Die erzkatholische Juristin Amy Coney Barrett zieht ins Oberste Gericht der USA ein. Der Senat in Washington bestätigte die Kandidatin von US-Präsident Donald Trump am Montagabend (Ortszeit). Die Entscheidung fiel mit den Stimmen von 52 republikanischen Mitgliedern des Senats, die 47 Demokraten und eine Republikanerin stimmten dagegen.
Mit der 48-jährigen Barrett bekommen die Konservativen am Obersten Gericht die dominierende Mehrheit von sechs der neun Sitze. Das könnte die Entwicklung der US-Gesellschaft auf Jahrzehnte beeinflussen. Die Richter*innen werden auf Lebenszeit ernannt und der Supreme Court hat oft das letzte Wort bei kontroversen Fällen – unter anderem zu LGBTI-Rechten, zum Recht auf Abtreibungen, zur Gesundheitsversorgung und Einwanderungspolitik.
Die Richter*innen werden auf Lebenszeit ernannt
Die Richter*innen für das Oberste Gericht werden vom Präsidenten nominiert und vom Senat ernannt. Barrett ersetzt die im September verstorbene liberale Justiz-Ikone Ruth Bader Ginsburg. Trump wollte den freien Sitz unbedingt noch vor der Präsidentenwahl am 3. November besetzen. Er verwies dabei auch ausdrücklich auf mögliche Gerichtsverfahren rund um die Stimmauszählung, die beim Supreme Court landen könnten.
Die Demokraten um den Präsidentschaftskandidaten Joe Biden forderten hingegen, dass erst der Sieger der Wahl die Ginsburg-Nachfolge regeln sollte. Dieser Ansicht schloss sich am Ende auf Seiten der Republikaner nur Senatorin Susan Collins an. Vor vier Jahren hatten die Republikaner dagegen Präsident Barack Obamas Kandidaten für das Oberste Gericht eine Anhörung verweigert und darauf verwiesen, dass man in einem Wahljahr erst den Willen des Volkes erfahren müsse. Jetzt nahmen sie bei Barrett wieder Abstand von dieser Position.
Die Demokraten warnten zuletzt vor allem, dass mit Barrett im Obersten Gericht die Gesundheitsreform von Obama fallen könnte und damit Millionen Menschen ihre Krankenversicherung verlieren würden. Die Trump-Regierung unternimmt gerade einen weiteren Versuch, die Reform vor dem Obersten Gericht zu kippen, die erste Verhandlung steht in der Woche nach der Präsidentenwahl an.
Barretts Vergangenheit lässt das Schlimmste befürchten
Die Liberalen befürchten zudem, dass mit Barrett und der konservativen Dominanz im Obersten Gericht auch die Ehe für alle und das Recht auf Abtreibungen in Gefahr sein könnten. In ihrer mehrtägigen Anhörung hielt sich Barrett zu den kontroversen Fragen konsequent bedeckt. Unter anderem wollte sich nicht sagen, ob aus ihrer Sicht das Recht auf Abtreibungen oder gleichgeschlechtliche Ehen von der Verfassung gedeckt seien. Sie behauptete, dass persönliche Ansichten keine Rolle bei ihren Entscheidungen spielen würden (queer.de berichtete).
Amy Coney Barrett am zweiten Tag der Anhörung im US-Senat (Bild: Screenshot CBC)
Barretts Vergangenheit lässt allerdings das Schlimmste befürchten. So hatte sie das Supreme-Court-Urteil zur Öffnung der Ehe als Übertretung der Gerichtskompetenzen abgelehnt. Die frühere Bundesrichterin urteilte, dass Ehe und Familie auf der "unauflöslichen Verbindung eines Mannes und einer Frau" basierten, und sprach von der "Bedeutung der sexuellen Differenz und der Komplementarität von Männern und Frauen". Sie erklärte auch, dass eine Ausweitung eines bundesweiten Gesetzes gegen Diskriminierung auf trans Menschen über das Merkmal "Geschlecht" dessen textlichen Sinn überspanne, und sie misgenderte trans Frauen, als sie zu einem Verfahren meinte: "Die Menschen werden auf beiden Seiten leidenschaftlich darüber sein, ob physiologische Männer, die sich als Frauen identifizieren, in Toiletten zugelassen werden sollten, insbesondere wenn junge Mädchen anwesend sind."
Enge Verbindungen zu queerfeindlichen Hassgruppen
In Kritik geriet Amy Coney Barrett auch, weil sie mehrere von der Organisation "Alliance Defending Freedom" finanzierte Reden hielt. Die Organisation gilt als die vielleicht queerfeindlichste Lobby in den USA, erstreitet etwa Grundsatzurteile gegen LGBTI-Rechte im In- und Ausland und kämpft sogar für die Kriminalisierung von Homosexualität. Darüber war Barrett im Vorstand von drei queerfeindlichen christlichen Privatschulen aktiv, die Kinder aus Regenbogenfamilien ebenso den Zugang verweigerten wie schwulen oder lesbischen Lehrkräften (queer.de berichtete).
Barrett bezeichnet sich selbst als "Originalistin" der US-Verfassung. Sie vertritt die juristische Auffassung, dass die Intention der Verfassungsväter aus dem 18. Jahrhundert ausschlaggebend für die heutige Beurteilung der "US Constitution" sei – und nicht zeitgenössische Beurteilungen. Freilich lebten die Verfassungsväter in einer Zeit, in der teilweise die Todesstrafe auf Homosexualität stand. Außerdem war Sklaverei erlaubt und Frauen durften weder wählen noch ein Richteramt bekleiden – die erste Richterin am Supreme Court wurde erst 1981 ernannt. (cw/dpa)
Vll. wachen jetzt wenigstens die Nichtwähler aus 2016 auf und gehen zur Urne.
Die Evangelikalen werden die nächsten Wochen nicht mehr aus dem Feiern heraus kommen und Ruth stirbt ein zweites Mal.