Diskriminierte homosexuelle Soldatinnen und Soldaten sollen rehabilitiert und mit einer symbolischen Summe finanziell entschädigt werden. Das Kabinett beschloss am Mittwoch einen Gesetzentwurf, der die Aufhebung von Urteilen der Truppengerichte wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen vorsieht. Für jedes aufgehobene Urteil sollen 3.000 Euro Entschädigung gezahlt werden. Diese Summe erhalten auch Soldatinnen und Soldaten, die wegen ihrer "sexuellen Identität" entlassen, nicht mehr befördert oder nicht mehr mit verantwortungsvollen Aufgaben betraut wurden. Das gilt sowohl für Bundeswehrsoldaten als auch für Angehörige der ehemaligen Volksarmee der DDR. Der Begriff "sexuelle Identität" umfasse dabei nicht nur "homosexuelle Männer und Frauen", sondern auch "bisexuelle, transsexuelle oder diverse Menschen", wird in einem Kommentar zum Gesetz erklärt.
Das Verteidigungsministerium schätzt, das etwa 1.000 Betroffene die Entschädigung beantragen werden. Insgesamt wird bis 2025 mit Kosten in Höhe von "maximal" sechs Millionen Euro für Entschädigungen gerechnet. Hinzu kämen rund 1,5 Millionen Euro für Personal- und Sachkosten. Der Gesetzentwurf muss noch vom Bundestag beschlossen werden.
Der schwulenfeindliche Paragraf 175, der erst in den Neunzigern abgeschafft wurde, beschäftigte jahrzehntelang auch die Bundeswehr-Gerichte. Homosexuelle Soldaten mussten zudem damit rechnen, degradiert oder entlassen zu werden. Später konnten sie zwar in den Streitkräften bleiben, wurden aber nicht mehr mit verantwortungsvollen Aufgaben betraut. Erst durch die Aufhebung eines Erlasses zur Personalführung homosexueller Soldatinnen und Soldaten am 3. Juli 2000 wurde die institutionelle Diskriminierung Homosexueller bei der Bundeswehr beendet.
Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hatte die Bedeutung der Rehabilitierung bereits vor der Kabinettssitzung gewürdigt. "Dieser Gesetzentwurf ist ein großes Zeichen gegen Diskriminierung, es ist aber vor allen Dingen ein wichtiger Schritt für die Betroffenen selbst", sagte die CDU-Chefin. Zwar könne man das erlittene persönlich Unrecht nicht wiedergutmachen. Aber mit der Aufhebung von Urteilen der Truppengerichte und mit der Zahlung einer symbolischen Entschädigung setze man "ein Zeichen der Wiederherstellung der Würde dieser Menschen, die nichts anderes wollten, als Deutschland zu dienen".
Queere Verbände fordern Nachbesserungen
Bereits im Vorfeld hatten LGBTI-Organisationen den Gesetzentwurf begrüßt, mahnten aber auch Verbesserungen an. So sollten individuelle Entschädigungen möglich sein, da der monetäre Schaden für wegen Homosexualität diskriminierte Soldatinnen und Soldaten die vorgeschlagene Pauschalentschädigung in vielen Fällen weit übersteige. Außerdem sollten Fälle bis Ende 2009 und nicht wie vorgesehen bis Mitte 2000 berücksichtigt werden, da die systematische Diskriminierung – etwa durch den Militärischen Abschirmdienst – noch angehalten habe (queer.de berichtete). Dies wurde aber im Gesetzentwurf der Bundesregierung nicht berücksichtigt. Der queere Soldat*innen-Verband QueerBW erklärte am Mittwoch, man werde im Rahmen des weiteren Gesetzgebungsprozesses das "Ziel einer Vollumfänglichen #Rehabilitierung & echten #Entschädigung weiter verfolgen".
Die demokratische Opposition begrüßte den Gesetzentwurf. "Die Rehabilitierung der homosexuellen Soldaten ist von großer Bedeutung. Denn die Jahrzehnte andauernde Diskriminierungspraxis in der Bundeswehr hat nicht nur Karrieren von homosexuellen Menschen als Soldaten und Offiziere beendet, sondern ganze Existenzen vernichtet", erklärte etwa Sven Lehmann, der queerpolitische Sprecher der Grünenfraktion, in einer ersten Reaktion. Sein FDP-Amtskollege Jens Brandenburg freute sich darüber, dass Bundesverteidigungsminister Kramp-Karrenbauer "über ihren eigenen Schatten gesprungen" sei. Immerhin hatte das Ministerium der saarländischen CDU-Politikerin, die sich in der Vergangenheit mit Polemik gegen LGBTI profilieren wollte, noch im Frühjahr die Rehabilitierung diskriminierter Homosexueller im Militär wegen angeblich hoher verfassungsrechtlicher Hürden abgelehnt (queer.de berichtete). (dpa/dk)
Mehr als eine symbolische Summe ist das auch nicht... Der Betrag bleibt ja weit unter den ursprünglichen Forderungen (und selbst die wurden schon als zu niedrig kritisiert).
Also genau wie bei der Rehabilitierung der §175-Opfer: Union und SPD versuchen, so billig wie möglich aus der Nummer rauszukommen, statt ihrer historischen Verantwortung gerecht zu werden.