Im Fall des Bremer Pastors Olaf Latzel sieht der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) die Landeskirche am Zug. In einem am Sonntag veröffentlichten "Spiegel"-Interview (Paywall-Artikel) antwortete Heinrich Bedford-Strohm auf die Frage, warum Latzel immer noch predigen dürfe: "Das liegt im Entscheidungsbereich der Bremischen Landeskirche und ist abhängig von der Rechtslage." Er selbst habe sich dazu klar geäußert: "Intoleranz ist gegen das Evangelium, abwertende und diskriminierende Haltungen dürfen in der Kirche keinen Platz haben."
Latzel steht ab Freitag, den 20. November wegen Verdachts auf Volksverhetzung vor Gericht. Anlass ist ein "Eheseminar" aus dem letzten Herbst, in dem er wiederholt gegen Homo- und Transsexuelle hetzte. In seinem Vortrag bezeichnete der Pastor der Gemeinde St. Martini die "Homo-Lobby" und den "ganzen Genderdreck" u.a. als "teuflisch", CSD-Besucher*innen seien "Verbrecher" und "gelebte Homosexualität" sei "vor Gott ein Gräuel" sowie "todeswürdig" (queer.de berichtete). Die Hetz-Rede war auch monatelang auf Youtube online.
Prozess findet im Konzerthaus statt
Die evangelische Landeskirche in Bremen leitete aufgrund des Hass-Vortrags zwar bereits im Mai ein Disziplinarverfahren gegen Olaf Latzel ein, dieses ruht jedoch bis zum Urteil des weltlichen Gerichts. Trotz seiner menschenverachtenden Äußerungen und der Anklage durfte der Pastor in seiner Kirche zunächst weiterpredigen (queer.de berichtete). Erst Anfang November vereinbarte der Kirchenausschuss laut "Weser-Kurier" mit Latzel und seiner Gemeinde, dass er vom 9. November bis 6. Dezember seine Amtsgeschäfte ruhen lässt.
Wegen des großen öffentlichen Interesses und der Abstandsregeln im Zuge der Corona-Pandemie findet der Strafprozess im Bremer Innenstadt-Konzerthaus "Die Glocke" statt. Die Verhandlung wird am 20. November um 9 Uhr im Kleinen Saal eröffnet, als weitere Termine sind der 25. und 30. November vorgesehen. Das Amtsgericht Bremen geht jedoch davon aus, dass zwei Sitzungstage ausreichen.
Latzels Gemeinde: "Wir legen Wert auf eine respektvolle Kommunikation"
Olaf Latzel ist Chef einer von 61 Kirchengemeinden der Bremischen Evangelischen Kirche. Er war bereits in der Vergangenheit wiederholt mit Ausbrüchen gegen Homosexuelle oder Angehörige anderer Religionen aufgefallen. So hatte er etwa das Homo-"Heiler"-Seminar "Homosexualität verstehen – Chance zur Veränderung" angeboten oder Christ*innen offen aufgefordert, kein Verständnis und keine Toleranz für andere Religionsgemeinschaften zu zeigen. Die "Frankfurter Rundschau" bezeichnete ihn deshalb als "Hetzprediger von der Weser". Seine Äußerungen hatte Latzel mehrfach damit verteidigt, dass er nur das sage, was in der Bibel stehe.
Kurz vor dem Strafprozess versuchen Latzel und seine Gemeinde allerdings, sich ein tolerantes und freundliches Image zu geben. So wurden Anfang des Monats auf der Homepage von St.-Martini neue "Leitsätze zur Kommunikation" veröffentlicht. "Wir begegnen ausnahmslos jedem Menschen gleich welcher Herkunft, Geschlechtes, Alters oder Religion mit Wertschätzung, Respekt und Nächstenliebe", heißt es darin. Und: "Wir legen Wert auf eine respektvolle Kommunikation und achten auf eine angemessene Wortwahl." (cw)