Věra Jourová (Mitte) und Helena Dalli (re.) stellen die neue EU-Strategie vor
Die Europäische Kommission hat am frühen Mittwochnachmittag in Brüssel erstmals eine EU-Strategie zur Gleichstellung von Schwulen, Lesben, Bisexuellen und transgeschlechtlichen Menschen vorgestellt. In einer auf Englisch abgehaltenen Pressekonferenz erklärten Vize-Präsidentin Věra Jourová und Gleichstellungskommissarin Helena Dalli, mit dieser "Strategie zur Gleichstellung von LGBTIQ" wolle die Staatengemeinschaft Diskriminierungen abbauen.
Die Strategie erhält eine Reihe gezielter Maßnahmen, mit denen in den nächsten fünf Jahren die Lage von LGBTI verbessert werden soll. Darin wird unter anderem vorgeschlagen, die Liste der "EU-Straftaten" um Hassstraftaten, einschließlich homo- und transphober Hetze und Hassdelikte, zu erweitern und neue Rechtsvorschriften über die gegenseitige grenzüberschreitende Anerkennung von Regenbogenfamilien zu schaffen. Außerdem will sich die Union vermehrt weltweit für LGBTI-Rechte engagieren.
"Ich weise zurück, dass wir westliche Ideologie verbreiten"
"Alle Menschen sollten sich frei fühlen zu sein, wer sie sind – ohne Angst vor Verfolgung haben zu müssen", erklärte Jourová, die einer liberalen tschechischen Partei angehört. Sie betonte, dass es sich bei dem Papier um ein "first ever" für die Union handle. Es gehe dabei um Gleichbehandlung, nicht um das Überstülpen vermeintlich fremder Werte in östlichen Mitgliedsstaaten: "Ich weise zurück, dass wir westliche Ideologie verbreiten. Diese Initiative soll die Rechte von Bürgern schützen."
EU-Kommissionsvizepräsidentin Věra Jourová
Dalli betonte, dass "Gleichheit und Nichtdiskriminierung" Grundwerte und Grundrechte in der Europäischen Union seien. "Dies bedeutet, dass sich alle Menschen in der Europäischen Union sicher und frei fühlen und keine Angst vor Diskriminierung oder Gewalt aufgrund der sexuellen Ausrichtung, der Geschlechtsidentität, des Ausdrucks der Geschlechtlichkeit oder der Geschlechtsmerkmale haben sollten", so die Sozialdemokratin aus Malta. "Wir sind noch weit entfernt von der vollständigen Inklusion und Akzeptanz, die LGBTIQ-Personen verdienen."
EU-Gleichstellungskommissarin Helena Dalli
Die Strategie ist auf vier Säulen aufgebaut: der Bekämpfung von Diskriminierung, der Gewährleistung von Sicherheit, dem Aufbau inklusiver Gesellschaften und der Führungsrolle der EU bei der Forderung nach Gleichstellung von queeren Menschen in der ganzen Welt. Dalli will mit einer Task-Force für Gleichstellungspolitik die Bekämpfung von LGBTI-Diskriminierung in alle wichtigen Politikbereiche und Initiativen der EU einbeziehen.
Die Mitgliedsstaaten werden aufgefordert, eigene Aktionspläne für die Gleichstellung von LGBTI zu entwickeln. So könnten sie Gleichbehandlung auf nationalstaatlicher Ebene verbessern. Die Europäische Kommission werde dann die Umsetzung der in der Strategie dargelegten Maßnahmen regelmäßig überwachen und 2023 eine Halbzeitüberprüfung vorlegen.
LGBTI Intergroup begrüßt Strategie
Die LGBTI Intergroup – ein überfraktioneller Zusammenschluss von 149 Europaabgeordneten, die sich für die Gleichbehandlung von sexuellen und geschlechtlichen Minderheiten einsetzen – hat die neue Strategie begrüßt. Die deutsche Intergroup-Covorsitzende Terry Reintke (Grüne) forderte, dass homophobe Initiativen in Mitgliedsstaaten finanzielle Konsequenzen haben müssten. Gelder aus dem EU-Haushalt müssten an die Rechtsstaatlichkeit eines Mitgliedsstaates gekoppelt werden. "Wir müssen sicherstellen, dass LGBTI alle Menschenrechte genießen und dass EU-Gelder dazu genutzt werden, EU-Werte zu schützen – und diese nicht auszuhöhlen."
Für ihren Plan ist die Kommission auch auf Kooperation der Mitgliedsstaaten angewiesen. Insbesondere Ungarn geht aber derzeit mit aller Macht gegen LGBTI-Rechte vor. Die autoritäre Regierung von Ministerpräsident Viktor Orbán stellte erst am Dienstag eine Initiative vor, wonach in der Verfassung verankert werden soll, dass trans Menschen nicht anerkannt werden und gleichgeschlechtliche Paare nicht adoptieren dürfen (queer.de berichtete). Auch in Polen gibt es immer wieder Angriffe auf LGBTI, etwa durch die kommunale und regionale Ausrufung von "LGBT-freien Zonen", die von der rechtspopulistischen Regierung in Warschau unterstützt wird (queer.de berichtete).
Die Strategie zum Schutz von LGBTI war im September von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) in ihrer "Rede zur Lage der Union" angekündigt worden (queer.de berichtete). Die Chefin der 27-Staaten-Gemeinschaft verbreitete während der Pressekonferenz Informationen über die neue Strategie auf ihren Seiten in sozialen Netzwerken. (dk)