Nach der offenbar aus LGBTI-Feindlichkeit verübten Attacke auf eine 20-jährige queere Person in der Frankfurter Innenstadt vom Wochenende fordern LGBTI-Aktivist*innen, dass Sicherheitsbehörden mehr Aufmerksamkeit auf homo- und transphobe Gewalt richten. Außerdem rufen sie zur Solidarität mit dem Opfer auf.
"In einer Stadt darf es [...] keine No-Go-Areas für bestimmte Menschengruppen geben. Eine Stadtgesellschaft darf es nicht hinnehmen und muss sich dagegen wehren, dass ein Teil von ihr Orte im Herzen der Stadt nach Einbruch der Dämmerung sicherheitshalber meiden muss", erklärte etwa die queere Aktivistin Jessica Purkhardt, ein Vorstandsmitglied der Aids-Hilfe Frankfurt. "Wir erwarten deshalb, dass der aktuelle Gewaltübergriff auf einen queeren Menschen nun in der öffentlichen Diskussion und bei den Sicherheitsbehörden zum Anlass genommen wird, die Sorgen der LGBTIQ+-Community angemessener zu berücksichtigen."
Wichtig sei etwa die sichtbare Präsenz der Polizei auch in den Nachtstunden. Purkhardt verwies dabei darauf, dass ausgerechnet in der Nähe des Tatorts seit zwei Jahren gleichgeschlechtliche Ampelpärchen leuchten. Eine Stadt, die solche Symbole setze, sollte auch dafür eintreten, "dass gleichgeschlechtliche Paare dort tatsächlich unbehelligt Hand in Hand laufen können und queere oder transidente Menschen keine verbale und körperliche Gewalt erfahren".
"Verschwieg" die Polizei LGBTI-feindlichen Hintergrund?
Der hessische Landesverband von Die Linke.queer forderte von den Sicherheitsbehörden, dass "homo- und transfeindliche Straftaten als solche erkannt und benannt werden", wie Landessprecher Christian Gaa erklärte. Er kritisierte die Tendenz der Polizei, LGBTI-feindliche Hintergründe von Straftaten nicht zu erwähnen. So sei bereits beim islamistischen Terroranschlag in Dresden vom 4. Oktober der möglicherweise homophobe Hintergrund "verschwiegen" worden, jetzt habe sich dies in Frankfurt wiederholt. "Das ist kein Zufall", so Gaa.
Auch die Frankfurter Grünen zeigten sich nach der Attacke entsetzt und forderte mehr Engagement von den Sicherheitsbehörden: "Die Polizei ist aufgefordert, in ihren Berichten Angriffe aus Motiven, die sich aus gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit speisen, auch direkt als solche zu benennen. Nur so entsteht ein realistisches Bild und nur so kann gezielt gegen solche Taten vorgegangen werden", erklärten die grünen Vorstandssprecher*innen Beatrix Baumann und Bastian Bergerhoff.
Das ist bisher über Tat und Täter bekannt
Bisher ist über den Fall bekannt, dass das 20-jährige Opfer, das in sozialen Netzwerken als KweenDrama bekannt ist, am Samstag gegen 20.15 Uhr vor dem Einkaufszentrum "MyZeil" aus einer großen Gruppe heraus von mehreren jungen Männern mit Schlägen und Tritten attackiert worden ist. Laut Polizei wurden an dem Abend zehn Personen zwischen 14 und 30 Jahren vorläufig festgenommen.
Twitter / KaiGehring | Der grüne Bundestagsabgeordnete Kai Gehring würdigt das Engagement von KweenDrama
Laut der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" sei einer der mutmaßlichen Täter bereits zuvor im Haus des Jugendrechts im Frankfurter Stadtteil Höchst registriert gewesen, einer Einrichtung für jugendliche Straftäter*innen. Auch andere Verdächtige seien wegen Gewalt- und Eigentumsdelikten polizeibekannt. Die meisten stammen aus Frankfurt oder dem Umland. Zur Nationalität der jungen Angreifer machten die Behörden keine Angaben.
Für besondere Kritik hatte gesorgt, dass die Polizei den mutmaßlich queerfeindlichen Hintergrund der Tat zunächst nicht öffentlich erwähnte. Erst am späten Montagnachmittag erklärten die Behörden, Videos aus sozialen Netzwerken hätten Hinweise auf "transphobe bzw. transfeindliche Beweggründe" ergeben. Zuvor waren mehrere Videos des Vorfalls mit teils transfeindlichen Begriffen und Ansichten verbreitet und kommentiert worden.
KweenDrama hatte die Tat am Wochenende als homophob motiviert beschrieben und ist durch soziale Netzwerke in der Frankfurter Jugendszene bekannt. Eine Rolle als Vorgeschichte könnte so auch ein Video spielen, dass der Youtuber Breso sechs Tage vor der Tat gemeinsam mit KweenDrama in der Frankfurter Innenstadt aufgenommen hatte. Darin sagt ein junger Mann offen zu KweenDrama: "Wäre das mein Sohn, bei Gott, ich schwöre, ich hätte dich dumm und dämlich gehauen."
Die Polizei bittet Zeuginnen und Zeugen der Attacke, sich per Telefon unter der Rufnummer (069) 755-35108 oder per E-Mail zu melden. (dk)