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"Islamistischer Extremismus ist eine tödliche Gefahr"

Landtag debattiert über Dresdner Terror-Mord

Die Abgeordneten aller Fraktion sprechen – anders als die Ermittlungsbehörden – Homosexuellenhass als mögliches Motiv für die Tat des Islamisten Abdullah Al H.H. an.


Am Tatort legten Trauernde Kränze und Kerzen nieder (Bild: Dresden.Respekt – Place to be! / twitter)

Der sächsische Landtag hat am Mittwochnachmittag 70 Minuten lang über die mutmaßliche islamistische Terrorattacke auf ein schwules Paar in Dresden debattiert, bei der der 20-jährige behördenbekannte Gefährder Abdullah Al H.H. einen Mann erstochen und dessen Lebenspartner schwer verletzt hatte (queer.de berichtete). Die Behörden hatten Homo­sexuellen-Hass als mögliches Motiv verschwiegen ("Zur sexuellen Orientierung der Opfer äußern wir uns nicht"). Dieses wurde erst nach Journalistenrecherchen bekannt (queer.de berichtete).

Beantragt worden war die Aktuelle Stunde zum Thema von der AfD ("Messermord in Dresden – Gefährder unter uns – worauf wartet [Landesinnenminister Roland] Wöller?"). Dabei benannten Redner*­innen aller fünf Fraktionen Homophobie als mögliches Motiv für die Tat. Die Attacke und das Motiv gerieten aber zum Ende der Debatte hin immer mehr in den Hintergrund – stattdessen wurde etwa generell darüber diskutiert, ob, wann und wie man unliebsame Personen ohne deutsche Staatsbürgerschaft in Krisen- und Kriegsgebiete abschieben soll.

Als erster Redner sprach der AfD-Politiker Sebastian Wippel über einen "feigen, wirklich hinterhältigen islamistischen Mordanschlag" und erklärte mit Blick auf die sexuelle Orientierung der Opfer: "Wir leben in einem Land, in dem jeder lieben kann und darf, wen er möchte", so der 37-jährige Polizeikommissar. "Dieser Anschlag ist nicht nur beliebiger Schwulenhass eines Islamisten, sondern es ist ein Anschlag auf unser aller Werte, auf unsere Lebensweise, auf unsere Kultur, die Art und Weise, wie wir in diesem Land zusammenleben."


Sebastian Wippel sitzt seit 2014 für die AfD im Landtag

Die sächsische AfD spricht sonst weniger fürsorglich über Homo­sexuelle: Im letzten Jahr wollte der als rechtsextrem eingestufte Parteichef Jörg Urban noch "Werbung für Homosexualität" an Schulen verbieten – also eine Art deutsches "Homo-Propaganda"-Gesetz einführen (queer.de berichtete). In der Vergangenheit haben sich AfD-Politiker*­innen um die Rechte von Homo­sexuellen nur Sorgen gemacht, wenn sie damit gegen "den Islam" Stimmung machen können (queer.de berichtete).

In seiner Rede beklagte Wippel auch, dass es keine "Demonstrationen für Toleranz" nach dem Anschlag gegeben habe. Dabei unterschlug er die Mahnwache in Dresden vom vergangenen Sonntag (queer.de berichtete). Außerdem kritisierte er die Reaktion auf den Anschlag durch die schwarz-grün-rote Regierung.

Der CDU-Politiker Rico Anton erklärte, der Anschlag habe ihn "tief bestürzt". "Das abscheuliche Motiv für die Auswahl der Opfer war mutmaßlich der religiös-extremistisch begründete Hass auf Homo­sexuelle", so der Abgeordnete aus dem Erzgebirge. "Die Tat führt uns einmal mehr drastisch vor Augen, dass vom islamistischen Extremismus eine tödliche Gefahr ausgeht." Er machte vor allem den Bundesnachrichtendienst dafür verantwortlich, der Informationen zur Gefährlichkeit des mutmaßlichen Täters nicht an die Landesbehörden weitergegeben habe.

Linke und Grüne: Islamisten und AfD ähneln sich

"Ich will heute nicht über Abdullah reden. Ich will über Thomas reden, der getötet wurde, und über Oliver, der seinen Lebenspartner verlor und schwer verletzt wurde", so begann Kerstin Köditz (Linke) ihre Rede. Die 53-Jährige sprach dem Überlebenden ihr Beileid zum Verlust des Partners aus. Außerdem beschuldigte sie die AfD, ebenfalls gefährlich zu sein: "Ich bin nicht mehr gewillt, diese permanente Spirale von Hass und Gewalt weiter mitzudrehen, aber genau das will die AfD mit ihrer aktuellen Debatte", so Köditz. "Fanatismus in Worten führt zu Fanatismus in Taten." Dies sei sowohl bei Islamismus als auch bei Rassismus oder Nationalismus wahr.

Valentin Lippmann (Grüne) erklärte auch in seiner Rede, dass die Tat "mutmaßlich aus religiös-motiviertem Schwulenhass" begangenen worden sei. "Religiöser Fanatismus" sei eine "erhebliche Bedrohung" für Gesellschaft und Demokratie – und gerade über Islamismus müsse gesprochen werden. Man dürfe aber nicht der "Versuchung erliegen, im Kampf gegen die Angriffe auf die Werte unserer Demokratie genau jene Werte zu verraten, die wir vorgeben, verteidigen zu wollen", so der 29-Jährige in Richtung Rechtsaußen. Er warf der AfD vor, Gift, Hass und Hetze zu verbreiten und die Gesellschaft zu spalten, wenn sie alle Asylsuchenden mit radikalen Islamist*innen gleichstelle.

Und dann ging der Politikwissenschaftler aus Dresden zum Angriff über: "Eigentlich sollten Sie, werte Kollegen der AfD, mal zugeben, dass Ihre Gesellschaftsvorstellung im Ziel mit der des radikalen Islamismus nahezu deckungsgleich ist. Der Feind ist bei Ihnen nicht der Islam, der Feind ist die liberale Gesellschaft." Hier sei Aufklärung nötig.


Valentin Lippmann ist seit 2014 Parlamentarischer Geschäftsführer der Grünenfraktion im Sächsischen Landtag

Auch der SPD-Politiker Albrecht Pallas erwähnte, dass der Anschlag "mutmaßlich aus homophoben Motiven" verübt worden sei. Trotzdem treffe er die ganze Gesellschaft – also alle Menschen, die "ein Zusammenleben in Vielfalt wollen und auch verteidigen". Der 40-jährige Innenpolitiker erklärte weiter: "Islamismus ist keine Herkunft und keine Religion, es ist eine feige und menschenfeindliche Ideologie, die wir als Bedrohung von Frieden und Zusammenhalt mit allen Mitteln bekämpfen müssen. Deshalb bin ich dem Christopher Street Day e.V. Dresden sehr dankbar, dass er am vergangenen Sonntag zu einer Mahnwache und Schweigeminute in der Dresdner Innenstadt aufgerufen hatte, um den beiden Opfern dieser Tat zu gedenken – um aber auch anzusprechen, welche Gefahren für unsere Gesellschaft durch diese Ideologie vorherrschen."

Pallas kritisierte, dass es freilich zu spät sei, erst vier Wochen nach der Tat und zehn Tage nach dem Bekanntwerden des islamistischen Hintergrunds zu demonstrieren. Andere Länder seien hier schneller, etwa Frankreich. Ferner mahnte der gebürtige Dresdner an, dass der Kampf gegen den Islamismus mit rechtstaatlichen Mitteln geführt werden müsse. Dies dürfe nicht dazu führen, dass Politik und Gesellschaft "die Muslime" oder "Menschen mit Migrationshintergrund" pauschal bekämpften. Deshalb sei es wichtig, die Debatte nicht Rechtsaußen zu überlassen.

Anschließend geriet der konkrete Anschlag in den Hintergrund: Carsten Hütter von der AfD kritisierte vielmehr den Landesverfassungsschutz wegen "mangelnder Analysefähigkeit". Hintergrund ist hierbei offenbar weniger die Gefahr durch Islamismus als die Beobachtung von rechtsextremen Elementen in der AfD durch die Behörde.

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Debatte um Abschiebepolitik

In der Folge diskutierten der CDU-Politiker Anton, der SPD-Politiker Pallas und der AfD-Politiker Wippel darüber, ob der Abschiebestopp für syrische Asylbewerber aufgehoben werden solle. Anton sprach sich dafür aus, weil die Lage in Syrien offenbar nicht mehr so dramatisch sei. Hintergrund ist, dass eigentlich niemand in ein Land abschoben werden darf, in dem Gefahr für Gesundheit oder Leben besteht. Für Anton geht jedoch "der Schutz der eigenen Bevölkerung" vor

Pallas erwiderte, dass auch die SPD ausländische Kriminelle oder Terrorist*innen gerne aus dem Land schaffen würde. "Aber wir dürfen dabei die zivilisatorischen Errungenschaften, den Rechtsstaat oder auch den Grundsatz, Menschen nicht in Lebensgefahr abzuschieben, nicht beschädigen", forderte der Sozialdemokrat. Syrien sei nun mal kein sicheres Land.

Wippel setzte anschließend noch einen drauf und stellte die gesamte Integration von Ausländer*innen in Frage. "Wir wollen diese Personen aber gar nicht in unsere Gesellschaft integrieren", rief er unter anderem in die Runde. Anschließend sorgte sein Vorschlag für erhitzte Diskussionen, Gefährder nicht nach Dresden, sondern in die sächsische "Pampa" zu schicken.

Seit kurzem wird in der Öffentlichkeit vermehrt eine Debatte darüber geführt, warum der mutmaßlich homosexuellenfeindliche Hintergrund des Dresdner Anschlags von den Behörden verheimlicht wurde und wird. LGBTI-Aktivist*innen bezeichneten dies als "zutiefst verstörend" (queer.de berichtete). Hinzu wird unter politisch Linken vermehrt darüber diskutiert, ob mehr und unverkrampfter über die Gefahr des Islamismus gesprochen werden müsse.

#1 PetterAnonym
  • 05.11.2020, 15:09h
  • """"""""""""""""""""""""""
    "Ich will heute nicht über Abdullah reden. Ich will über Thomas reden, der getötet wurde, und über Oliver, der seinen Lebenspartner verlor und schwer verletzt wurde", so begann Kerstin Köditz (Linke) ihre Rede.
    """""""""""""""""""""""""

    Genau das ist aber ein Fehler.

    Natürlich gilt das Mitgefühl bei solchen Taten den Opfern und ihren Angehörigen. Und natürlich muss man die Angehörigen, überlebende Opfer, etc. unterstützen, statt nur zu reden.

    Das heißt aber nicht, dass man einfach so die Täter verschweigt und so tut, als sei das ein tragischer Unfall, an dem niemand Schuld trägt.

    Nein, es gibt einen Schuldigen. Und dann muss man das auch offen benennen. Und dann muss man auch überlegen, wie man sowas in Zukunft verhindern kann. Dafür muss man aber wissen, welcher Täter das aus welchen Motiven gemacht hat. Und dann muss man auch Konsequenzen ziehen, die die Leute treffen, die erwiesenermaßen ähnliche Pläne haben.
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#2 PetterAnonym
  • 05.11.2020, 15:28h
  • """""""""""""""""""""""""""""""
    Für Anton geht jedoch "der Schutz der eigenen Bevölkerung" vor
    [...]
    "Aber wir dürfen dabei die zivilisatorischen Errungenschaften, den Rechtsstaat oder auch den Grundsatz, Menschen nicht in Lebensgefahr abzuschieben, nicht beschädigen", forderte der Sozialdemokrat.
    """""""""""""""""""""""""""""

    Da muss ich ausnahmsweise mal der CDU zustimmen und wundere mich über das Rechtsverständnis der SPD.

    Für mich ist hier jeder willkommen, der hier leben will, egal ob er/sie aus einem Kriegsgebiet kommt oder nicht.

    Aber dann muss man auch erwarten können, dass die sich zumindest an die elementarsten Grundregeln und an unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung halten. Ich rede hier nicht über denjenigen, der mal einen Apfel klaut. Aber wer hier hin kommt, um hier Menschen zu ermorden, der kann nicht hier bleiben.

    Auch, um das Asylrecht als solches nicht zu gefährden.

    Da geht der Schutz unschuldiger Opfer vor dem Täterschutz. Der Täter hatte eine Wahl und hat sie getroffen - die Opfer hatten keine Wahl.
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#3 Homonklin_NZAnonym
  • 05.11.2020, 15:44h
  • Der Dude ist Polizeikommissar? Und steht damit für eure Verfassungswerte. Als Politiker anscheinend nicht, wenn er Integration generell ablehnt, oder war das dann seine private Haltung von vorm Morgenkaffee?
    Mich fröstelts bei so Zeitgenossen.

    Das Ganze mal mit der Sicht über eine andere Extremisten-Achse gesehen, dann könnte er dank Verortung auf der Landeskarte,Idiom und Abstammung gradewegs zur Entnazifizierung oder so.

    Differenzieren müsste er im ersten Jahr und damals noch waldgrünem Aufzug gelernt haben, bei manchen bleibt nicht viel hängen.

    Für bessere Üwa-Methoden bin ich auch,
    ( passt nicht Vielen) aber das kann man doch heute an der Art Gefahrenpotenzial ausrichten, anstatt an der Ethnie darin vorkömmlicher Personen. Man schmeißt wegen NSU & Konsorten auch nicht halb Deutschland raus bzw. entfernt man wegen ein paar Chat-Idioten nicht die halbe Polizei.

    Die Flüchtlinge, die hier aus barer Not her kamen, sich zu integrieren anstrengen, und einfach nur in Frieden leben möchten, brauchen auch keinen Generalverdacht der Zugehörigkeit zu islamistischen Strömungen.
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