Krzysztof Kasprzak und Kaja Godek (l.) von der "Stiftung für das Leben und die Familie" am Montag bei einer Pressekonferenz zur Übergabe der Unterschriftenliste (Bild: Kaja Urszula Godek / Facebook)
Polnischen LGBTI droht erneut monatelange queerfeindliche Stimmungsmache: Am Montag übergab die Anti-Abtreibungs-Aktivistin Kaja Godek dem Parlament angebliche 200.000 Unterschriften für einen Bürgergesetzentwurf, der Grundrechte queerer Menschen massiv beschränken würde. Der Entwurf muss nun im Sejm innerhalb der nächsten drei Monate in erster Lesung beraten werden.
Godek hatte den Entwurf erst im August als Rednerin bei einer Anti-LGBTI-Demo von Nationalist*innen in Warschau angekündigt – als ihr neuestes Projekt mit dem Titel "Stop LGBT" (queer.de berichtete). Medienberichten zufolge enthält der Entwurf ein Verbot, "Märsche der Gleichberechtigung" zu organisieren, wie CSD-Demonstrationen in Polen oft genannt werden. Des weiteren ist der Entwurf de facto eine verschärfte Version des russischen "Homo-Propaganda"-Gesetzes: Verboten werden sollen die "Bewerbung sexueller Orientierungen abseits von Heterosexualität", die Bewerbung von "Geschlecht als unabhängig von biologischen Bedingungen", was die Anerkennung von trans Personen meint, die Infragestellung der Ehe als Vereinigung von Mann und Frau, die "Bewerbung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften oder Beziehungen zu mehr als zwei Personen" oder die "Bewerbung der Ausweitung der Ehe auf Personen gleichen Geschlechts" sowie der Adoption oder Pflege von Kindern durch gleichgeschlechtliche Paare.
Als "Bewerbung" zählten "alle Formen der Verbreitung, Agitation, Lobbyarbeit, Aussagen, Erwartungen, Forderungen, Empfehlungen oder Promotionen". "Der Entwurf macht die gesamte LGBT+-Bewegung praktisch illegal", kommentierte das queere Magazin "Replika". "Denn was dürfen LGBT+-Organisationen unter solchen Verboten noch tun? Praktisch nichts."
Wie reagiert die homofeindliche Regierung auf die Homo-Hasser?
Gesetzentwürfe von Bürgern brauchen in Polen 100.000 Unterschriften, damit sich das Parlament mit ihnen befassen muss. Erst im April hatte der Sejm einen von Godek vorgelegten Entwurf zur Verschärfung des Abtreibungsverbots und einen ebenfalls aus dem christlich-fundamentalistischen Umfeld stammenden Entwurf zum Verbot von Sexualerziehung in erster Lesung beraten und nicht abgelehnt, sondern in die Ausschüsse verwiesen (queer.de berichtete). Interpretiert wurde das als Strategie der Regierung rund um die Kaczynski-Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), durch dauerhaftes "Parken" in den Ausschüssen die Entwürfe einerseits praktisch scheitern zu lassen, andererseits aber rechte Kreise der Gesellschaft und in der Koalition nicht durch eine Ablehnung zu verprellen.
Die Webseite von "Stop LGBT"
Die Abtreibungsverschärfung wurde freilich vor wenigen Wochen vom Verfassungsgericht eingeführt, während LGBT-inklusive Sexualerziehung auch ohne Verbot in Polen kaum eine Rolle spielt. Welche Chancen und Auswirkungen hat also der "Stop LGBT"-Gesetzentwurf? "In seiner jetzigen Form ist der Entwurf ein rechtliches Monster, das gegen alle möglichen Vorschriften verstößt", kommentiert die Organisation Grupa Stonewall. Dazu zählten von der polnischen Verfassung und von EU-Recht gewährleistete Grundrechte. Eine Annahme des Gesetzes würde schwere Konsequenzen seitens der EU und für das internationale Ansehen des Landes haben.
Auch in polnischen Medien schätzten Rechtsexperten die Pläne als rechtswidrigen Eingriff in Grundrechte wie Versammlungs- und Meinungsfreiheit ein. Eine "Annahme 1:1" sei daher unwahrscheinlich, so die Grupa Stonewall. Dennoch könnte die Regierung bemüht sein, "einige Vorschriften durchzusetzen, um die pathologisch-konservative Lobby zum Schweigen zu bringen". Daher sei es wichtig, die Situation zu beobachten und zu reagieren: "Wenn die PiS beschließt, einige unserer Rechte wegzunehmen, wird dies für sie nicht gut enden."
Wenn katholische Fundamentalisten zuviel Macht und Einfluss wittern
Die PiS hatte in den letzten Monaten den bereits dritten Wahlkampf auf den Rücken von LGBTI geführt, während vor allem kleinere Koalitionspartner einzelne queere Aktivist*innen stigmatisierten und kriminalisierten und den Kampf für "LGBT-freie Zonen" weiterführten . Unterstützt wird der anti-queere Kulturkampf von der in Polen noch einflussreichen katholischen Kirche, die sich im August in einem "Leitfaden zu LGBT+-Fragen" für "Heilungs-"Angebote aussprach (queer.de berichtete). Während für die – ebenfalls homophob begründete – Gesetzesinitiative gegen Sexualaufklärung Fundi-Aktivist*innen der Organisation "Ordo Iuris" mit Hassbussen geworben und Unterschriften am Rande von CSD-Demonstrationen gesammelt hatten, wurden die Unterschriften für "Stop LGBT" vor allem von der katholischen Kirche zusammengetragen.
Direktlink | Die Macher*innen des "Atlas des Hasses", der "LGBT-freie Zonen" listet, sammeln auf einer Karte auch Gemeinden, in denen Unterschriften für "Stop LGBT" gesammelt wurden. Die Godek-Stiftung gab am Montag an, die LGBTI-Aktivist*innen hinter dem Atlas-Projekt verklagen zu wollen. Auch für den Zonen-Atlas waren sie verklagt worden
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Über 300 katholische Gemeinden sammelten eigenen Angaben und Vorankündigungen zufolge nach Gottesdiensten Unterschriften für das homo- und transfeindliche Vorhaben. Einige Bischöfe hatten eine Unterstützung der Kampagne untersagt, darunter mit Stanislaw Gadecki der Chef der Bischofskonferenz (
queer.de berichtete). Andere Bischöfe unterstützten "Stop LGBT" ausdrücklich oder überließen eine Entscheidung den einzelnen Gemeinden. (nb)