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Heimkino
Ein Vater erkundet die GHB-Vergangenheit des schwulen Sohns
Maxime und Kevin sterben an einer Überdosis Liquid Ecstasy. Im Spielfilm "7 Minuten" sucht Jean, Maximes Vater, im Lieblingsclub des Sohnes nach Gründen für den Tod – und findet mehr, als er erwartet hätte.

Maxime und Kevin sterben an einer Überdosis der Chemsex-Droge Liquid Ecstasy (Bild: Pro-Fun Media)
11. Oktober 2020, 07:46h 3 Min. Von
Sie sind ein süßes Paar, Maxime und Kevin. Ganz vertraut liegen sie in einem Hotelbett, stoßen an, vielleicht ihr Jahrestag. Sie haben Sex, sie nehmen GHB – andere nennen die klare Droge Liquid Ecstasy oder einfach nur G. Kevin scheint das nicht zu vertragen, ihm geht's nicht gut, Maxime wird kurz panisch. Dann ist doch alles wieder gut, nur um ein paar Sekunden später zu kippen: Atemstillstand, Kevin ist tot. Laut Autopsie lebt Maxime die filmtitelgebenden sieben Minuten länger.
Jean, Maximes Vater, wirft der Tod völlig aus der Bahn. Wieso hat Maxime keinen Rettungswagen gerufen? Was ist in den sieben Minuten passiert? Antoine Herbez als Jean gibt einen liebenden und trauernden Vater, der nach der Wahrheit oder zumindest Erklärungen sucht.
Er hatte – anders als Kevins Familie, wie kurz anklingt – nie ein Problem damit, dass sein Sohn schwul war. Er muss seinen Sohn nach dessen Tod nicht erst kennenlernen, er muss nicht geläutert werden (so wie es etwa in "Stage Mother"), er will nur verstehen. Und geht deshalb in dessen Lieblingsclub, das "Bisou".
Das Drama hat ein solides Fundament – aber baut darauf nicht auf

Pro-Fun Media hat "7 Minuten" Ende September mit deutschen Untertiteln fürs Heimkino veröffentlicht
Er will unerkannt bleiben – seinen Sohn und Schwiegersohn scheinen hier in Toulouse alle gekannt zu haben. Jean lernt Fabien kennen, der im "Bisou" arbeitet. Fabien ist von dem Mittfünfziger sofort fasziniert, er wittert einen Neuling, den er verführen kann. Und auch Jean ist nach einiger Zeit gar nicht mehr abgeneigt, den hübschen jungen Mann kennenzulernen.
"7 Minuten" ist der erste Langfilm des brasilianischen Regisseurs Ricky Mastro, der seit fünf Jahren in Toulouse lebt. Davor hat er sieben queere Kurzfilme gedreht. Sein Drama hat eigentlich ein solides Fundament: Eine traurige Story, die sehr spannend angelegt sein kann, dazu eine Vaterfigur, die die Sexualität des Sohnes nicht problematisiert, sondern den frühen Tod einfach nicht verstehen kann und sich auf Spurensuche begibt – und den passenden Darsteller dazu.
Auch eine gute Idee: Der etwas spitzbübische Fabien, der auch mal als Krankenschwester Shots im "Bisou" verteilt, und den Vater ganz anziehend findet, der wiederum darauf eingeht, weil er mit seinem Sohn befreundet war und weil er sich wohl auch nach Nähe sehnt – was ihm dann besser gefällt als ewartet.
Die zweite Hälfte bitte umschreiben
Und es gibt ja wirklich ein paar bemerkenswerte Szenen, etwa wie sich Jean ziemlich unbeholfen (und im T-Shirt von Maxime?) auf der Tanzfläche bewegt, denn tanzen lässt sich das kaum nennen. Wie er kurz überlegt, selbst GHB zu probieren, als es ihm angeboten wird – einfach um zu spüren, was sein Sohn gespürt hat. Wie Fabien ganz flapsig sagt, Drogen und Schwule seien nie eine gute Mischung.
Doch irgendwann verzettelt sich "7 Minuten". An einer Kreuzung nimmt der Film die falsche Abzweigung und verabschiedet sich von der Geschichte, die er eigentlich hätte erzählen wollen oder sollen oder die er zumindest vorgibt, erzählen zu wollen. Das passiert genau in dem Moment, in dem der Drogentod von Maxime ganz egal wird und ab dem es nur noch um Jean und seine verwirrten Gefühle geht.
Dann endet das Drama auch noch relativ abrupt und unvermittelt, und zwar nicht auf die Art, die einfach ein paar Fragen offen lässt, sondern eher so, dass es schlicht nicht auserzählt wirkt. Vielleicht wusste Regisseur und Autor Ricky Mastro nicht mehr, wohin es gehen soll. Man möchte ihn bitten, die zweite Hälfte einfach umzuschreiben und neu zu drehen.
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7 Minuten. Drama. Frankreich, Italien 2020. Regie: Ricky Mastro. Darsteller*innen: Antoine Herbez, Clément Naline, Valentin Malguy, Paul Arvenne, Cedrick Spinassou, Robin Larroque, Valérie Prudent, Yohan Levy, Sylvain Jouret. Laufzeit: 78 Minuten. Sprache: französiche Originalfassung. Untertitel: Deutsch (optional). FSK 16. Pro-Fun Media.

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