Das Bundesverteidigungsministerium will (die meisten) Opfer des Homosexuellenverbots in den deutschen Nachkriegsstreitkräften mit maximal 6.000 Euro entschädigen. Das geht aus dem Referentenentwurf hervor, der queer.de vorliegt.
Das Papier wurde bereits an mehrere LGBTI- und Bundeswehr-Verbände geschickt, die dazu noch bis kommende Woche Stellung nehmen können. Der Entwurf trägt den nicht sehr eingängigen Namen "Gesetz zur Rehabilitierung der wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen durch Wehrdienstgerichte verurteilten oder in anderer Weise auf Grund der sexuellen Identität dienstrechtlich benachteiligten Soldatinnen und Soldaten", abgekürzt SoldRehaHomG.
Dem 17-seitigen Entwurf zufolge erhielte ein deutscher Militärangehöriger oder eine Militärangehörige Entschädigungen in Höhe von 3.000 Euro für jeden Fall, in dem er oder sie "von einem Wehrdienstgericht wegen eines Dienstvergehens verurteilt worden ist, dem als Dienstpflichtverletzung ausschließlich eine einvernehmliche homosexuelle Handlung zu Grunde lag". Entsprechende Urteile würden mit dem Gesetz aufgehoben.
Außerdem könnten Soldatinnen und Soldaten eine 3.000-Euro-Entschädigung beantragen, die wegen homosexuellen Handlungen "oder auf Grund der sexuellen Identität dienstrechtlich nicht nur unerheblich benachteiligt worden" seien.
Insgesamt ist die Höhe der Entschädigung für Opfer des homosexuellenfeindlichen Militärs auf 6.000 Euro pro Antragstellerin oder Antragsteller gedeckelt. Betroffene können eine Rehabilitierungsbescheinigung beantragen sowie die Erlaubnis, einen aufgrund der Diskriminierung verlorenen Dienstgrad wieder zu führen.
Bundeswehr diskriminierte Homosexuelle bis 2000
Das Gesetz soll auch für Angehörige der Nationalen Volksarmee der DDR bis zu deren Auflösung im Jahr 1990 gelten. In der Bundeswehr haben Homosexuelle Anspruch auf Entschädigung, die bis zum 3. Juli 2000 diskriminiert worden sind. Erst zu diesem Zeitpunkt wurde die Einstufung der Homosexualität als "Sicherheitsrisiko" aufgehoben und Schwule und Lesben durften offen dienen (queer.de berichtete). Laut dem Gesetzentwurf markiere das Datum "das formelle Ende der Diskriminierung von homosexuellen Soldaten in der Bundeswehr".
Der Gesetzentwurf wurde im Hause von Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer erarbeitet (Bild: Deutscher Bundestag / Achim Melde)
Den hunderte Milliarden Euro schweren Bundeshaushalt belastet das Gesetz kaum: Insgesamt rechnet das Verteidigungsministerium bis 2025 mit Kosten in Höhe von "maximal" sechs Millionen Euro für Entschädigungen. Hinzu kämen rund 1,5 Millionen Euro für Personal- und Sachkosten. Dabei wird von bis zu 1.000 Anträgen ausgegangen – diese Zahl könnte allerdings zu hoch gegriffen sein, denn beim beim 2017 erlassenen Gesetz zur Entschädigung von Opfern des Paragrafen 175 sind bislang weit weniger Anträge auf Entschädigung als erwartet eingegangen. Das Gesetz soll Ende 2028 automatisch außer Kraft treten.
In dem Referentenentwurf wird betont, dass es sich lediglich um eine "symbolische Entschädigung" handle. Die wirklichen finanziellen Nachteile für Soldatinnen und Soldaten, die wegen ihrer Homosexualität von ihrem Arbeitgeber diskriminiert worden sind, dürften weit höher liegen – immerhin ist es wahrscheinlich, dass viele der Verfolgungsopfer jahrzehntelange Gehaltseinbußen und anschließend Renteneinbußen erleiden mussten.
Referentenentwurf enthält Restdiskriminierung
Allerdings dürfen nicht alle homosexuellen Opfer der Verfolgung durch die Streitkräfte mit einer Entschädigung rechnen: "Mischurteile", die weitere "Vergehen" neben der Homosexualität behandeln, können nicht aufgehoben werden. Und wie schon beim Gesetz zur Entschädigung von Opfern des Paragrafen 175 bzw. 151 (DDR) haben nur Männer Anspruch, wenn der Partner des Betroffenen über 16 Jahre alt war (im Falle des DDR-Paragrafen 151, der zeitweise auch lesbische Liebe unter Strafe stellte, auch die Partnerin der Betroffenen). Dabei lag zu dieser Zeit das allgemeine Schutzalter für heterosexuellen Sex bei 14 Jahren. Diese Restdiskriminierung Homosexueller in dem Entwurf wurde bereits beim Paragraf-175-Gesetz als zynisch kritisiert.
Der Gesetzentwurf zur rückwirkenden Rehabilitierung homosexueller Soldatinnen und Soldaten war lange umstritten gewesen. Wie bei der Rehabilitierung von Opfern des Paragrafen 175 haben insbesondere konservative Politiker*innen lange behauptet, ein derartiger Schritt der Wiedergutmachung sei verfassungswidrig, da die homophoben Regelungen rechtsstaatlich zustande gekommen seien und daher nicht nachträglich geändert werden könnten. Das Bundesverteidigungsministerium argumentierte noch im Februar dieses Jahres so (queer.de berichtete).
Im Sommer kam dann die 180-Grad-Wende: Das für das Bundeswehr zuständige Ministerium kündigte überraschend einen Entwurf zur Entschädigung an (queer.de berichtete). Zudem erkannte Ministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) erstmals an, dass homosexuellen Soldat*innen in der Bundesrepublik jahrzehntelang diskriminiert worden seien – sie bat Opfer dieser Politik außerdem um Entschuldigung.
Ob es das auch mal für ähnliche Berufe geben mag, Leute, die von der Polizei geflogen sind, bei der Feuerwehr, THW oder Sicherheitsdiensten weg geekelt wurden, steht wieder auf einem anderen Blatt.