Die juristischen Schwierigkeiten des ungarischen Europaabgeordneten József Szájer von der LGBTI-feindlichen Fidesz-Partei sind inzwischen weltweites Gesprächsthema. Am Montag war bekanntgeworden, dass Szájer gemeinsam mit 25 anderen Männern bei einer schwulen Sexparty über einer Gay-Bar im Zentrum von Brüssel erwischt wurde, obwohl derartige Treffen dort wegen der Corona-Pandemie gegenwärtig untersagt sind (queer.de berichtete). Szájer, seit Jahren Fidesz-Delegationsleiter im EU-Parlament, hat sein Abgeordnetensitz inzwischen geräumt und sein Mandat zurückgegeben.
Immer mehr Einzelheiten des Falles werden nun bekannt. So ermittelt die Polizei gegen Szájer auch wegen eines Drogendelikts. Sarah Durant, die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, bestätigte gegenüber der Londoner Zeitung "Guardian", dass bei einem Mann mit den selben Initialen und dem selben Geburtsjahr wie Szájer Betäubungsmittel sichergestellt worden seien. Diese seien in seinem Rucksack gefunden worden. Der Mann, der sich bei einem Fluchtversuch über die Dachrinne verletzt habe, habe außerdem versucht, sich auf diplomatische Immunität zu berufen. Ihm sei aber von Beamten gesagt worden, dass sich diese Immunität nur auf seine Amtspflichten erstrecke, aber nicht auf sein Privatleben.
Inzwischen bestätigte Szájer, dass eine Ecstasypille in seiner Tasche gefunden worden sei. Aber: "Das ist nicht meine, ich weiß nicht, wer sie in die Tasche getan hat und wie das geschehen ist." Ferner gab der mit einer Frau verheiratete Politiker zu, bei einer "Hausparty" gewesen zu sein und damit die Corona-Regeln gebrochen zu haben.
Szájer profilierte sich als Homo-Hasser
Weltweit amüsieren sich Menschen über das Schicksal des rechtspopulistischen Politikers, der nicht nur Gründungsmitglied der Fidesz-Partei des autoritären Ministerpräsidenten Viktor Orbán ist, sondern laut Medienberichten auch die zentrale Figuren hinter dem vor einem Jahrzehnt eingeführten Ehe-Verbot für Schwule und Lesben in der ungarischen Verfassung (queer.de berichtete). Szájer soll den ersten Entwurf der wenig demokratischen Verfassung persönlich in sein iPad getippt haben. Diese heuchlerische Haltung führte zu vielen Reaktionen in sozialen Medien.
Die Brüsseler Jugendorganisation der liberalen Partei VLD frotzelte etwa: "Auch wenn er dabei hilft, in Ungarn LGBTQ-freie Zonen zu etablieren, kann sich der Europaabgeordnete József Szájer glücklich schätzen, dass er sich in Brüssel frei entfalten kann."
Der bekannte amerikanische Blogger Perez Hilton ernannte die Szájer-Story zur "Schlagzeile des Tages" und veröffentlichte ein Kurzvideo, in dem er laut und hämisch über den ungarischen Rechtspopulisten lacht.
Ernster kommentierte der unabhängige ungarische Investigativjournalist Szabolcs Panyi die Affäre auf Twitter: "Warum ist es wichtig, dass Viktor Orbáns enger Freund und Verbündeter, der Europaabgeordnete József Szájer, bei einer Orgie mit über 20 Männern erwischt wurde?", fragte der Regimekritiker. "Ganz einfach: Während er das Leben im LGBT-freundlichen Brüssel genießt, machte er das Leben für LGBT in Ungarn zur Hölle, indem er die Verfassung neu geschrieben hat."
Eine regierungstreue Zeitung macht sogar das liberale Deutschland für den Skandal verantwortlich – und warnt allen Ernstes vor einem "Vierten Reich", das bald Ungarn erobern könnte.
Viele Ungar*innen werden unterdessen kaum etwas von der Affäre erfahren. Denn in der vom Orbán-Regime weitgehend kontrollierten ungarischsprachigen Presse wird die Story nur am Rande erwähnt. Darauf wies etwa die polnischsprachige Seite kropka.hu hin, die auf zwei regierungstreue Zeitungen verweist, in denen die Geschichte im Innenteil versteckt wird. Auf der Titelseite beider Zeitungen wird dagegen gegen George Soros polemisiert, den LGBTI-freundlichen Lieblingsfeind der ungarischen Regierung. Dabei handelt es sich um einen ungarischstämmigen jüdischen US-Philanthrop und Investor, der seit Jahren von Fidesz mit antisemitischen Untertönen beschuldigt wird, eine neue Weltordnung voller Homosexueller und Feministinnen schaffen zu wollen. Erst vor wenigen Tagen war dem Holocaust-Überlebenden von einem Regierungsvertreter vorgeworfen worden, ein "liberaler Führer" zu sein, der den Kontinent Europa als "Gaskammer" missbrauche.
Übrigens: Die Brüsseler Polizei hatte offenbar kein Problem, die Party zu finden, wie Blogger Berlaymonster feststellte. Denn das Polizeirevier ist nur wenige Meter von jener Schwulenbar entfernt, in dem die Orgie stattgefunden hatte. (dk)