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Interview

"Die schwule Dating-Szene stigmatisiert HIV-Positive"

Bastian Castillo ist einer der Kandidaten der zweiten Staffel von "Prince Charming". Mit queer.de spricht er erstmals ausführlich über seine HIV-Infektion und beklagt Ablehnung und Unwissenheit in der Community.


Single seit 2018: Bastian Castillo auf dem offiziellen Pressefoto von TVNOW zur neuen Staffel von "Prince Charming" (Bild: TVNOW)

Flirten, feiern, lästern. All das sollte man draufhaben, um Kandidat bei "Prince Charming" zu sein. Doch natürlich hat jeder der Männer, die da im Reality-TV nach der Liebe suchen, auch seine ganz eigene Lebensgeschichte – und die hat es manchmal in sich.

So wie etwa im Fall von Bastian Castillo, der seit sieben Jahren HIV-positiv ist. In der Show, die seit dem 26. Oktober auch im Free-TV bei Vox zu sehen ist, hatte er keine Gelegenheit, über seine Infektion zu sprechen. Stattdessen tut der 30-jährige Berliner und Halb-Kubaner das nun bei uns auf queer.de.

Bastian, warum hast du dich dazu entschlossen, öffentlich über deine HIV-Infektion zu sprechen?

Weil ich das Gefühl habe, dass das Thema – in unserer Gesellschaft genauso wie in der schwulen Dating-Szene – immer noch stigmatisiert wird. Wer HIV-positiv ist, wird in Schubladen gesteckt. Gerade viele Heteros sind unglaublich uninformiert, was die Sache angeht. Und von anderen Homosexuellen wird man häufig einfach ignoriert, wenn die wissen, dass man positiv ist. Oder sie gehen zumindest auf Abstand. Selbst Fragen wie "Küssen geht doch, oder?" hört man immer noch.

Also wird zu wenig über das Thema gesprochen?

Ich selbst bin bislang auch nicht mega-offen damit umgegangen und habe nicht jedem gleich von Anfang an davon erzählt. Obwohl ich kein Problem mit meiner Infektion habe und mir eigentlich denke, dass das heutzutage nichts mehr ist, wovor man sich fürchten sollte. Damit will ich die Sache nicht verharmlosen oder sagen, dass die Infektion gar nichts mit einem macht. Aber viele Menschen haben noch ein Bild im Kopf von diesem Virus, der Millionen Menschen getötet hat, das mit dem Alltag von Infizierten heute nichts mehr zu tun hat. Wer seine Medikamente nimmt und in medizinischer Behandlung ist, von dem geht keine Gefahr mehr aus.

Seit wann weißt du eigentlich, dass du HIV-positiv bist?

Die Diagnose habe ich 2014 erhalten. Mein damaliger Freund und ich sprachen über unsere Erfahrungen mit ungeschütztem Sex, und weil wir den beide vor unserer Beziehung jeweils einmal hatten, ließen wir uns testen. Er war negativ, ich positiv.

Du weißt also, wann du dich angesteckt hast?

Ja, weil ich sonst nie ungeschützten Sex hatte. Außer eben im Sommer 2013. Ich war feiern im Club, gut beschwipst und hatte ein bisschen Liebeskummer, als ich anfing, mit einem Typen zu tanzen und zu knutschen. Kurze Zeit später sind wir gemeinsam auf die Toilette gegangen und hatten ungeschützten Sex. Danach war er sofort verschwunden, und ich kann nicht einmal mehr sagen, wie sein Gesicht aussah oder welche Sprache wir gesprochen haben. Dazu ging alles viel zu schnell.

Warum bist du nicht gleich danach zum Test gegangen?

Irgendwie habe ich mir einfach nichts dabei gedacht. Ganz naiv nach dem Motto: Da wird schon nix gewesen sein. So wirklich ist es mir nie in den Sinn gekommen, dass ich mich tatsächlich bei diesem einen Mal mit HIV infiziert haben könnte. Selbst als ich krank wurde, hohes Fieber bekam und sogar mal das Bewusstsein verlor, war ich zwar beim Arzt, wurde aber nicht auf HIV getestet.

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Bastian Castillo betreibt einen Onlineshop in Berlin (Bild: TVNOW)

Wie hast du dann, fast ein Jahr später, den Moment der Diagnose erlebt?

Das war definitiv ein Schlag ins Gesicht, erst einmal völlig niederschmetternd. Man macht sich sofort tausend Gedanken – und auch Vorwürfe. Gerade weil ich sonst immer geschützten Sex hatte. Auch an Freunde und Familie habe ich sofort gedacht und mit dem Schlimmsten gerechnet. Glücklicherweise hat der Arzt bzw. der Berater, der mir das Ergebnis mitgeteilt hat, mich ganz gut beruhigen können und mich schnell darauf aufmerksam gemacht, dass durch die Medikamente heutzutage trotz der Diagnose ein normales Leben möglich ist. Angst hatte ich am Anfang aber natürlich.

Wie hat dein Freund reagiert?

Erst einmal unterstützend. Am Anfang hat er mir so gut es ging geholfen und mir viel Zeit und Kraft gegeben. Allerdings war meine Infektion dann auch einer von mehreren Faktoren, warum unsere Beziehung problematisch wurde. Der Sex hat sich insgesamt gar nicht groß verändert, weil wir sowieso immer ein Kondom verwendet haben. Aber aus irgendeinem Grund verlor er das Vertrauen in mich und wurde eifersüchtig. Er verbot mir sogar, Alkohol zu trinken, wenn er nicht dabei war. Immer wieder hat er mir den Abend, an dem ich mich infiziert habe, vorgeworfen und mich indirekt als Schlampe dargestellt. Das hat mich emotional ziemlich fertig gemacht. Irgendwann ging es nicht mehr und ich habe Schluss gemacht.

Hast du später bei neuen Männerbekanntschaften gezögert, über deinen Status zu sprechen?

Das war und ist immer echt schwierig. Wenn ich versucht habe, offen damit umzugehen, war die Reaktion in vielen Fällen: Sorry, ich will nicht was mit einem HIV-Positiven haben. Aber wenn ich es nicht sofort gesagt und die Person erst einmal kennen gelernt habe, wurde es auch oft schwierig, wenn die Sache später herauskam. Das Ergebnis war also meistens das gleiche. Daher habe ich manchmal eine Notlüge kreiert und gesagt, ich sei auch auf PrEP. Was noch nicht einmal so falsch ist, denn die Tabletten, die man bei PrEP nimmt, habe ich auch lange genommen. Wenn ich später zugegeben habe, dass ich in Wirklichkeit positiv unter Medikation bin, gab es trotzdem viele Leute, die ausgetickt sind, weil sie fanden, dass ich so etwas nicht hätte verheimlichen dürfen. Auch wenn sie selbst auf PrEP waren.

Wie geht's dir denn eigentlich inzwischen gesundheitlich?

Gesundheitlich geht es mir gut. Ich kann wirklich sagen, dass die Infektion mich dank der Medikamente eigentlich im Leben kein bisschen einschränkt. Meine Familie unterstützt mich, ich muss im Alltag auf nichts verzichten, ich treibe Sport wie eh und je. Solange ich die Tabletten nehme, ist alles normal.

Das Psychische ist aber natürlich etwas anderes. Wie lange hast du gebraucht, deinen Status zu akzeptieren und nicht das Gefühl zu haben, dass die Infektion dein ganzes Leben bestimmt?

Wahrscheinlich kann man sagen, dass ich erst letztes Jahr wirklich so weit war. Da habe ich auch zum ersten Mal öffentlich darüber gesprochen, dass ich HIV-positiv bin, in dem kleinen Magazin "Tale of Men". Und seither habe ich vor, diesbezüglich noch weiter, also irgendwie einen nächsten Schritt zu gehen. Auch wenn ich zugeben muss, dass ich keine Lust habe, jedes Mal schon im zweiten Satz meine Diagnose zu nennen, wenn ich mich irgendwo vorstelle. Oder dass hinter meinem Namen immer in Klammern steht: HIV-positiv. HIV soll nicht mein einziges Thema sein. Aber ich würde gerne in der Zukunft noch mehr dazu machen und zum Beispiel andere beraten.

Hattest du solche Menschen, die dich beraten haben und dir helfen konnten?

Im Großen und Ganzen eigentlich nicht. Die paar HIV-positiven Leute, die ich kenne, habe ich eigentlich erst in den letzten Jahren kennen gelernt. Ich glaube, ich hatte Angst davor und habe mich wohler gefühlt, wirklich nur den nötigsten Personen von meiner Infektion zu erzählen, der Familie und den engsten Freunden. Im Nachhinein würde ich sagen, dass es die bessere Idee gewesen wäre, sich so schnell wie möglich mit anderen Betroffenen auszutauschen.


Alle Kandidaten der zweiten Staffel von "Prince Charming" (Bild: TVNOW )

Bei "Prince Charming" selbst hast du über das Thema nicht gesprochen, richtig?

An sich schon, allerdings nur in diesen Einzelinterview-Momenten, und das wurde letztlich in der Sendung nicht gezeigt. Im Haus habe ich aber nicht darüber geredet, weder mit dem Prinzen noch mit den anderen Kandidaten. Ich war schon bereit dazu, aber habe den richtigen Moment dafür nicht gefunden. Es hat sich einfach keine intimere Situation ergeben, in der ich mich wohl gefühlt hätte, diesen Teil meines Lebens preiszugeben. Das ist ja wie ein zweites Coming-out. Aber hätte mich jemand direkt danach gefragt, hätte ich nicht gelogen.

Hast du denn jetzt ein mulmiges Gefühl, zumindest mit diesem Interview an die Öffentlichkeit zu gehen?

Ein bisschen schon. Man kann ja nie einschätzen, wie die Reaktionen von anderen Menschen sind. Aber ich selbst weiß, dass meine Infektion nichts Schlimmes ist und andere nicht schockieren sollte. Das will ich auch nach außen zeigen, ohne das Thema natürlich zu verharmlosen. Mein Wunsch ist, dass die Leute verstehen, dass wir HIV-Positiven, die in Behandlung sind, eigentlich genauso leben wie sie – und wir die letzten sind, die wollen, dass sich andere auch anstecken. Deswegen sind Panik, Ausgrenzung und all die alten Vorurteile, mit denen viele groß geworden sind, völlig unnötig. Und außerdem ist meine Botschaft: Es kann jeden treffen, deswegen kenne deinen Status und lass dich regelmäßig testen!

#1 _hh_Anonym
  • 27.10.2020, 17:11h
  • Ein sehr schönes, aufklärendes Interview! Ich kenne leider auch Beispiele, welch krasse Unwissenheit und Diskriminierung immer noch - nach jahrzehntelager Aufklärungsarbeit - HIV-positiven Menschen entgegenschlägt. Nicht nur von Heteros - von denen aber besonders -, sondern leider auch von Schwulen.
    Auch wenn mich diese Reality-Show null interessiert, macht es mich wütend, dass darin die Äußerungen zum HIV-positiv-Sein ungesendet blieben. Ich sehe mich in meinem völligen Unverständnis bestätigt, wieso eine derartige Sendung inzwischen Grimme-Preisträger werden kann.
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#2 FailAnonym
  • 27.10.2020, 17:55h
  • so viele ficken ohne kondom und kümmern sich nicht drum

    aber wenn wer offiziell HIV hat, regen sie sich auf

    doppelmoral
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#3 SchlüssigAnonym