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Franziskus für Anerkennung von Homo-Paaren
Vorsichtiger Optimismus nach Papst-Äußerung
Dass der Papst plötzlich Lebenspartnerschaften unterstützt, hat viele überrascht. LGBTI-Aktivist*innen fordern nun reale Schritte statt Rhetorik. Die homofeindliche AfD hält einen Pontifex, der Homosexuelle nicht verdammt, dagegen für eine Clown.

Papst Franziskus sorgt mit seiner neuen Aussage für weltweite Aufregung (Bild: Republic of Korea / flickr)
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22. Oktober 2020, 09:59h 4 Min.
Befürworter*innen von LGBTI-Rechten zeigen sich nach den überraschenden Papst-Aussagen zur Anerkennung homosexueller Beziehungen zurückhaltend. In sozialen Netzwerken sieht man Einträge wie "Könnte ein Anfang sein" oder "Das aus seinem Munde ist wirklich erstaunlich." Andererseits heißt es: "Nach Worten sollten Taten folgen", was oft angezweifelt wird. Auf der anderen Seite des Spektrums gibt es entsetzte Ablehnung oder die Befürchtung, dass konservative Christinnen und Christen sich vom Papst nicht mehr repräsentiert fühlen könnten.

Einige Tageszeitungen sind mit ihren Überschriften wohl etwas übers Ziel hinausgeschossen...
Hintergrund der Aufregung: Der 83-jährige Pontifex hatte sich in der am Mittwoch in Rom uraufgeführten Dokumentation "Francesco" für eingetragene Lebenspartnerschaften ausgesprochen, um gleichgeschlechtliche Beziehungen rechtlich abzusichern (queer.de berichtete). Die Gleichbehandlung von Schwulen und Lesben im staatlichen Ehe-Recht lehnt er aber weiterhin ab.
Auf die Äußerung haben bereits die LGBTI-Sprecher*innen der deutschen Oppositionsparteien reagiert. "Bemerkenswert, #Papst stellt sich hinter queere Paare und Regenbogenfamilien, hat es noch nicht gegeben, war nicht unbedingt zu erwarten. Hoffentlich bringt das ein paar Steine ins Rollen", schreibt etwa Doris Achelwilm von der Linksfraktion bei Twiter.
/ DorisAchelwilmBemerkenswert, #Papst stellt sich hinter queere Paare und Regenbogenfamilien, hat es noch nicht gegeben, war nicht unbedingt zu erwarten. Hoffentlich bringt das ein paar Steine ins Rollen. https://t.co/UU0yRS2rC4
Doris Achelwilm (@DorisAchelwilm) October 21, 2020
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Etwas vorsichtiger äußert sich Sven Lehmann von den Grünen: "Gut, dass der #Papst jetzt homosexuelle Paare etwas weniger diskriminieren will", so der 40-Jährige aus der katholischen Hochburg Köln. "Wenn er jetzt noch öffentlich verurteilt, dass – wie etwa in Polen – seine katholische Kirche zur Hetzjagd gegen Homosexuelle aufruft, dann glaube ich ihm das sogar."
/ svenlehmannGut, dass der #Papst jetzt homosexuelle Paare etwas weniger diskriminieren will. Wenn er jetzt noch öffentlich verurteilt, dass – wie etwa in Polen – seine katholische Kirche zur Hetzjagd gegen Homosexuelle aufruft, dann glaube ich ihm das sogar. https://t.co/olJyDxNWO2
Sven Lehmann (@svenlehmann) October 22, 2020
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Die Ökumenische Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche (HuK) erinnert daran, wie schlecht derzeit homosexuelle Gläubige behandelt werden: "Dann wird er ja wohl auch nichts gegen einen Segen haben...", heißt es in einem Facebook-Eintrag. Der Hintergrund ist, dass die Priester zwar wahllos Tiere und sogar Autos segnen, gleichgeschlechtlichen Paaren diesen Segen aber auf Anweisung aus Rom mit Verweis auf den angeblich sündigen Lebenswandel verweigern.
Dann wird er ja wohl auch nichts gegen einen Segen haben… https://www.katholisch.de/artikel/27298-papst-franziskus-befuerwortet-lebenspartnerschaften-homosexueller
Posted by Ökumenische Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche (HuK) e. V. on Wednesday, October 21, 2020
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Das Regenbogenforum, ein Dachverband christlicher LGBTI-Gruppen in Deutschland, begrüßt die neuen Töne aus dem Vatikan vorsichtig: "Das ist ein guter Schritt nach vorne", so Vorstandsmitglied Claudia Brand in einer Pressemitteilung. "Wir hoffen sehr, dass bald weitere Schritte folgen. Und irgendwann wird vielleicht eine kirchliche Eheschließung von zwei Frauen oder zwei Männern Alltag sein."
Hat Papst-Äußerung Einfluss auf katholische Eiferer?
Auch international ist die Papst-Äußerung ein viel diskutiertes Thema. So bringt Innenarchitekt Bobby Berk, einer der Fab Five der Realityshow "Queer Eye", die Ansage aus Rom mit der Debatte um die konservative Katholikin und LGBTI-Gegnerin Amy Coney Barrett in Verbindung, die nach dem Willen der Republikaner auf Lebenszeit in den neunköpfigen Supreme Court, das höchste Gericht des Landes, berufen werden soll (queer.de berichtete). "Amy, dein Hass hat keinen Platz im Staat – jetzt kannst du dich nicht mal mehr hinter der Religion verstecken."
/ bobbyberkIs today the day religion finally starts teaching actual love instead of the conditional love made-up by the assholes of days past? Amy, Your hate has no place in govt, and now not even the religion you hide behind. #LoveWins #Pope #AmyConeyBarrettSCOTUS pic.twitter.com/eeZwsfNETU
Bobby Berk (@bobbyberk) October 22, 2020
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Der prominente US-Jesuitenpfarrer James Martin, der sich seit Jahren für die Anerkennung Homosexueller ins Zeug wirft, glaubt an eine echte Veränderung seiner Kirche: "Er schafft einen neuen Ort für LGBT", meinte Martin in der am Mittwochabend ausgestrahlten CNN-Talkshow von Christiane Amanpour. "Er sagt das offiziell und sehr deutlich. Es ist nicht so, dass er das nur toleriert – er unterstützt es."
/ camanpourPope Francis saying he supports same-sex civil unions is momentous, says @JamesMartinSJ. Hes creating a new space for LGBT people Hes saying it on the record and hes being very clear. Its not simply that hes tolerating it hes supporting it. pic.twitter.com/27g2qCxFxU
Christiane Amanpour (@camanpour) October 21, 2020
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Kardinal: Alle Homosexuellen sündigen
Konservative erklärten allerdings bereits ihren Widerstand gegen die Anerkennung Homosexueller. An vorderster Front ist etwa der deutsche Kardinal Gerhard Ludwig Müller: "Die vorliegende Äußerung ist eine rein private Meinungsäußerung, der jeder Katholik freimütig widersprechen kann und soll", so der 72-jährige Hardliner am Donnerstagvormittag auf kath.net. Der ehemalige Chef der mächtigen vatikanischen Glaubenskongregation stellte klar, dass Schwule und Lesben grundsätzlich sündhaft seien, sofern sie nicht gänzlich auf Sex und Liebe verzichten: "Außerhalb der legitimen Ehe ist nach Gottes Willen jeder sexueller Vereinigung objektiv eine schwere Sünde", argumentierte Müller.
Thomas Tobin, ein homophober US-Bischof von der Ostküste, erklärte in einer Pressemitteilung: "Die Kirche kann nicht die Akzeptanz objektiv unmoralischer Beziehungen unterstützen." Tobin hatte vor ein paar Jahren bereits ein Gesetz zur rechtlichen Gleichbehandlung von Schwulen und Lesben im Ehe-Recht als "unmoralisch und unnötig" diffamiert (queer.de berichtete).

"Konservative fühlen sich von diesem Papst nicht mehr repräsentiert", so kommentierte die konservative Hamburger Tageszeitung "Welt" die Entwicklungen. Dabei wird die Befürchtung geäußert, dass Franziskus einfach zu schnell für Katholik*innen sei: "Viele Gläubige überfordert das Tempo, mit dem der Papst die 2000 Jahre alte Institution verändert." Dies könne dazu führen, dass evangelikale Kirchen – die sich oft über ihre Ablehnung von Abtreibung und Homosexualität definieren – Zulauf erhalten.
/ Katholisch | Manche machen sich über die "Weltuntergangsstimmung" auf katholischen Traditionsportalen lustigAuf den diversen "katholischen" Tradi-Portalen herrscht Weltuntergangsstimmung, weil der #Papst gesagt hat, dass man #Homosexuelle anerkennen und segnen muss. Sowas ist für diese Leute die #Hölle auf Erden.
Katholisch (@Katholisch) October 22, 2020
Klar, wer nur Sex im Kopf hat und immer nur an Sex denkt, denkt so.
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Eine Gruppe hat der Papst offenbar schon verloren: katholische Rechtspopulist*innen. Die AfD Heidelberg twitterte etwa nach der Papst-Äußerung entsetzt: "Neues aus der Clownwelt. Der Papst fordert jetzt die #HomoEhe."
















Das kann man dann auch der PIS in Polen und den POLITISCHEN Reaktionären in aller Welt ins Stammbuch schreiben.
Wie gesagt: Als Nicht-Katholik sind für mich kirchliche Trauungen kein Hauptanliegen.
Wichtig ist aber die Nicht-Einmischung Roms in die politisch-rechtliche Gleichstellung.
Wie ich mir gedacht habe, ist Müller (für Thurn und Taxis der "Trump der katholischen Kirche", gilt für sie nebenbei als Kompliment) einer der ersten, der jetzt gegen seinen Dienstherrn aufmuckt.
Der Treueeid gegenüber dem Papst gilt für diese Reaktionäre nur solange, wie der Papst politisch rechtsextrem funktioniert.