Der CDU-Politiker Friedrich Merz hat am Mittwochabend in der Hamburger ZDF-Talkshow "Markus Lanz" seine Äußerungen zu Homosexualität und Kindesmissbrauch verteidigt. Der 64-Jährige fühlt sich weiterhin missverstanden – und erhielt dabei Unterstützung von Moderator Lanz ("Ich war auch, ehrlich gesagt, sehr auf Ihrer Seite") und dem anderen Gast Alice Schwarzer ("Mir scheint, das ist jetzt geklärt. Ich bin sowieso gegen diese Unterstellungen und diese Hetze").
Der Hintergrund: Merz war im September in einer Talkshow von "Bild Live" gefragt worden, was er von einem schwulen Bundeskanzler halten würde. Seine Antwort: "Die Frage der sexuellen Orientierung geht die Öffentlichkeit nichts an. Solange sich das im Rahmen der Gesetze bewegt und solange es nicht Kinder betrifft – an der Stelle ist für mich allerdings eine absolute Grenze erreicht -, ist das kein Thema für die öffentliche Diskussion" (queer.de berichtete). Diese Aussage wurde von Aktivist*innen und Politiker*innen scharf kritisiert, weil er damit ohne Not Homosexualität und Kindesmissbrauch in Zusammenhang gebracht hatte – und damit ein beliebtes Klischee aus dem letzten Jahrhundert wieder aufwärmte.
Merz beharrte bei "Markus Lanz" darauf, dass diese Aussage richtig und nicht diskriminierend sei. "Ich habe zwei Sätze gesagt", behauptete er – und zwischen den Sätzen sei ein Punkt gewesen. Als Katholik leide er nun mal darunter, "wie meine Kirche mit diesem Problem [Missbrauch] umgeht". Warum er bei einer harmlosen Frage über einen schwulen Kanzler gleich darüber spricht, dass Kindern keine sexuelle Gewalt angetan werden dürfe, blieb aber weiterhin sein Geheimnis.
Außerdem wiederholte er seine kontroverse Aussage, dass sexuelle Orientierung Privatsache sei. Dabei profiliert er sich selbst gerne als heterosexueller Musterehemann, der seit rund 40 Jahren erfolgreich verheiratet ist.
Merz glaubt an Verschwörung von "Akteuren", die er nicht nennen will
Bei Lanz ging Merz zum Gegenangriff über – und behauptete, andere Leute hätten nur "insinuiert", dass seine Äußerung homosexuellenfeindlich gewesen seien. Dabei sieht er sich offenbar als Opfer einer Verschwörung: "Ich habe mittlerweile die Akteure und Strukturen gesehen, die dieses Spielchen gemacht haben", so Merz kryptisch. Um wen es sich bei den Akteuren handelt und was ihre Ziele sein sollen, darüber wollte Merz allerdings nicht sprechen.
Der 51-jährige Moderator sprach Merz daraufhin direkt auf die Reaktion des CDU-Gesundheitsministers Jens Spahn an, der bei einer Pressekonferenz auf eine Journalistenfrage zur Merz' Aussage über Homosexualität und Kindesmissbrauch gesagt hatte: "Naja, wenn die erste Assoziation bei Homosexualität Gesetzesfragen oder Pädophilie ist, dann müssen Sie eher Fragen an Friedrich Merz richten, würde ich sagen" (queer.de berichtete). Diese Aussage kritisierte Merz mit den Worten: "Ich hätte mir von einem Parteifreund auch eine andere Reaktion vorstellen können."
Moderator Markus Lanz (li.) mit den Gästen Friedrich Merz und Alice Schwarzer (Bild: Screenshot ZDF)
Daraufhin zitierte Lanz noch eine Kolumne des konservativen "Focus"-Journalisten Jan Fleischhauer an, der eine Woche nach dem "Bild Live"-Interview geschrieben hatte: "Nehmen wir für einen Moment an, die Frage hätte gelautet: 'Armin Laschet hat eine 30 Jahre jüngere Freundin. Hätten sie Vorbehalte gegen einen Bundeskanzler, der eine so junge Frau hat?' Hätte Merz dann auch gesagt, dass für ihn alles okay sei, solange sich die beiden an die Gesetze hielten und keine Kinder belästigten? Schwer vorstellbar."
Merz wollte auch diese Argumentation nicht gelten lassen: "Dieser These widerspreche ich. Gerade wenn es um einen solchen Altersunterschied geht, hätte ich das genauso gesagt", behauptete er. Daraufhin beharrte er weiter darauf, "vorsätzlich falsch interpretiert" worden zu sein – und dass diese Interpretationen "bösartig" seien.
"Haben wir in diesem Land nicht größere Probleme als diese Semantik"
Am Ende der rund zehnminütigen Debatte zum Thema behauptete Merz weiter, "nie ein Problem" mit Klaus Wowereit, dem ersten offen schwulen Landeschef in Deutschland, gehabt zu haben. Am Ende spielte er jedoch schlicht die Wichtigkeit der Debatte über Homosexuellenrechte herunter: "Haben wir in diesem Land nicht größere Probleme als diese Semantik?"
Mit keinen Wort wurde in der Talkshow darüber gesprochen, wie aggressiv Merz als Unionsfraktionsvorsitzender zur Jahrtausendwende gegen Rechte von sexuellen Minderheiten polemisiert hatte. Immerhin hatte er selbst das Lebenspartnerschaftsgesetz – das Homo-Paaren zunächst sehr wenige Rechte gab, aber viele Pflichten aufbürdete – als Angriff auf heterosexuelle Eheleute hochstilisiert. Damals warf er Schwulen und Lesben, die sich verpartnern wollten, vor, den Schutz von Ehe und Familie "auszuhöhlen".
Merz wettert im Jahr 2000 im CDU-Magazin "UiD" gegen die Lebenspartnerschaft
Friedrich Merz tritt bei einem CDU-Bundesparteitag in Stuttgart Anfang Dezember für den Posten des Bundesparteichefs an. Er muss sich voraussichtlich in einer Kampfabstimmung dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Armin Laschet und dem Ex-Bundesumweltminister Norbert Röttgen stellen.
Man müsste Merz was ganz anderes fragen, nämlich: Nehmen wir an, ein Mann bewirbt sich um das Amt des Parteivorsitzenden und um die Kanzlerkandidatur, von dem unwidersprochen bekannt ist, dass er seine damalige Ehefrau vergewaltigt hatte, bevor das gegen Ihren Widerstad, Herr Merz, strafbar wurde - hätten Sie gegen diesen Mann Vorbehalte? Antwort müsste nach Merz' bisherigen Einlassungen ja sein: Nein, denn er hielt sich im Rahmen der seinerzeitigen Gesetze und die Frau war ja kein Kind.