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Heimkino

Großes Comeback für Sophia Loren – und eine queere Nebenstory

In "Du hast das Leben vor dir" überzeugt die 86-jährige Diva als Holocaust-Überlebende und ehemalige Sexarbeiterin, die einen schwarzen muslimischen Waisenjungen bei sich aufnimmt. Abril Zamora spielt die alleinerziehende trans Nachbarin.


Die ungewöhnliche Freundschaft zwischen Momo und Madame Rosa beginnt unter schwierigen Vorzeichen (Bild: Netflix)

Über zehn Jahre ist es her, dass Sophia Loren zuletzt in einem großen Film zu sehen war, und dass ihr Auftritt im gefloppten Hollywood-Musical "Nine" kaum in Erinnerung geblieben ist, sagt mehr über den Film von Rob Marshall als über ihren recht kurzen Auftritt darin aus. Doch nun meldet sich die Legende des italienischen Kinos zurück, bei Netflix statt auf der großen Leinwand und mit einer Rolle, die nicht so ohne weiteres zu übersehen oder vergessen ist. Schließlich ist "Du hast das Leben vor dir" ganz auf Loren zugeschnitten.

Die Madame Rosa, die die 86-jährige Oscar-Gewinnerin hier verkörpert, mag nicht die uneingeschränkte Hauptrolle dieses Films sein. Das Zentrum aber ist sie allemal. In der Hafenstadt Bari hält sich die betagte ehemalige Prostituierte mit Mühen, aber großem Herzen über Wasser. Um die Miete zahlen zu können, müssen schon mal die kostbaren Kerzenständer verkauft werden, aber wenn Kinder (etwa von anderen Sexarbeiterinnen) Hilfe brauchen, findet sie für die immer noch einen Platz. So wie für den 12-jährigen Momo (Ibrahima Gueye), den ihr gleichermaßen gutherziger Arzt bei Rosa einquartiert.

Regie führte Sophia Lorens Sohn Edoardo Ponti


Poster zum Film: "Du hast das Leben vor dir" läuft seit 13. November 2020 bei Netflix

Es dauert eine Weile, bis sich der aus dem Senegal stammende muslimische Waisenjunge und die jüdische Holocaust-Überlebende, die sich bis heute in einem Kellerverschlag am sichersten fühlt, miteinander arrangieren. Doch dass er die Finger nicht von Drogengeschäften lassen kann und sie von immer heftigeren Demenzschüben heimgesucht wird, lässt ihre ungewöhnliche Freundschaft unter schwierigen Vorzeichen beginnen.

Vom unverwechselbaren Glamour-Look Lorens – auftoupierte rote Haare, tiefes Dekolleté, tiefbraune Haut – ist in "Du hast das Leben vor dir" nichts zu sehen. Doch auch in grauer Langhaarperücke und dezentem Alltags-Makeup weiß Regisseur Edoardo Ponti seinen Star in Szene zu setzen, der obendrein seine Mutter ist. Er holt dafür Romain Garys Roman von 1975 (als "Madame Rosa" mit Simone Signoret schon einmal verfilmt) nach Italien und in die Gegenwart, wobei die Situation der übers Mittelmeer kommenden Geflüchteten hier eher ein nebensächliches Hintergrunddetail bleibt.

Trans Schauspielerin spielt trans Rolle

Gleiches gilt auch für Rosas trans Nachbarin Lola (Abril Zamora), die ihren kleinen Sohn ebenfalls die meiste Zeit bei der liebevoll-strengen Alten in Obhut gibt. Viele Konturen gewinnt diese Figur leider nicht, die in dieser Form natürlich nicht in der Vorlage zu finden war. Aber in einem Film eine trans Frau als alleinerziehende Mutter zu sehen, die auf eine Aussöhnung mit ihrem eigenen Vater hofft, ist in jedem Fall erfreulich.


Madame Rosa und ihre trans Nachbarin Lola (Bild: Netflix)

Genauso wie die Tatsache, dass mit Zamora auch eine trans Schauspielerin besetzt wurde. Und eine ungemein interessante obendrein: Die Spanierin, die bei Netflix auch in der dritten und vierten Staffel der Gefängnisserie "Vis a Vis" zu sehen ist, ist auch als Autorin erfolgreich und schreibt unter anderem Drehbücher für die Serie "Elite" sowie die zugehörigen Romane.

Ein Rührstück, in dem Loren noch mal zu großer Form aufläuft

Letztlich aber ist "Du hast das Leben vor dir" statt eines Dramas mit politischem Anspruch aber doch eher ein konventionell umgesetztes Rührstück, inklusive sonnendurchfluteter Bilder (Kamera: Angus Hudson), Pathos-Score von Gabriel Yared und pompöser Ballade aus der Feder von Diane Warren.

Keine Frage: Das ist kitschig, in vieler Hinsicht überfrachtet und in seiner Harmlosigkeit wenig realistisch. Aber wenn es darum geht, sein Publikum zu rühren, ist Pontis Film allemal effektiv. Auch weil der junge Hauptdarsteller Ibrahima Gueye seine Sache richtig gut macht – und Loren, die für ihren Sohn schon 2002 bei "Zwischen Fremden" vor der Kamera stand, tatsächlich endlich noch einmal die Gelegenheit bekommt, zu großer, gefühlvoller Form aufzulaufen.

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#1 michael hnkAnonym
  • 14.11.2020, 10:10h
  • Den Begriff "Sexarbeiterin" sehe ich kritisch. Vermeintlich hat er den Zweck, eine diskriminierungsfreie Bezeichnung für Prostituierte zu verwenden. Die Intention mag gut sein, ich bezweifle aber, dass man damit den Betroffenen tatsächlich einen Gefallen tut. Die wenigsten gehen der Prostitution freiwillig nach, sondern um regelrecht zu überleben. Der euphemistische Sprachgebrauch des Begriffs "Sexarbeit" impliziert, als sei dies eine gewöhnliche Berufswahl unter vielen, quasi eine "Berufsausbildung", für die man sich unter Auswahlmöglichkeiten frei entschieden habe. Das ist aber, wie gesagt, nur äußerst selten der Fall. Insbesondere jedoch ist die Prostitution von (zu allermeist) Frauen in Kriegs- oder Nachkriegszeiten nicht romantisierend zu betrachten, sondern fast ausschließlich auf extreme Notlagen von Frauen zurückzuführen. Sprache hat die Aufgabe, die Realität widerzuspiegeln und nicht ideologisiertes Wunschdenken. Meine Meinung.
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#2 goddamn liberalAnonym
  • 14.11.2020, 10:45h
  • Antwort auf #1 von michael hnk
  • "Die wenigsten gehen der Prostitution freiwillig nach, sondern um regelrecht zu überleben."

    Das trifft vielleicht auf die Mehrheit der Arbeiter*innen auf diesem Planeten zu. Es geht wirklich regelrecht ums Überleben, auch ohne Sex.

    Und auch ohne Rotlichtromantik und mit scharfem Blick auf brutale Ausbeutung empfinde ich das allgemeine Verbot von Sexarbeit heuchlerich und auch anmaßend gegenüber vielen Betroffenen.
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#3 Ehrliche HautAnonym

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