Drei litauische Mitte-Rechts-Parteien haben am Montag einen Koalitionsvertrag unterschrieben, um die bisherige Mitte-Links-Regierung in dem Baltenstaat abzulösen. Die am Montag geschlossene Koalition unter Führung der Ex-Finanzministerin Ingrida Simonyte von der konservativen Vaterlandsunion folgt damit der Regierung unter dem scheidenden Ministerpräsidenten Saulius Skvernelis. Es wird erwartet, dass die neue Regierung im Dezember vereidigt wird. Sie verfügt über 74 der 141 Sitze im Seimas.
Die drei von Frauen geführten Mitte-Rechts-Parteien kündigten an, Bürokratie abzubauen, die Modernisierung der Wirtschaft zu beschleunigen und gleichgeschlechtliche Partnerschaften rechtlich zu legalisieren. Dabei streben sie laut Koalitionsvertrag ein "geschlechtsneutrales" Institut mit Rechten und Pflichten an, das also sowohl von homo- als auch von heterosexuellen Paaren genutzt werden kann.
Auch in anderen Bereichen soll das Land liberalisiert werden: So soll künftig der Besitz weicher Drogen in geringen Mengen keine Straftat mehr sein.
Litauen verbietet gleichgeschlechtliche Ehen in der Verfassung
Bislang werden Homo-Paare nicht anerkannt, gleichgeschlechtliche Eheschließungen sind sogar laut der litauischen Verfassung verboten. In kaum einem anderen EU-Land ist die Bevölkerung feindlicher gegenüber Homo- und Transsexuellen eingestellt als in der Balten-Republik (queer.de berichtete). Die designierte Regierungschefin Simonyte hatte im Wahlkampf eine Antwort auf die Frage, ob sie Homosexuellenrechte stärken wolle, stets verweigert – sie verwies lediglich darauf, dass es dazu in ihrer Partei unterschiedliche Ansichten gebe.
Zuletzt musste das LGBTI-feindliche Land wegen internationalen Drucks Zugeständnisse machen: So entschied das Verfassungsgericht 2019, dass Litauen die Freizügigkeit homosexueller Paare innerhalb der Europäischen Union anerkennen müsse (queer.de berichtete).
Inzwischen erkennt eine große Mehrheit der EU-Staaten gleichgeschlechtliche Paare an: 13 der 27 Mitgliedsstaaten haben die Ehe für Schwule und Lesben geöffnet, weitere acht Länder bieten unterschiedliche Formen von eingetragenen Partnerschaften an.
Litauen bleibt international orientiert
Die neue Regierung in Vilnius will die internationale Ausrichtung der erst seit drei Jahrzehnten unabhängigen Baltenrepublik nicht ändern: Die Koalitionsparteien setzen etwa weiter auf die Zugehörigkeit Litauens zur Eurozone und der NATO und kündigten an, "die zu verteidigen, die für Freiheit weltweit kämpfen, von Belarus bis Taiwan" – eine Bemerkung, die China verärgern könnte.
Der Wahlkampf in dem Baltenstaat mit seinen 2,8 Millionen Einwohnern war von der Corona-Pandemie überschattet worden, obwohl die Sterblichkeitsrate in Litauen unter dem EU-Durchschnitt liegt. Auch die Wirtschaft leidet vergleichsweise wenig unter der Pandemie: Die Europäische Kommission rechnet mit einem Abschwung von 2,2 Prozent in diesem Jahr – der EU-weit geringste Einbruch. (dpa/dk)