Unter dem Motto "Queere Sichtbarkeit vorpommernweit" zogen am Montag rund 150 Personen vom Greifswalder Hauptbahnhof zur Stadthalle, in dem ab 16 Uhr der Kreistag tagte. Anlass der vom LSVD Queer Mecklenburg-Vorpommern e.V. organisierten Demo war u.a. die Entgleisung des CDU-Abgeordneten Sascha Ott, der queere Menschen bei einer Sitzung als "mikroskopische Randgruppe" beleidigt hatte.
Der Vorfall liegt bereits über sieben Monate zurück: In der Sitzung am 2. März (Sitzungsprotokoll als PDF) sprach sich Ott gegen einen Antrag der Grünen auf das Hissen der Regenbogenflagge zum Greifswalder Aktionstag gegen Homophobie aus. "Ihr Antrag unterstellt immer, dass es Menschen in unserer Gesellschaft gibt, die bewusst diskriminiert, verfolgt oder ausgegrenzt werden", sagte der CDU-Politiker in seiner Rede. Dies sei aber nicht der Fall. "Zur Wahrheit gehört eigentlich viel mehr: Die Deutschen sind mittlerweile so von Toleranz umfasst, dass es schon bald bis zur Selbstverleumdung reicht."
Tatsächlich seien LGBTI-Menschen aber nur eine "mikroskopische Randgruppe", so der Stralsunder Amtsgerichtsdirektor und stellvertretende CDU-Landesvorsitzende in seiner Rede. Ott lehnte es ab, diese "aufzuwerten, bis sie mit der Mehrheitsgesellschaft auf einer Linie laufen". Man solle stattdessen Respekt gegenüber Menschen zeigen, die "fleißig arbeiten" und "Kinder im Sinne des Staates erziehen" (queer.de berichtete). Der CSD Rostock e.V. hat ein Video der queerfeindlichen Hetzrede auf seiner Facebookseite veröffentlicht.
Ott wurde vor Stadthalle mit Buhrufen empfangen
Durch die Äußerungen hätten sich "viele Menschen verunglimpft und diskriminiert gefühlt", sagte Stefanie Kupfer vom LSVD Queer Mecklenburg-Vorpommern bei der Kundgebung vor der Stadthalle. "Es sind mehr als 100 Personen gekommen, obwohl der Zeitpunkt mitten am Tag sehr ungünstig ist", wird sie von "Ostsee-Zeitung" (Paywall-Artikel) zitiert. "Das ist super. Wir wollten gerne den direkten Bezug zu der Kreistagssitzung."
Sascha Ott ist Mitglied des Greifswalder Kreistags und stellvertretender Landesvorsitzender der CDU Mecklenburg-Vorpommern (Bild: TV Schwerin)
Als Sascha Ott zur Stadthalle kam, wurde er mit Buhrufen empfangen. Zwar suchte er das Gespräch mit den Demonstrant*innen, zu einer Entschuldigung kam es jedoch nicht, Stattdessen verteidigte der CDU-Politiker seine Entgleisung und erhob neue Vorwürfe. Seine Aussage während der Kreistagsdebatte sei "spitz" gewesen, sie werde aber aus dem Zusammenhang gerissen. "Es war nicht meine Absicht, jemanden persönlich zu treffen", erklärte Ott gegenüber der "Ostsee-Zeitung". Inhaltlich stehe er dazu, dass die Mehrheitsgesellschaft auch als Mehrheitsgesellschaft wahrgenommen werden solle. Die Demo gegen ihn bezeichnete er als "etwas überhöht".
Ott beklagt Einschüchterungsversuch
Der CDU-Politiker beklagte sich zudem, dass er und seine Familie eingeschüchtert worden seien. So behauptete Sascha Ott, die Demonstration sei bewusst an seinem Wohnhaus vorbeigeführt worden, in dem sich zu diesem Zeitpunkt auch seine Frau und Kinder aufhielten. "Teilnehmer der Demo sind stehengeblieben und haben Fotos gemacht. Wenn ehrenamtlichen Politikern so begegnet wird, dann ist das eine beginnende Form der Aggressivität", sagte Ott gegenüber dem "Nordkurier".
Grünen-Fraktionschefin Ulrike Berger, die den Protest mitorganisiert hatte, wies den Vorwurf im der Regionalzeitung zurück: "Es war nicht bekannt, wo Herr Ott wohnt, und wir haben die Demo auf keinen Fall bewusst an seinem Haus vorbeigeführt."
Immer wieder queerfeindliche Äußerungen
Sascha Ott war in den vergangenen Jahren bereits mehrfach mit LGBTI-feindlichen Tiraden aufgefallen. So sprach der Gründer eines "Konservativen Kreises" innerhalb des CDU-Landesverbands etwa 2019 intergeschlechtlichen und nicht-binären Menschen ihre Existenz ab: "Mit guten Recht kann [man] über den Irrglauben vom 'Dritten Geschlecht' Witze machen – es ist nämlich ein Witz. Und wir sollten dafür sorgen, dass es auch so bleibt", schrieb er im März vergangenen Jahres auf Facebook (queer.de berichtete).
Vor drei Jahren machte Ott Stimmung gegen die Ehe für alle, die "Scharlatanerie" sei und als Ablenkung von der "programmatischen Leere in der Politik" letztlich allen schade. "Viele Menschen entfremden sich von Politik, wenn die berechtigten Erwartungen der Mehrheitsgesellschaft ignoriert und stattdessen (vermeintliche) Anliegen von Minderheiten zum 'Goldenen Kalb' erklärt werden", meinte er zur Ehe-Öffnung für schwule und lesbische Paare.
Der 1965 geborene CDU-Kommunalpolitiker war nach der Landtagswahl 2016 kurzzeitig als Justizminister im Gespräch, die Nominierung wurde aber Medienberichten zufolge wegen einiger Facebook-Likes auf Einträge der AfD oder "Jungen Freiheit" zurückgezogen. (cw)
Besser wäre es, alle queeren CDUler würden ein Zeichen setzen, und au dieser "christlichen" Partei austreten,