlich hineinstöbern werden wohl die meisten, die dieses Buch in den Händen halten, auch in die Essays zum Zeitgeschehen, nicht nur, weil sich darunter auch die neuesten Beiträge befinden, sondern weil einen hier schon die Titel in Fahrt bringen können: Da gibt es etwa den "Abschied vom Außenseiter. Von den meisten und den wenigen" oder die "Reform der Intelligenz." Und hier zeigen sich Stärken und Schwächen des kritischen Denkens von Botho Strauß gleichermaßen unübersehbar.
Schauen wir einfach auf ein paar Zitate:
Spaßhaben mit "King Lear". Überall steht das Publikum für Schnäppchen an. Billig muß etwas sein, das man begehrt, auch der Witz, den man aus einem Kunstwerk macht. "Saturn" und "Apple-Store" sind daher die wahren Kult- und Feierstätten, Festungen, die nächtlich belagert werden, wo die Hype-Heuschrecken niedergehen, schwarze Wolke, die abräumt, sobald eine Neuerung oder Preissenkung ruchbar wird.
Denn es ist ja nicht in erster Linie eine rechtliche, sondern überwiegend eine sittliche Bekenntnisoffensive, welche die gleichgültige Mehrheit darüber belehrt, wie man zur Verbürgerlichung abweichender Lebensformen gelangt. Diese wird es ohne Aufmucken hinnehmen, findet sie doch ihren sozialen Frieden mitsamt wirtschaftlicher Erfolgsgeschichte durch ihre Gleichgültigkeit aufs neue bekräftigt. Widerspruch gegen das Gute gehört sich nicht. Sieht man etwas genauer hin, erkennt man sehr wohl den despotischen Umriß des hinkenden Guten.
Man könnte die neuen Benimmregeln, "rassistische" Äußerungen betreffend, auch eine linksbürgerliche Form der Etikette nennen, im Sinne der guten Manieren einer ins Feministische gewendeten Erika von Papritz, jener Anstandsdame aus der Adenauer-Zeit, wären sie nicht so aggressiv, ausgrenzend und persekutorisch.
Mit beispiellosem ökonomischem Aufschwung überdeckten die Deutschen ihre Weigerung, das Unfaßbare zu würdigen. Das Unfaßbare der Wiedervereinigung wurde verdrängt und zerkleinert in tausend Verdrießlichkeiten sozialer und behördlicher Natur. Doch damit schaffte man den Wiederaufbau. Nach ähnlichem Muster wurde schon das Unfaßliche der Hitler-Verbrechen sich ferngehalten und unverzüglich in wirtschaftlichen Erfolg umgemünzt. Auch die Unfähigkeit zum Pathos trägt Züge des Inhumanen. Wir werden unserer kuriosen emotionalen Defizite wegen in der Welt nicht geliebt.
All dies ist geradezu dramatisch kraftvoll formuliert: starke Worte für starke Positionen. Fast wie auf der Bühne. Doch zugleich könnte man an offenbar vielen Stellen begründete Zweifel und Gegenargumente vorbringen: Zieht es das (Theater-)Publikum wirklich nur zu Schnäppchen hin? Geht es bei Themen wie Integration, Inklusion und diversity-bewusster Sprache wirklich nur um eine "Bekenntnisoffensive", hinter der der "despotische Umriß des hinkenden Guten" steckt? Steckt darin nicht zumindest zum Teil auch trotz aller Holprigkeiten sehr gehfähiges Gutes und mehr als das: notwendig zu Tuendes? Und sind nicht gerade "rassistische Äußerungen" "aggressiv und ausgrenzend" und manche Regel im Umgang damit ein hilfreiches Korrektiv? Zeigt die deutsche Geschichte nach dem Zweiten Weltkrieg und der Wiedervereinigung neben ziemlich unübersehbaren "emotionalen Defiziten" nicht auch Tugenden wie Zuversicht, Zukunftsorientierung und vitalen Pragmatismus?
Viel billiges Theater
Hier ist nicht der Ort, solche Debatten auszutragen. Ich muss aber sagen, dass mich ab einem bestimmten Punkt die argumentativen Pauschalkeulen von Strauß, so dramatisch-knackig sie auch formuliert sein mögen, in ihrer empirischen Undifferenziertheit und Hybris ('der große Denker als großer, einsamer Kulturkritiker') schlichtweg gelangweilt haben. Auf die Position von anderen mit Wucht einzudreschen, ist bekanntlich kein Problem, wenn man sich diese Position nur gut genug zurechtgelegt hat. Das aber ist zwar kein "Schnäppchen", aber gleichwohl unter Gesichtspunkten vernünftigen und integren Argumentierens billiges Theater.
Nichtsdestotrotz: Wer bereit ist, über den Hang zur selbstverliebt lauten "Ich allein weiß Bescheid"-Attitude hinwegzusehen, kann vieles in den Essays von Botho Strauss finden, was spannend, wissenswert und inspirierend ist.
Infos zum Buch
Botho Strauß: Die Expedition zu den Wächtern und Sprengmeistern. Kritische Prosa. 320 Seiten. Rowohlt Verlag. Hamburg 2020. Hardcover: 26 € (ISBN 978-3-498-06554-6). E-Book: 19,99 €
Das Naturrecht beinhaltet, platt ausgedrückt, nichts anderes, als dass die Frau das Recht hat gefälligst im Haushalt zu arbeiten und am heimischen Herd dem Manne ein stärkendes Menu zu servieren. Im Naturrecht ist Vater,Mutter,Kind als Diener der Kirche fest verankert. Was für ein merkwürdiges Biotop, welches der Papst da schützen wollte.
Wenn man Texte von Botho Strauß interpretiert, dann merkt man schnell, dass hier jemand wie Rolf Syberberg in seinen Wagener- und Hitlerfilmen jede Menge Nebel wallen lässt und sich selbst und seine Kaste beweihräuchert. Wer sind die Mitglieder dieser Kaste? Nun, das sind die einstigen Modelinken, die auf einer Welle mitschwammen, wo neben dem Beischlaf auch der Toilettengang äußerst politisch war. Es sind Clowns, wie Peter Handke, Botho Strauß, Rolf Syberberg, weit abgeschlagen Jan Fleischhauer , die in jener Zeit sehr erfolgreich abgesahnt haben und jetzt im Alter nicht nur geistig inkontinent werden.
Sie sind die Kolumnisten in der "Welt", dem Zentralorgan der chronisch beleidigten BRD-Bürger, die das Gezeter ihrer Nazi-Eltern verinnerlicht haben über den drohenden Untergang des Abendlandes durch die Weltverschwörung finsterer Mächte. Das waren damals die Freimaurer, Homosexuelle und Juden, heute sind es die Islamisten, Genderisten und linksgrün Versifften. Zu dieser sattsam bekannten Goebbels-Melange kommt dann noch der Hass auf die Unterschicht, der dringend notwendig ist, damit das psychpopathologisch verkümmerte Selbstwertgefühl nicht plötzlich auf dem Erdboden landet. Es muss einfach Gesocks geben, das man diskriminieren kann. Das ist diese Geisteshaltung, die sich von Oswald Spengler bis heute durch die leeren Köpfe dieser Bourgeois zieht.
Man grenzt sich ab - das ist genau die Stoßrichtung dieser Schicht in der BRD. Nur wird es putzig, wenn diese alten Säcke irgendwo in der Mark Brandenburg, auf wilden Dörfern wie Triangel, der Will-Vesper-Gedenkstätte, vor sich hin muckern und keiner nimmt sie mehr ernst.
Doch halt, es gibt ja immer "Bildungsbürger", Oberstudienräte, Pastores und Sparkassendirektoren, die sich für gebildet halten. Sie lieben alles Geschreibsel und Geschwafel, was sie selbst nicht verstehen. Denn, so lautet ihr logischer Schluss: "Was ich selbst nicht durchschaue, vermögen die Anderen erst recht nicht."
Darauf setzen Botho Strauß und sein nicht minder zur Scharlatanerie begabte Sohn. Zu dumm aber auch, dass dieses weinerliche "Untergang des Abendlandes" - Gezeter Andere schon vor ihnen erfolgreich betrieben. Es grüßt die "Deutschland - Stiftung" mit Kurt Ziesel, Gerhard Löwenthal, Hans von Bekessy (Habe) und alle die anderen Springer-Schreiberlinge. So wird das Gegreine vom Dorf nur ein kümmerlicher Abklatsch des längst Gesagten und Belachten.
Man sollte sich eben selbst nicht nur für den Größten halten - oder dann seinen Namen ändern in Botho Strauß-Trump.