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"Anti-homoverklaring"
Niederlande: Schulminister verteidigt homophobe Schulen
Konfessionelle Schulen in den Niederlanden dürfen von Eltern verlangen, dass sie ihre Abneigung gegen Homosexuelle mit einer Unterschrift bestätigen. Diese Praxis verteidigte ausgerechnet der verantwortliche Minister.

Ausgerechnet in den Niederlanden gibt ein Schulminister Schulen einen Freischein für Homophobie (Bild: Rijksoverheid / Valerie Kuypers)
- 12. November 2020, 12:30h 3 Min.
Wie schon zuvor seine deutsche Amtskollegin fällt auch der niederländische Schulminister durch Homosexuellenfeindlichkeit auf: Arie Slob hat am Dienstag einen Sturm der Entrüstung ausgelöst, als er christliche Schulen verteidigte, die Eltern eine "anti-homoverklaring" (Erklärung gegen Homosexuelle) unterschreiben lassen. Slob sagte im Parlament, dass es das "verfassungsmäßige Recht" von staatlich geförderten konfessionellen Schulen sei, derartige homosexuellenfeindliche Erklärungen zu fordern. Der Minister gehört der ChristenUnie an, einer kleinen Partei protestantischer Eiferer.
Ein in den niederländischen Medien viel erwähntes Beispiel für die homophobe Praxis ist das Van Lodenstein College in der Großstadt Amersfoort, die im niederländischen Bijbelgordel (Bibelgürtel) liegt. Die Eltern müssen in dieser Schule ein Papier unterzeichnen, in dem sie zusichern, Homosexualität abzulehnen. Für Slob ist diese Erklärung Teil der "Bildungsfreiheit".
Die Äußerung stieß sofort auf scharfe Kritik von Sozialdemokraten, Grünen und Linksliberalen. Auch LGBTI-Aktivist*innen zeigten sich empört: "Es ist nicht akzeptabel, wenn Schulen die Ablehnung von Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung propagieren", erklärte die queere Organisation COC. Zudem seien alle niederländischen Schulen laut Gesetz dazu verpflichtet, für die "psychologische und körperliche Sicherheit" aller Schülerinnen und Schüler zu sorgen – ablehnende Haltungen gegenüber homosexuellen Menschen widerspreche dieser Vorgabe.
Auch in den Kommentarspalten der Tageszeitungen stieß die Äußerung des Schulministers auf scharfe Kritik: "Es ist inakzeptabel, dass in einer mit öffentlichen Geldern finanzierten Einrichtung Kindern die Freiheit genommen wird, so zu sein, wie sind sind", schrieb etwa "De Volkskrant" aus Amsterdam. Wenn Schulen Homosexuelle nicht von sich aus vor Diskriminierung schützten, müsse der Gesetzgeber eingreifen.
Minister Slob wurde zudem von mehreren Personen wegen Volksverhetzung angezeigt. Die Antidiskriminierungsstelle gab bereits bekannt, dass sie Ermittlungen aufgenommen habe.
Slob rudert zurück
Nachdem viel Kritik auf ihn einprasselte, ruderte Slob nur wenige Stunden nach seiner Äußerung zurück: Ihm gehe die pauschale Ablehnung von Homosexualität durch Schulen nun doch zu weit und er werde Schulerklärungen einer Überprüfung unterziehen. Ferner sagte er, es sei "ärgerlich", wenn junge homosexuelle Schüler*innen durch eine homosexuellenfeindliche Atmosphäre an ihrer Schule negativ beeinflusst werden. Laut niederländischen Medienberichten gibt es mindestens 65 Privatschulen im Land, die von Eltern die Unterzeichnung einer weltanschaulichen Erklärung verlangten.
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Willem de Potter vom Van Lodenstein College kann die Aufregung dagegen nicht verstehen. Er wissen natürlich, dass die Haltung der Schule zu Homosexualität nicht mehr dem "Mainstream" entspreche, sagte er gegenüber AD.nl. "Wir denken, darum ist es so wichtig, dass Eltern die Erklärung im Voraus unterzeichnen. Damit wissen sie, auf was sie sich einlassen, und jedem ist klar, wofür die Schule steht."
In den Niederlanden regiert seit bereits zehn Jahren Ministerpräsident Mark Rutte von der rechtsliberalen VVD. Derzeit führt er eine Vier-Parteien-Koalition mit der christdemokratischen CDA, der linksliberalen Partei Democraten 66 und der ChristenUnie an. Die ChristenUnie gilt als LGBTI-feindlichste Fraktion der Regierung – sie hadert beispielsweise noch immer mit der Ehe-Öffnung vor 20 Jahren.
Homophobe evangelische Schulen auch in Deutschland
Hass auf Homosexuelle ist nicht nur ein Problem in niederländischen Konfessionsschulen: Vor wenigen Wochen wurde etwa bekannt, dass eine evangelikale Schule in Bremen einen trans Schüler wegen seiner Geschlechtsidentität drangsaliert haben soll. Die Staatsanwaltschaft hat bereits die Ermittlungen aufgenommen (queer.de berichtete). Auch diese Schule wird zum großen Teil aus Steuermitteln finanziert. (dk)
